Leitsatz

Die allgemeine Berufserfahrung eines Rechtsanwalts und Notars reicht zur Verneinung seiner Aufklärungsbedürftigkeit in bezug auf Börsentermingeschäfte nicht aus.

 

Sachverhalt

Der Kläger, ein Rechtsanwalt und Notar, nimmt die beklagte Bank wegen verlustreicher Optionsgeschäfte an der DTB auf Schadensersatz und Bereicherungsausgleich in Anspruch. Er hatte – nach Unterzeichnung eines ihm von der Bank präsentierten Informationsblatts "Wichtige Informationen über Verlustrisiken bei Börsentermingeschäften" – Ende der 90-er Jahre umfangreiche Spekulationsgeschäfte mit erheblichen Verlusten durchgeführt. Er macht jetzt geltend, die Beklagte habe – trotz Aushändigung einer Informationsschrift mit dem Titel "Basisinformationen über Börsentermingeschäfte" zu Beginn der Geschäftsbeziehung – Aufklärungs-, Beratungs- und weitere Vertragspflichten bei der Durchführung der Optionsgeschäfte verletzt. Außerdem seien die Geschäfte unverbindlich, weil er nicht börsentermingeschäftsfähig sei. Seine Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der BGH hob die Entscheidung des OLG auf und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung zurück.

 

Entscheidung

Der BGH hielt den Kläger für uneingeschränkt börsentermingeschäftsfähig[1]. Die von ihm getätigten Optionsgeschäfte sind schon deshalb verbindlich, weil er zuvor die den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Unterrichtungsschrift[2] der Beklagten unterzeichnet hatte. Ob der Kläger die Schrift verstanden oder auch nur gelesen hat, ist in diesem Zusammenhang unerheblich[3].

Nach Auffassung des Senats ist jedoch zu prüfen, ob die beklagte Bank tatsächlich ihren Aufklärungspflichten über mögliche Risiken von Spekulationsgeschäften nachgekommen ist. Nicht aufklärungsbedürftig sind nur Kunden, die über ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen mit den beabsichtigten Geschäften verfügen oder sich nicht ersichtlich unglaubwürdig als erfahren gerieren und eine Aufklärung nicht wünschen[4]. Einen solchen Fall vermochte der Senat nicht ohne weiteres zu erkennen. Insbesondere war nicht erkennbar, dass der Kläger durch seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und Notar tatsächlich Kenntnisse und Erfahrungen mit Optionsgeschäften erworben hatte. Seine allgemeine Berufserfahrung und seine Fähigkeit, im Rahmen eines Mandats nach entsprechender Einarbeitung andere über die Eigenart und Risiken von Optionsgeschäften aufzuklären, reicht zur Verneinung seiner Aufklärungsbedürftigkeit nicht aus[5]. Die Übergabe der Informationsschrift lässt diese Aufklärungsbedürftigkeit ebenfalls nicht entfallen. Das Überreichen von Informationsmaterial ist allein für die Erfüllung der Aufklärungspflicht von Bedeutung. Das OLG muss jetzt Beweis darüber erheben, ob der Kläger tatsächlich über die nötige Anlageerfahrung verfügt hat oder nicht.

 

Praxishinweis

Falls das OLG eine für die Anlageentscheidung kausale Aufklärungspflichtverletzung feststellen sollte, wird bei der Berechnung der Schadenshöhe davon auszugehen sein, dass der Kläger bei sachgerechter Aufklärung alle in der Folgezeit getätigten Optionsgeschäfte nicht abgeschlossen und sämtliche Gewinne und Verluste aus diesen Geschäften nicht erzielt hätte. D.h. die Bank wäre zum vollständigen Ersatz des – entsprechend saldierten – Schadens verpflichtet.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 28.9.2004, XI ZR 259/03

[1] Vgl. § 53 Abs. 2 BörsG a.F.
[2] Zu den insofern zu beachtenden Anforderungen vgl. die Grundsätze der Spitzenverbände der Kreditwirtschaft, WM 1989, S. 1193ff.
[5] Vgl. zur Aufklärungspflicht bei einem Immobilienversicherungsmakler: BGH-Urteil vom 24.9.1996, XI ZR 244/95, WM 1997, S. 309; zur Aufklärungsbedürftigkeit eines Rechtsanwalts in Bezug auf steuerbegünstigte Kapitalanlagemodelle: BGH-Urteil vom 9.10.1989, II ZR 257/88, WM 1990, S. 145

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