Entscheidungsstichwort (Thema)

Räumung

 

Verfahrensgang

LG Passau (Aktenzeichen 3 S 58/90)

AG Passau (Aktenzeichen 3 C 403/89)

 

Tenor

Das Kündigungsrecht des § 564 b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BGB setzt nicht voraus, daß der kündigende Vermieter bereits bei Abschluß des Mietvertrags im Haus gewohnt hat (Anschluß an den Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Koblenz vom 25.5.1981 4 W-RE 277/81, OLGZ 1981, 455).

 

Tatbestand

I.

Das beklagte Ehepaar wohnt mit seinen zwei Kindern auf Grund eines mündlich geschlossenen Mietvertrags seit 1982 in der Erdgeschoßwohnung eines Zweifamilienhauses. Die im Obergeschoß gelegene Wohnung wird seit 1972 von der Klägerin bewohnt. Auch sie war früher Mieterin gewesen, hat das Hausgrundstück gekauft und ist seit Herbst 1988 dessen Eigentümerin. Mit Schreiben vom 26.4.1989 kündigte die Klägerin den Beklagten wegen vertragswidrigen Gebrauchs der Mietsache zum 31.10.1989. Die Beklagten widersprachen der Kündigung. Mit Schreiben vom 22.9.1989 wies die Klägerin den Widerspruch zurück und kündigte hilfsweise auf Grund von § 564 b Abs. 4 BGB zum 31.1.1990. Die Beklagten widersprachen erneut. Mit Schreiben vom 29.9.1990 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis nochmals für den Fall der Unwirksamkeit ihrer früheren Kündigungen gemäß § 564 b Abs. 4 BGB zum 30.6.1990. Die Beklagten widersprachen auch dieser Kündigung. Die Klägerin hat Räumungsklage erhoben, die vom Amtsgericht abgewiesen worden ist. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Das Landgericht hat beschlossen, einen Rechtsentscheid zu folgender Frage einzuholen:

Ist es im Rahmen des Sonderkündigungsrechts des § 564 b Abs. 4 BGB Voraussetzung, daß der jetzige Vermieter im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags bereits im Hause wohnte oder nicht?

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die vorgelegte Rechtsfrage sei entscheidungserheblich. Wenn die Beweisaufnahme wie bereits vor dem Erstgericht ergebe, daß ein vertragswidriger Gebrauch der Mietsache nicht vorliege, komme es für die Kündigungsmöglichkeit allein auf das Sonderkündigungsrecht des § 564 b Abs. 4 BGB an. Die Frage, ob dieses voraussetze, daß der Vermieter bereits bei Abschluß des Mietvertrags im Hause wohne oder nicht, sei von mehreren Oberlandesgerichten unterschiedlich entschieden worden. Das Oberlandesgericht Hamburg (NJW 1983, 182) habe als entscheidenden Zeitpunkt die Begründung des Mietverhältnisses genannt. Demgegenüber habe das Oberlandesgericht Koblenz in seinem Rechtsentscheid vom 25.5.1981 (OLGZ 1981, 455) auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung abgestellt. Das Landgericht wolle sich der Ansicht des Oberlandesgerichts Hamburg anschließen, wonach die Verhältnisse zur Zeit des Vertragsschlusses maßgebend seien, nicht die bei Ausspruch der Kündigung.

Dies folge aus dem allgemeinen schuldrechtlichen Grundsatz, daß keine Partei berechtigt sei, durch eigenes Verhalten den Vertrag inhaltlich zu ändern, sofern ihr das nicht durch Gesetz oder Vereinbarung gestattet sei. Ob eine Wohnung Kündigungsschutz genieße oder nicht, sei eine rechtliche Eigenschaft und darüber hinaus ein wirtschaftlicher Faktor, der sich in der Miethöhe niederschlagen könne. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, daß das Kündigungsprivileg allein an den äußeren Tatbestand anknüpfe, demzufolge der Vermieter selbst eine der beiden Wohnungen bewohne. Eine solche Anknüpfung sei für rechtliche Eigenschaften typisch. Der Vermieter könne sich nicht auf das Kündigungsprivileg berufen, wenn er einseitig nach Vertragsschluß die Verhältnisse ändere und erst danach die Voraussetzungen des § 564 b Abs. 4 BGB erfüllt seien. Dies treffe zu, wenn er wie hier das Wohnhaus erst zu Eigentum erwerbe und dadurch seine rechtliche Stellung sich vom Mieter zum Vermieter umwandle. Aus dem Ausnahmecharakter des § 564 b Abs. 4 BGB könne durchaus gefolgert werden, daß der Bestandsschutz nicht ohne Not ausgehöhlt werden dürfe. Dagegen lasse sich nicht der Zweck der Norm setzen, dem Vermieter bei einem nahen Miteinanderwohnen in einem Zweifamilienhaus eine leichtere Kündigungsmöglichkeit zu gewähren.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für den vor Inkrafttreten des § 541 ZPO in der Fassung des Rechtspflegevereinfachungsgesetzes vom 17.12.1990 (BGBl I S. 2847, vgl. Art. 1 Nr. 39, Art. 8 Abs. 3, Art. 11 Abs. 5 Rechtspflegevereinfachungsgesetz) und damit noch gemäß Art. III Abs. 1 des 3. MietRÄndG zu erlassenden Rechtsentscheid zuständig (§ 1 Abs. 1 Nr. 14 Zuständigkeitsübertragungsverordnung Justiz BayRS 300-1-3-J; § 3 Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 2.2.1988, BayRS 300-3-1-J).

2. Die Vorlage ist zulässig.

a) Gegenstand des Vorlagebeschlusses (Art.III Abs. 1 Satz 3 des 3. MietRÄndG) ist eine Frage, die den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft (Schmidt-Futterer/Blank Wohnraumschutzgesetze 6. Aufl. Rn.G 5).

b) Die vorgelegte Rechtsfrage ist für die Entscheidung des Landgerichts erheblich. Dabei ist maßgebend, welche Rechtsauffassung das Landgericht im Vorlageb...

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