Leitsatz

  1. Berechtigter Kostenerstattungsanspruch gegen die Gemeinschaft für bisher eigenständig verauslagte Instandsetzungskosten (hier: am Balkongemeinschaftseigentum) sowie ungültiger "abändernder Zweitbeschluss" (Verletzung des Grundsatzes notwendiger Gleichbehandlung der Miteigentümer)
  2. Eine Verjährungseinrede (im Sinne einer "Wagenburg-Mentalität") verstößt gegen Rücksichtnahmepflichten und Vertrauensgrundsätze
 

Normenkette

§§ 21 Abs. 4 und 43 Abs. 2 WEG

 

Kommentar

  1. Ist in der Vergangenheit (zeitlich vor dem Beschluss des BGH v. 20.9.2000, V ZB 58/99, NJW 2000, 3500) ein mehrheitlicher Eigentümerbeschluss gefasst worden, demzufolge jeder Wohnungseigentümer die Kosten für die Sanierung seines Balkons bis zur Betonbodenplatte selbst zu tragen hat, kann die Gemeinschaft im Wege eines abändernden Zweitbeschlusses die Instandhaltungs- und Instandsetzungslast wieder in eigene Regie übernehmen, auch wenn ein einzelner Miteigentümer Kosten für die Sanierung des zu seiner Wohnung gehörenden Balkons zwischenzeitlich selbst aufgewendet hat.
  2. Ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht eine solche nachfolgende Beschlussfassung aber nur dann, wenn sie sich nicht darauf beschränkt, die geänderte Regelung für die Zukunft (zu Recht) in Kraft zu setzen. Dies gilt auch, sofern die Beschlussfassung eine Übergangsregelung für die bereits durchgeführte Balkonsanierung betrifft, welche dem Grundsatz der notwendigen Gleichbehandlung der Miteigentümer sowie der Gewährung von Vertrauensschutz gegenüber früher getroffenen gemeinschaftlichen Regelungen Rechnung trägt.
  3. Eine danach erforderliche Regelung über die Erstattung der von einem einzelnen Wohnungseigentümer bereits aufgewendeten Kosten kann auch durch gerichtliche Entscheidung nach § 43 Abs. 2 WEG ersetzt werden.
  4. Mit der Anfechtung eines Negativbeschlusses ergibt sich auch das Rechtsschutzziel, dass eine erstrebte Regelung positiv durch eine die Mehrheitsentscheidung ersetzende gerichtliche Entscheidung herbeigeführt wird (h. M.). Damit kann bei entsprechender Antragsbegründung ein Anfechtungsantrag dahin ausgelegt werden, dass mit ihm auch die Verpflichtung zur Durchführung einer abgelehnten Maßnahme begehrt wird. Vorliegend hat der Antragsteller sein entsprechendes Rechtsschutzziel deutlich gemacht. Gerichtliche Ersetzung kommt allerdings nur als letztes Mittel in Betracht, wenn die regulären Mittel versagen. Ein Antragsteller muss, um zulässigerweise einen solchen Gestaltungsantrag stellen zu dürfen, zuvor erfolglos die Wohnungseigentümerversammlung als primär zuständiges Beschlussorgan mit der Angelegenheit befasst haben. Diese Voraussetzungen waren vorliegend gegeben. Da der Negativbeschluss hier Erstattungsansprüche verneinte, entsprach er nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Auch der Grundsatz einer notwendigen Gleichbehandlung der einzelnen Wohnungseigentümer folgt aus den tragenden Grundsätzen des Gemeinschaftsverhältnisses. Die Verweigerung von Erstattungsansprüchen würde wirtschaftlich zu einer doppelten Belastung derjenigen Eigentümer führen, die aufgrund des früheren Beschlusses Kosten für die Sanierung ihres Balkons vollständig selbst getragen haben, nunmehr aber über ihre Beiträge zu den Gemeinschaftskosten zusätzlich die Sanierung der Balkone anderer Wohnungseigentümer mittragen müssen.

    Hier ist durch die neue Rechtsprechung des BGH (v. 20.9.2000, V ZB 58/99, NJW 2000, 3500) eine Übergangsregelung bzw. eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke entstanden. Bei den Gewerksteilen von Balkonen ist allein ein Oberflächenbelag Sondereigentum. Die darunter liegenden Schichten zur Feuchtigkeitsisolierung und Dämmung sowie ein etwaiger Estrich befinden sich demgegenüber zwingend im Gemeinschaftseigentum (h. M.). Mangels Vereinbarung oder vereinbarter Öffnungsklausel sind deshalb Sanierungskosten von allen Eigentümern anteilig zu tragen. Insoweit sind allerdings bereits nach der genannten Grundsatzentscheidung des BGH Vertrauensgesichtspunkte hinsichtlich etwaiger Sachverhalte aus der Vergangenheit zu berücksichtigen. Damit konnte sich die Gemeinschaft auch nicht darauf beschränken, den Antragsteller auf die Geltendmachung ihm nach Gesetz zustehender Erstattungsansprüche, insbesondere solche nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB, zu verweisen. Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung der Wohnungseigentümer erfordern eine zu beschließende Übergangsregelung, welche die gesetzlichen Vorschriften des Bereicherungsrechts überlagert. Sich hier bei solchen Ansprüchen auf eine Verjährungseinredemöglichkeit im Sinne einer Art "Wagenburg-Mentalität" zu berufen, ist mit gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten nicht vereinbar. Einen Eigentümer hier von späteren anteiligen Kosten bei zukünftigen Balkonsanierungen freizustellen, um so Doppelbelastungen zu vermeiden, wäre i. Ü. nicht im Beschlusswege, sondern nur im Wege einer Vereinbarung zur Änderung des Kostenverteilungsschlüssels möglich.

  5. Zur Höhe der Forderung musste der Streit jedoch an das LG zurückverwiesen werden. Ergänzend ist...

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