Kommentar

Der EuGH hat eine Klage der EU-Kommission gegen Frankreich abgewiesen. Die Kommission hatte sich gegen Artikel 237 des Anhangs II des französischen Steuergesetzbuches gewandt, wonach für die Personenbeförderung oder den gemischten Gebrauch ausgelegte Fahrzeuge oder Geräte, gleich welcher Art, die eine Sachanlage darstellen oder die, wenn sie keine Sachanlage darstellen, nicht dazu bestimmt sind, im Neuzustand verkauft zu werden, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen. Fahrzeuge im Sinne dieser Bestimmung sind Fahrräder, Motorräder, Personenkraftwagen, Wasserfahrzeuge, Flugzeuge und Hubschrauber. Der Vorsteuerabzug ist gegeben bei gewerblichen Fahrzeugen wie Lieferdreiräder, Lastkraftwagen, Traktoren und Spezialfahrzeuge. Fahrzeuge, die als Umlaufvermögen erworben werden, berechtigen danach ebenfalls zum Vorsteuerabzug.

Die Kommission war der Auffassung, die französische Regellung verstoße gegen Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie , weil der dort enthaltene Ausschluß des Vorsteuerabzugsrechts nur Ausgaben betreffe, die keinen geschäftlichen Charakter hätten. Demzufolge müsse der Vorsteuerabzug bei der Anschaffung von Transportmitteln gewährt werden, die wesentliche Betriebsmittel des Unternehmers darstellen.

Der EuGH hat sich dieser Auffassung mit Hinweis auf den Wortlaut von Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie nicht angeschlossen. Nach der Vorschrift legt der Rat auf Vorschlag der Kommission vor Ablauf eines Zeitraums von vier Jahren nach dem Inkrafttreten der 6. EG-Richtlinie einstimmig fest, bei welchen Ausgaben die Mehrwertsteuer nicht abziehbar ist. Auf jeden Fall werden diejenigen Ausgaben vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwenden. Bis zum Inkrafttreten dieser Bestimmungen können die Mitgliedstaaten alle Ausschlüsse beibehalten, die den in ihren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie bestehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen sind.

Nach dem EuGH-Urteil ergibt sich aus dem Wortlaut von Artikel 17 Abs. 6, daß die Harmonisierung der Vorsteuerausschlüsse sich nicht von vornherein auf Ausgaben ohne streng geschäftlichen Charakter beschränken muß. Außerdem könnten die Mitgliedstaaten alle bei Inkrafttreten der 6. EG-Richtlinie wirksamen Vorsteuerausschlüsse beibehalten, also auch auf Ausgaben mit streng geschäftlichem Charakter.

Auf die Vier-Jahresfrist in Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie ist der EuGH in seiner Entscheidung erstaunlicherweise überhaupt nicht eingegangen. Dies spricht dafür, daß er der Auffassung ist, daß die Mitgliedstaaten auch nach Ablauf der First noch Vorsteuerausschlüsse beibehalten können.

Die Frage, ob die Stillhalteverpflichtung nach Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht mehr bindet, nachdem der Rat sich trotz jahrelanger Verhandlungen nicht auf eine Harmonisierungsregelung einigen konnte, ist wiederholt geprüft worden. Für die mit Wirkung vom 1. Januar 1995 durch die Richtlinie 94/5/EG des Rates vom 14. Februar 1994 (sog. 7. Richtlinie) aufgehobene Stand-still-Klausel von Artikel 32 der 6. EG-Richtlinie hatten die Rechtsdienste der Kommission und des Rates die Auffassung vertreten, daß – bis zum Ergehen der 7. Richtlinie – nationale Vorgriffsmaßnahmen nicht zulässig seien.

Der Umfang des Vorsteuerabzugs ist in der 6. EG-Richtlinie noch nicht vollständig harmonisiert. Die EU-Kommission hatte sich in ihrem Vorschlag für die 6. EG-Richtlinie dafür ausgesprochen, bei betrieblichen Ausgaben für Unterbringung und Beherbergung, für die Bewirtung mit Speisen und Getränken sowie die Beförderung von Personen den Vorsteuerabzug auszuschließen. Der Vorschlag wurde von der Mehrzahl der Mitgliedstaaten befürwortet, aber von der damaligen Bundesregierung – in Übereinstimmung mit den Stellungnahmen von Bundestag und Bundesrat – abgelehnt. Da eine kurzfristige Einigung nicht möglich war, die 6. EG-Richtlinie aber wegen ihres Zusammenhangs mit den Mehrwertsteuer-Eigenmitteln kurzfristig verabschiedet werden mußte, wurde die Streitfrage der Vorsteuerausschlüsse ausgeklammert und die Regelung nach Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie eingeführt.

Nach einem Vorentwurf im Jahre 1981 hatte die EU-Kommission am 25. Januar 1981 dem Rat einen Vorschlag für eine 12. Richtlinie (Ausschluß des Vorsteuerabzugsrechts bei bestimmten Ausgaben) vorgelegt. Dieser Vorschlag sah u.a. den Vorsteuerausschluß für Kosten bestimmter Fahrzeuge, bei Geschäftsreisekosten, für Repräsentationsaufwendungen und Luxusausgaben sowie Vergnügungen vor. Der Richtlinienvorschlag und ein entsprechender Änderungsvorschlag der EU-Kommission vom 20. Februar 1984 stießen bei den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft ausnahmslos auf Ablehnung. Bundestag und Bundesrat sprachen sich ebenfalls gegen die Vorschläge aus. Nachdem auch innerhalb der EU-Mitgliedstaaten erhebliche Meinungsunterschiede bestanden. ruhten die Beratungen seit 1984. Die Kommissio...

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