Leitsatz

  • Gültige Eventualeinberufung kraft entsprechender (Zitter-)Beschlussfassung; nicht nichtiger, sondern mangels Anfechtung bindender Beschluss in Abweichung zu § 25 Abs. 4 WEG (wie BayObLG)!

    Anforderungen an einen zustimmungsersetzenden Beschluss auf Gestattung baulicher Veränderungen

    Zustellungen im Beschlussanfechtungsverfahren sind nicht nur an den Verwalter als gesetzlichen Zustellungsvertreter zu richten, sondern auch an aktiven Antragsgegner, der eigenständig Abweisungsantrag gestellt hat

 

Normenkette

§ 23 Abs. 4 WEG, § 24 Abs. 4 WEG, § 25 Abs. 4 WEG, § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG, § 43 Abs. 1 Nr. 1, 2 u. 4 WEG, § 16 Abs. 2 FGG, § 22 Abs. 1 FGG

 

Kommentar

1. Ein mehrheitlich gefasster Eigentümerbeschluss, der in Abweichung von § 25 Abs. 4 WEG vorsieht, dass mit der Einladung zur Eigentümerversammlung zugleich zur Ersatzversammlung (Zweit- oder Wiederholungsversammlung) am selben Tag geladen werden kann (sog. Eventualeinberufung), ist nicht nichtig, sondern mangels rechtzeitiger Anfechtung verbindlich; der Senat schließt sich hier der vom BayObLG (WM 89, 658 = WE 91, 49) vertretenen Rechtsauffassung an; für die Gültigkeit solcher unangefochten gebliebener, abdingbares Gesetz ändernder Beschlüsse sprechen unabweisbare praktische Gründe, insbesondere bei großen Wohnanlagen, bei denen das Interesse an der Teilnahme an den Versammlungen gering ist. Außerdem wurde im vorliegenden Fall ersichtlich bereits mehrere Jahre dieser Einladungsmodus praktiziert, ohne dass sich dagegen Widerspruch erhoben hätte.

2. Damit ist im vorliegenden Fall auch der Beschluss über die Gestattung der Aufstellung eines Wasserbassins auf der Sondernutzungsfläche eines Eigentümers formell wirksam zustande gekommen; er widerspricht auch inhaltlich nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Zwar stellt die Aufstellung eines Wasserbassins eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG dar, die grundsätzlich nicht mit Stimmenmehrheit beschlossen werden kann; im vorliegenden Fall war jedoch das Erfordernis allseitiger Zustimmung in der Teilungserklärung durch dortige Vereinbarungsregelungen in zulässiger Weise abbedungen. Eine solche Regelung ist auch auf bauliche Veränderungen der zum Sondernutzungsrecht gehörenden Grundstücksflächen anzuwenden, weil zum einen nach Teilungserklärung das Sondernutzungsrecht zum dinglichen Inhalt des betreffenden Sondereigentums gehört und darüber hinaus nach weiterer Vereinbarungsregelung Sondereigentum und Sondernutzungsrecht gleichbehandelt werden.

3. Nach Rechtsprechung des Senats (NZM 2000, 348 = WM 2000, 26) muss ein solcher, das Erfordernis der allstimmigen Zustimmung zu baulichen Veränderungen nach Teilungserklärung in zulässiger Weise ersetzender Mehrheitsbeschluss allerdings sachliche Gründe haben und darf auch nicht zustimmende Eigentümer nicht unbillig benachteiligen. Im vorliegenden Fall konnte der Senat aus dem Akteninhalt und insbesondere unter Berücksichtigung der eingereichten Farbfotos feststellen, dass im Hinblick auf die Größe der von den Häusern umschlossenen Hof-Gartenanlage und der Bepflanzung der einzelnen zur Sondernutzung zugewiesenen Gartenflächen der optisch-architektonische Gesamteindruck der Gartenanlage durch das Bassin so gering beeinträchtigt wird, dass diese Beeinträchtigung von den Antragstellern hinzunehmen ist, zumal sich die Antragsteller nach ihrer Erklärung in erster Linie gegen etwaige Bezugsfallwirkung der mehrheitlich beschlossenen Gestattung der Wasserbassinaufstellung wendeten.

4. Tritt in einem Beschlussanfechtungsverfahren, in welchem mit Ausnahme des Antragstellers die übrigen Mitglieder der Gemeinschaft vom Verwalter hinsichtlich der Entgegennahme von Zustellungen vertreten werden (vgl. § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG), nur ein Wohnungseigentümer durch Stellung eines eigenen Abweisungsantrages hervor, ist der Gerichtsbeschluss, durch den ein Eigentümerbeschluss für ungültig erklärt wird, nicht nur dem Antragsteller und dem Verwalter, sondern auch dem Wohnungseigentümer förmlich zuzustellen, der den Abweisungsantrag gestellt hat, um für diesen die Beschwerdefrist wirksam in Lauf zu setzen.

Grundsätzlich ist der Verwalter gesetzlicher Zustellungsvertreter; im Verfahren passiv bleibenden Wohnungseigentümern einzeln Anträge, Schriftsätze, Verfügungen und Entscheidungen zuzustellen oder zumindest formlos zu übersenden, würde zu einem nicht mehr zumutbaren Aufwand der Wohnungseigentumsgerichte führen (vgl. bereits BayObLGZ 1989, 342, 344). Etwas anderes muss jedoch dann gelten, wenn - wie hier - ein Eigentümer in einem Wohnungseigentumsverfahren durch Stellung eines eigenen Antrages hervortritt. In einem solchen Fall umfasst die Vertretungsmacht des Verwalters nach § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG nicht mehr die Entgegennahme von weiteren Zustellungen, die diesen Wohnungseigentümer betreffen, der einen ihn begünstigenden Eigentümerbeschluss selbst verteidigt, wozu er berechtigt ist. Durch aktive Beteiligung am Verfahren durch eigene Antragstellung hat dieser Eigentümer vielm...

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