Entscheidungsstichwort (Thema)

Beseitigung und Wiederherstellung. Wohnungseigentumssache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Grundsätzen für die Bemessung des Geschäftswerts und der Beschwer, wenn die Beseitigung einer baulichen Veränderung wegen der Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks einer Wohnanlage begehrt wird.

2. Ist ein in einem Wohnungseigentumsverfahren geschlossener Vergleich zur Zwangsvollstreckung nicht geeignet, weil er inhaltlich zu unbestimmt ist und sich die zu vollstreckende Handlung oder Leistung auch durch Auslegung des Vergleichs nicht bestimmen läßt, so kann der Vergleich als materiell-rechtlicher Vertrag dennoch wirksam sein. Für die Auslegung gelten insoweit die großzügigeren Grundsätze des materiellen Rechts.

 

Normenkette

WEG § 44 Abs. 2, § 45 Abs. 1, 3; ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 779

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 10.11.1999; Aktenzeichen 1 T 17271/99)

AG München (Urteil vom 16.09.1999; Aktenzeichen 484 UR II 983/96)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 10. November 1999 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur Verhandlung und erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren in allen Rechtszügen wird auf 4.000 DM festgesetzt; die Beschlüsse des Landgerichts und des Amtsgerichts München vom 16. September 1999 werden entsprechend abgeändert.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind Wohnungseigentümer in einer Wohnanlage. Diese besteht aus einem vor dem zweiten Weltkrieg erbauten Haus mit acht Wohnungen in Hochparterre und drei Stockwerken. Das Haus hatte ursprünglich durchwegs zweiflügelige Holzfenster mit drei Quersprossen. Der Antragsgegner wechselte im Jahre 1995 die drei Fenster seiner im Erdgeschoß gelegenen Wohnung sowie das viel kleinere gleichfalls untergeteilte Badfenster gegen Einscheibenfenster aus; die Verwalterin hatte zuvor darauf hingewiesen, daß eigenmächtige Veränderungen des bestehenden Zustandes nicht zulässig seien. Schon vor dem Antragsgegner hatten drei weitere Wohnungseigentümer die Sprossenfenster ihrer Wohnungen durch zweiflügelige Fenster ohne Quersprossen ersetzt.

Die Antragstellerin hat am 22.10.1996 beantragt, den Antragsgegner zur Beseitigung der in seiner Wohnung eingebauten Einscheibenfenster sowie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands zu verurteilen. Im Verhandlungstermin vor dem Amtsgericht schlossen Antragstellerin und Antragsgegner am 11.12.1996 einen Vergleich, in dem sich der Antragsgegner verpflichtete, „die von ihm eingesetzte Einscheibenverglasung durch Einsetzen eines Mittelkämpfers optisch den übrigen Fenstern anzupassen”. Der Mittelkämpfer sollte auf die Verglasung aufgesetzt werden. Weiter nahm die Antragstellerin in dem Vergleich ihren Antrag zurück.

Nachdem sich die Antragstellerin eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs erteilen ließ und beantragte, sie zur Ersatzvornahme zu ermächtigen und den Antragsgegner zur Zahlung eines Kostenvorschusses von 1.500 DM zu verpflichten, ließ der Antragsgegner in der Mitte der drei größeren Fenster eine 4 – 4,5 cm breite weiße Kunststoffsprosse anbringen. Mit Beschluß vom 12.5.1998 wies das Amtsgericht daraufhin den Vollstreckungsantrag, auf dem die Antragstellerin beharrte, zurück. Der Antragsgegner sei der im Vergleich übernommenen Verpflichtung in ausreichendem Maße nachgekommen. Das Landgericht hat die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin mit Beschluß vom 17.6.1998 zurückgewiesen. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Antragsgegner seine Verpflichtung aus dem Vergleich ordnungsgemäß erfüllt habe; nach Auffassung der Kammer sei der Einwand der Erfüllung im Vollstreckungsverfahren des § 887 ZPO grundsätzlich unbeachtlich. Das Amtsgericht habe den Vollstreckungsantrag im Ergebnis aber zu Recht abgewiesen, da der Vergleich wegen seiner inhaltlichen Unbestimmtheit zur Vollstreckung nicht geeignet sei. Die zu vollstreckende Handlung müsse allein aus dem Titel erkennbar sein, was hier nicht der Fall sei.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin hat der Senat mit Beschluß vom 10.12.1998 (2Z BR 115/98 = WuM 1999, 358) verworfen, da in der Entscheidung des Landgerichts kein neuer selbständiger Beschwerdegrund enthalten sei. Der Senat hat in dem Beschluß darauf hingewiesen, daß die Antragstellerin durch die Begründung des Landgerichts gegenüber der Entscheidung des Amtsgerichts nicht schlechter gestellt werde. Wenn der Vergleich als Vollstreckungstitel nicht geeignet sei, sei er unwirksam und das Verfahren vor dem Wohnungseigentumsgericht durch ihn nicht beendet worden. Es stehe der Antragstellerin frei, das Verfahren mit dem ursprünglich gestellten Antrag weiter zu betreiben, was ihr nach der Begründung des Amtsgerichts nicht möglich gewesen wäre.

Die Antragstellerin hat daraufhin beantragt, den Antragsgegner zu verurteilen, die ohne Zustimmung der übrigen Wohnun...

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