Leitsatz

Nach der Trennung verblieb die Unterhalt begehrende Ehefrau mit dem gemeinsamen Sohn der Parteien in ihrer Eigentumswohnung, die zuvor als Ehewohnung genutzt worden war. Die monatlichen Belastungen für dieses Objekt überstiegen den Vorteil mietfreien Wohnens und wurden von der Ehefrau alleine getragen. Das OLG hatte die Belastungen bei der Unterhaltsberechnung nur bis zur Höhe des Wohnvorteils berücksichtigt.

 

Sachverhalt

Die Parteien stritten um Trennungsunterhalt für die Zeit ab Oktober 2002. Sie hatten im Mai 1985 geheiratet. Aus ihrer Ehe war ein im Mai 1990 geborener Sohn hervorgegangen, der seit der Trennung der Parteien im September 2002 bei der Klägerin wohnte und von ihr betreut wurde. Für ihn schuldete der Beklagte nach dem insoweit nicht angefochtenen Urteil des AG Unterhalt i.H.v. 142 % der 3. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle abzüglich des hälftigen Kindergeldes.

Der Beklagte bezog nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen, des Kindesunterhalts und eines Erwerbstätigenbonus im Jahre 2002 monatliche Nettoeinkünfte von durchschnittlich 2.042,00 EUR, in der Zeit von Januar bis Juni 2003 solche i.H.v. durchschnittlich 1.660,00 EUR monatlich. Seit Juli 2003 erzielte er ein unterhaltsrelevantes Einkommen von monatlich 1.641,00 EUR.

Die Klägerin erzielte im Jahre 2002 bereinigte Nettoeinkünfte von 592,00 EUR und nach Wechsel der Steuerklasse seit Januar 2003 Einkünfte i.H.v. 868,00 EUR monatlich.

Sie lebte mit dem gemeinsamen Sohn in ihrer Eigentumswohnung, die bis zur Trennung als Ehewohnung genutzt worden war und ersparte hierdurch Mietkosten, die die Parteien übereinstimmend mit monatlich 500,00 EUR ansetzten. Auf die Belastungen für die Eigentumswohnung zahlte die Ehefrau im Jahre 2002 monatliche Kreditraten von ca. 1.008,00 EUR sowie insgesamt weitere 111,00 EUR für zwei Bausparverträge.

Seit Januar 2003 reduzierten sich die Kreditraten auf monatlich 750,00 EUR.

Das erstinstanzliche Gericht hat in seiner Unterhaltsberechnung von dem der Ehefrau hinzuzurechnenden Wohnvorteil die vollen Kreditbelastungen abgesetzt. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG die Entscheidung abgeändert und die erstinstanzlich ausgeurteilte Verpflichtung des Ehemannes zur Zahlung von Trennungsunterhalt reduziert.

Hiergegen richtete sich die zugelassene Revision der Klägerin.

Ihr Rechtsmittel hatte Erfolg und führte zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

 

Entscheidung

Der BGH hob die Entscheidung des OLG auf.

Zur Begründung seiner Entscheidung führte er aus, der in der Wohnung verbleibende Ehegatte sei nach der Trennung zunächst nicht gehalten, sie anders zu verwerten als zu eigenen Wohnzwecken. Die durch das mietfreie Wohnen sich ergebende Bedarfsdeckung erfolge durch die Ermittlung des Mietzinses, den der im Objekt Verbliebene auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende angemessene kleinere Wohnung zahlen müsste. Hierbei sei nicht auf durchschnittliche Mietkosten abzustellen, sondern auf die individuellen Verhältnisse der Parteien in dem zu entscheidenden Einzelfall.

Sei die monatliche Belastung der Immobilie höher als der hieraus resultierende Wohnvorteil, sei sie in der Trennungszeit in voller Höhe als eheprägend hinzunehmen. Anderenfalls könne aus Liquiditätsgründen die Verwertung des Objekts notwendig werden. Dies sei während der Trennungsphase unzumutbar, weil dieser Umstand die mögliche Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft erschwere.

Da sich andererseits hieraus eine einseitige Vermögensbildung des unterhaltsberechtigten Alleineigentümers durch die Darlehenstilgung ergebe, seien als Obergrenze die Kreditraten bei der Bedürftigkeitsbestimmung bis zur Summe aus eigenen Einkünften und Gebrauchsvorteilen anzuerkennen.

 

Hinweis

Die Rechtsprechung des BGH zur Nutzung von Immobilienvermögen während der Trennungszeit ist klar und eindeutig: Bis zur Rechtskraft der Ehescheidung ist eine anderweitige Nutzung der früheren Ehewohnung in der Regel unzumutbar, weil dieser Umstand die mögliche Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft erschweren würde. Dies gilt auch im Rahmen des Kindesunterhalts. Zins- und Tilgungsleistungen sind sowohl aufseiten des Unterhaltspflichtigen als auch aufseiten des Unterhaltsgläubigers einkommensmindernd zu berücksichtigen. Ein Wohnvorteil ist nur in Höhe des Betrages abzusetzen, der für eine nach dem verfügbaren Einkommen angemessene kleinere Wohnung aufgebracht werden kann.

Eindeutig ist auch die Rechtsprechung des BGH für die Zeit nach der Ehescheidung: Eine für den in der Wohnung verbliebenen Ehegatten unangemessen große Wohnung ist in der Regel anderweitig zu nutzen. Dies führt zur Zurechnung einer sog. "objektiven Marktmiete", einem allerdings missverständlichen Begriff. Es handelt sich hierbei um die aus einer Fremdvermietung netto zu erzielende Miete oder bei einer Veräußerung um den Ertrag aus einem etwaigen Überschuss.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 28.03.2007, XII ZR 21/05

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