Leitsatz

  1. Bei Widerspruch einer Sondereigentums-Benutzungsregelung in der Gemeinschaftsordnung gegenüber der Raumbezeichnung des Teileigentums in der Teilungserklärung geht grundsätzlich die Vereinbarungsregelung in der Gemeinschaftsordnung vor
  2. Ob ein solcher Widerspruch besteht, ist jedoch vorab durch Auslegung der Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung zu ermitteln
 

Normenkette

§ 15 Abs. 1 WEG; § 133 BGB

 

Kommentar

  1. Ist die Nutzung eines Teileigentums in der Teilungserklärung einerseits und in der Gemeinschaftsordnung andererseits unterschiedlich beschrieben, geht grundsätzlich die (spezielle) Regelung in der Gemeinschaftsordnung vor (vgl. BayObLG v. 7.7.1988, BReg 2 Z 7/88, BayObLGZ 1988, 238; BayObLG v. 28.10.1997, 2Z BR 88/97, ZMR 1998, 184; OLG Düsseldorf v. 19.3.2003, 3 Wx 249/02, ZMR 2004, 448).
  2. Vorliegend war ein Teileigentum in der Teilungserklärung als "Laden" beschrieben. In der Gemeinschaftsordnung war dann weitergehend u.a. vereinbart: "Die in der Wohnanlage errichteten Läden ... dürfen ohne zusätzliche Genehmigung und ohne Einschränkung irgendwelcher Branchen gewerblich genutzt werden ..."

    Der Senat kann Grundbucherklärungen (Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung) selbstständig auslegen, wobei abzustellen ist auf Wortlaut und Sinn, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt (h.M.). Im Rahmen seiner Auslegung kommt der Senat hier zu dem Ergebnis, dass die Teileigentumsläden "als Läden" gewerblich genutzt werden dürfen. Wäre mit dem Begriff "Laden" in der Teilungserklärung nur eine Funktionsbezeichnung gemeint gewesen, hätte es sich angeboten, von einer Verwendung dieses Begriffs in der Gemeinschaftsordnung abzusehen und das Sondereigentum dort nur allgemein zu umschreiben. Weiterhin lassen die in diesem Zusammenhang getroffenen zusätzlichen Vereinbarungsregelungen in der Gemeinschaftsordnung zur Belieferung, zur Beschilderung, zu Werbetafeln und zur Vitrinennutzung den Schluss auf eine gewerbliche Nutzung zu, jedoch nur in Form eines Ladens.

  3. Dass der Betrieb einer Imbissstube in einem Teileigentum, das als Laden ausgewiesen ist, bei typisierender Betrachtungsweise mehr stört, als die zugelassene Nutzung, entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. BayObLG v. 29.9.1999, 2Z BR 103/99, NZM 2000, 288 und neuerlich: BayObLG v. 12.1.2005, 2Z BR 202/04; vgl. auch OLG Köln, WuM 2005, 71 und OLG Celle v. 24.9.2003, 4 W 138/03, ZMR 2004, 689). Ein auf das Unterlassen einer gaststättentypischen Nutzung beschränkter Antrag wäre hier voraussichtlich ohne die Hauptsacheerledigung in diesem Verfahren erfolgreich gewesen. Im Rahmen der hier noch notwendigen Kostenentscheidung war die Angelegenheit i.Ü. nur noch summarisch zu überprüfen und zu entscheiden.
 

Link zur Entscheidung

(BayObLG, Beschluss vom 09.02.2005, 2Z BR 227/04)

Anmerkung

Der Mieter des in Antragsgegnerschaft stehenden Eigentümers betrieb in diesem Teileigentum ein Feinkostgeschäft und in dessen Rahmen während der Ladenöffnungszeiten von Montag bis Freitag sowie samstags einen Stehimbiss. In Anbetracht dieser Nutzung und der in der Gemeinschaftsordnung speziell vereinbarten Nutzungsregelung, dass Läden ohne Genehmigung und einschränkungsfrei gewerblich genutzt werden dürften, erscheint mir die Einschränkung des Senats "nur in der Form eines Ladens" nicht überzeugend, ebenso nicht der Hinweis auf weitergehende Entscheidungen, dass grundsätzlich in einem Laden-Teileigentum keine Imbissstube betrieben werden dürfte. Bei der zitierten Rechtsprechung des Senats ging es überwiegend nicht um eine solche "liberale" Vereinbarungsregelung, d.h. wie hier zu jedweder einschränkungsfreien gewerblichen Nutzung im formellen Teil der Teilungserklärung zweckbestimmter und von Wohnungseigentum abgegrenzter Laden-Teileigentumseinheiten. Bei ähnlichen Vereinbarungsregelungen hatte tatsächlich auch schon vor Jahrzehnten das BayObLG entschieden, dass in einem Laden-Teileigentum sogar ein Restaurantbetrieb mit Öffnungszeiten bis in die Nacht hinein zu dulden sei, wenn in der Gemeinschaftsordnung speziell freie gewerbliche bzw. geschäftliche Nutzung eines solchen Laden-Teileigentums vereinbart worden sei (Ingolstädter Fall in einer Notarhaftungsangelegenheit wegen behaupteter Formulierungsfehler). Die nunmehr einschränkende Auslegung des Senats überrascht, zumal aus meiner Sicht das LG in vertretbarer Weise ausgeführt hatte, dass die Bezeichnung eines Teileigentums in der Teilungserklärung eher der Abgrenzung zum Wohnungseigentum als einer Festlegung des Verwendungszwecks diente und dass dann, wenn in der Gemeinschaftsordnung das Maß der erlaubten Nutzung speziell bestimmt sei, ein Eigentümer als Antragsgegner auch hier eine jegliche, öffentlich-rechtlich zulässige Nutzung seines Laden-Teileigentums vornehmen könne, dann wohl auch als "Tages"-Imbissstube.

Vgl. zur Nutzungsthematik allerdings mit noch speziellerer Vereinbarungsregelung (zu einem Sex- und Erotikshop mit Videokabinen) BayObLG v. 19.1.2005, 2Z BR 205/04 (nach...

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