Leitsatz

Es besteht keine Beschlusskompetenz, Sondernutzungsrechte zu begründen.

 

Normenkette

§§ 902 Abs. 1 Satz 1, 985, 1004 BGB; §§ 10 Abs. 3, 13 Abs. 2, 15 Abs. 3 WEG

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer K verlangt von Wohnungseigentümer B die Herausgabe eines Kellerraums an sämtliche Miteigentümer. B hält dem entgegen, an dem Kellerraum ein Sondernutzungsrecht zu haben. Dieses habe ihm sein Rechtsvorgänger R im Jahr 1981 gemeinsam mit seinem Wohnungseigentum verkauft.
  2. Das AG Hamburg-Blankenese verurteilt B auf Grundlage von §§ 1011, 432 BGB antragsgemäß.

    § 1011 BGB (Ansprüche aus dem Miteigentum)

    Jeder Miteigentümer kann die Ansprüche aus dem Eigentum Dritten gegenüber in Ansehung der ganzen Sache geltend machen, den Anspruch auf Herausgabe jedoch nur in Gemäßheit des § 432 BGB.

    § 432 BGB (Mehrere Gläubiger einer unteilbaren Leistung)

    (1) Haben mehrere eine unteilbare Leistung zu fordern, so kann, sofern sie nicht Gesamtgläubiger sind, der Schuldner nur an alle gemeinschaftlich leisten und jeder Gläubiger nur die Leistung an alle fordern. Jeder Gläubiger kann verlangen, dass der Schuldner die geschuldete Sache für alle Gläubiger hinterlegt oder, wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abliefert.

    Zwar hätten die Wohnungseigentümer im Jahr 1978 in der Tat beschlossen, dem Wohnungseigentümer R ein Sondernutzungsrecht am Kellerraum einzuräumen. Dieser von allen Wohnungseigentümern gefasste Beschluss sei mangels Beschlusskompetenz aber nichtig. Wollte man in dem Beschluss eine Vereinbarung sehen, wirke diese Vereinbarung mangels Eintragung im Grundbuch (= keine Verdinglichung i.S.v. §§ 10 Abs. 3, 5 Abs. 4 Satz 1 WEG) jedenfalls nicht gegen K, der erst "spät" Wohnungseigentümer geworden sei.

  3. Gegen dieses Urteil wendet sich B. Er meint, er habe sich auf die im Jahr 1978 geltende Rechtsprechung verlassen dürfen (Hinweis auf BGH v. 21.5.1970, VII ZB 3/70, NJW 1970 S. 1316). Danach sei der im Jahr 1978 gefasste Beschluss aber nicht nichtig gewesen. Ein etwaiger Herausgabeanspruch sei jedenfalls verjährt und verwirkt.
 

Die Entscheidung

  1. Die Berufung hat keinen Erfolg! K könne nach § 985 BGB in Verbindung mit §§ 13 Abs. 2 Satz 1, 15 Abs. 3 WEG Herausgabe verlangen. B stehe kein Sondernutzungsrecht zu. Der Beschluss aus dem Jahr 1978 sei nichtig.
  2. Richtig sei, dass man im Jahr 1978 die Rechtslage anders gesehen habe. Ein Vertrauensschutz komme aber nur in Betracht, wenn im Vertrauen auf den Beschluss rechtlich schützenswerte Positionen entstanden seien und deren Beseitigung zu unzumutbaren Härten führen würde (Hinweis auf BGH v. 20.9.2000, V ZB 58/99, NJW 2000 S. 3500, 3503). Das sei im Fall nicht zu erkennen.
  3. K's Recht sei nicht verwirkt. Ein Herausgabeanspruch könne nur verwirken, wenn die Herausgabe für den Besitzer schlechthin unerträglich sei (BGH v. 16.3.2007, V ZR 190/06, NJW 2007 S. 2183). Auch so liege es hier nicht.
  4. Der Herausgabeanspruch sei auch nicht verjährt. Er unterliege nach § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht der Verjährung (Hinweis auf OLG München v. 16.11.2007, 32 Wx 111/07, NJW-RR 2008 S. 247; AG München v. 15.10.2012, 485 C 16639/12, ZMR 2013 S. 234).
  5. B stehe schließlich auch kein "Gewohnheitsrecht" zu. Würde man dieses annehmen, stünde die Annahme in einem direkten Widerspruch zu § 10 Abs. 3 WEG. Außerdem würde man dann die Publizität des Grundbuchs entwerten. Dafür "sei kein Raum".
  6. Meinte man schließlich, es handle sich im Fall um eine Vereinbarung, gelte nichts anderes. K müsste sich ein schuldrechtliches Sondernutzungsrecht nicht entgegenhalten lassen (Hinweis auf § 10 Abs. 3 WEG).
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Die Entscheidung entspricht in ihren jeweiligen wohnungseigentumsrechtlichen Aspekten herrschendem Denken (Anspruchsgrundlage, Verjährung des Herausgabeanspruchs, Verwirkung des Herausgabeanspruchs, Bindung an schuldrechtliche Vereinbarung).
  2. Neu ist der kleine "Ausflug" in den Begriff "Gewohnheitsrecht". Dieses hätte 3 Voraussetzungen: lange Gewohnheit, allgemeine Überzeugung und die Vorstellung, dass es sich um bindendes Recht handelt. Die Annahme von Gewohnheitsrecht scheidet danach schon deshalb aus, da es sich bei einem Sondernutzungsrecht um kein "bindendes Recht" der "Allgemeinheit" handelt.
  3. K hatte im Übrigen auch noch beantragt, dass B ein im Keller aufgestelltes Solarium entfernen und den Keller "besenrein" übergeben soll. Diese Ansprüche sah das LG anders als das AG als verjährt an. Der unverjährbare Herausgabeanspruch aus §§ 985, 902 BGB gehe in der Rechtsfolge bloß auf Herausgabe, nicht auf Beseitigung. Bei Immobilien sei die Entfernung der von dem Besitzer errichteten Bauwerke oder Bauwerksteile (Räumung) kein Inhalt des Herausgabeanspruchs (Hinweis auf BGH v. 28.1.2011, V ZR 141/10, NJW 2011 S. 1068).

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