Leitsatz (amtlich)

Ein Eigentümerbeschluss über die Abtrennung von Versorgungsleitungen zur Wohnung eines säumigen Wohngeldschuldners ist nicht nichtig.

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 25.09.2003; Aktenzeichen 14 T 5934/03)

AG Nürnberg (Aktenzeichen 1 UR II 120/03)

 

Tenor

I. Dem Antragsgegner wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

II. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 25.9.2003 wird zurückgewiesen.

III. Der Antragsgegner trägt die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage.

Der Antragsgegner ist Rechtsnachfolger seiner verstorbenen Mutter. Diese hinterließ Wohngeldrückstände i.H.v. ca. 3.300 Euro. Seit dem Tode seiner Mutter am 16.10.2002 zahlte der Antragsgegner kein Wohngeld.

In der Eigentümerversammlung vom 6.3.2002 wurde die Abtrennung der Wohnung des Antragsgegners von der Versorgung mit Heizenergie und Wasser beschlossen. Der Antragsgegner gewährte trotz Aufforderung der Hausverwaltung und dem beauftragten Handwerker keinen Zutritt zu der Wohnung.

Die Antragsteller haben beim AG beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, Mitarbeitern der Hausverwaltung, einem Mitarbeiter einer beauftragten Sanitärfirma sowie dem zuständigen Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Durchführung von Arbeiten zur Abtrennung von den Versorgungsleitungen für Wasser und Heizung den Zutritt zu der Wohnung zu gestatten und die Vornahme der genannten Arbeiten zu dulden.

Das AG hat mit Beschluss vom 21.5.2003 den Antragsgegner verpflichtet, die Abtrennung der seine Wohnung mit Wasser und Heizwärme versorgenden Leitungen zu dulden und zur Durchführung der Abtrennung der Hausverwaltung und einem von ihr beauftragten Sanitärinstallateur den Zutritt zu der Wohnung zu gestatten. Für den Fall der Zuwiderhandlung hat das AG ein Ordnungsgeld, für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit Ordnungshaft angedroht.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das LG am 25.9.2003 zurückgewiesen. Eine Rechtsmittelbelehrung war dem Beschluss nicht beigefügt. Der Antragsgegner hat ohne Zuziehung eines Rechtsanwalts schriftlich gegen den Beschluss des LG sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Nach Hinweis des Senats hat er die Beschwerde zu Protokoll des Rechtspflegers eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

II.1. Dem Antragsgegner war nach §§ 22 Abs. 2 FGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da dem Beschluss des LG eine Rechtsmittelbelehrung nicht beigefügt war. Nach entsprechendem Hinweis des Senats hat der Antragsgegner alles ihm Zumutbare unternommen, um das Rechtsmittel form- und fristgerecht einzulegen.

2. Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

a) Das LG hat, teilweise unter Bezugnahme auf die Gründe der amtsgerichtlichen Entscheidung, ausgeführt: Den Antragstellern stehe gem. § 273 Abs. 1 BGB ein Zurückbehaltungsrecht in Bezug auf die Lieferung von Wasser und Heizung zu. Der Eigentümerbeschluss vom 6.3.2002 halte sich im Rahmen der Regelungskompetenz der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Danach sei der Antragsgegner zur Duldung der Abtrennung und des hierfür erforderlichen Zutritts verpflichtet. Die Abtrennung sei auch angesichts der Wohngeldrückstände und in Anbetracht der Tatsache, dass der Antragsgegner auch die laufenden Wohngeldzahlungen nicht erbringe, nicht unverhältnismäßig. Schäden am Gemeinschaftseigentum seien nicht zu besorgen.

b) Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Die Duldungspflicht des Antragsgegners ergibt sich bereits aus dem unangefochten gebliebenen Eigentümerbeschluss vom 6.3.2002. Dieser Beschluss ist nicht nichtig. Bei den von den Antragstellern beabsichtigten Maßnahmen handelt es sich nicht um bauliche Veränderungen im Sinn des § 22 Abs. 1 WEG, sondern um eine Maßnahme zur Ermöglichung der Ausübung des den Wohnungseigentümern zustehenden Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB. Darüber hinaus stimmten alle Antragsteller der Maßnahme zu. Die Zustimmung des Antragsgegners ist nach § 22 Abs. 1 S. 2 WEG nicht erforderlich, da sich die Rechtsbeeinträchtigung im Rahmen des § 14 WEG hält; denn der Antragsgegner ist zur Duldung der Absperrmaßnahmen verpflichtet. Im Übrigen bestünde auch hinsichtlich einer baulichen Veränderung eine Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer (BGH v. 20.9.2000 - V ZB 58/99, MDR 2000, 1367 = NJW 2000, 3500).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Angesichts der Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels entspricht es der Billigkeit, den Antragsgegner mit den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu belasten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1163499

NJW-RR 2004, 1382

NZM 2004, 556

WuM 2004, 363

IWR 2004, 69

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