Normenkette

§ 43 WEG, § 10 WEG

 

Kommentar

Dem in der Anfechtungsfrist zum Eigentümer gewordenen Rechtsnachfolger steht ein Beschlussanfechtungsrecht zu, auch wenn er in der Eigentümerversammlung, in der die angefochtenen Beschlüsse gefasst worden sind, nicht stimmberechtigt gewesen ist.

Im vorliegenden Fall wurde ein anfechtender Antragsteller erst nach Beschlussfassung innerhalb der einmonatigen BeschlussanfechtungsfristEigentümer durch entsprechende Grundbucheintragung, sodass er nach Meinung des Senats noch innerhalb der Beschlussanfechtungsfrist zur selbstständigen Anfechtung berechtigt war.

Dies gilt auch dann, wenn dieser Eigentümer zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in der Versammlung nach der neuen Rechtsprechung des BGH kein Stimmrecht besaß (BGH Z 106/113 = NJW 89, 1087), also insoweit die Rechtsfigur des sog. werdenden/faktischen Eigentümers in der Sondernachfolge abgelehnt wurde. Entgegen der Meinungen der Vorinstanzen folgt jedoch das Anfechtungsrecht nicht zwingend dem Stimmrecht. Nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG ist jedoch derjenige antragsberechtigt, der im Zeitpunkt der Antragsteller Wohnungseigentümer ist (wie hier der Antragsteller im vorliegenden Verfahren). Sicher ist richtig, dass Stimm- und Anfechtungsrecht miteinander verbunden sind und regelmäßig dem betroffenen Eigentümer allein zustehen; dies muss allerdings für einen Ausnahmefall wie den vorliegenden nicht zur Konsequenz führen, dem Rechtsnachfolger das Anfechtungsrecht zu verneinen. Auch in anderen Fällen sind Stimm- und Anfechtungsrecht nicht stets untrennbar miteinander verbunden (Verwalteranfechtung, Anfechtung durch den vom Stimmrecht gem. § 25 Abs. 5 WEG ausgeschlossenen Miteigentümer), wie auch von Deckert zutreffend festgestellt (vgl. Anmerkung zu AG Gießen, Entscheidung v. 7. 12. 1990, Az.: 22 II 17/90). Auch die Folgerung, dass in einem solchen Fall Veräußerer und Erwerber (zeitlich nacheinander) anfechtungsberechtigt sein könnten, steht dem Antragsrecht des Rechtsnachfolgers nicht entgegen, zumal dann nicht, wenn die Beschlussgegenstände - wie hier - beide Beteiligten beträfen. Schließlich spricht für das Antragsrecht auch, dass es einem Eigentümer möglich sein müsse, ihn belastende Eigentümerbeschlüsse ( § 10 Abs. 3, Abs. 4 WEG) anzufechten, wenn er in der noch laufenden Anfechtungsfrist Wohnungseigentümer werde.

Da über die Beschlussanfechtung durch die Tatsacheninstanzen nunmehr inhaltlich entschieden werden müsse, seien die Entscheidungen beider Vorinstanzen aufzuheben und die Sache im Wege der Sprungzurückverweisung an das Amtsgericht (I. Instanz) zurückzugeben.

 

Link zur Entscheidung

( OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.04.1992, 20 W 202/91= NJW-RR 92, 1170 = ZMR 7/92, 310)

zu Gruppe 7: Gerichtliches Verfahren

Anmerkung:

Auch in diesem Fall folgte das OLG der in diesseits geäußerten Kritik an den Vorentscheidungen des Amtsgerichts und Landgerichts Gießen, und zwar aus gesetzessystematischen Gründen m. E. völlig zu Recht.

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