Verfahrensgang

AG München (Aktenzeichen 21 C 7814/82)

LG München (Aktenzeichen I 14 S 3292/83)

 

Tenor

Der drohende nachträgliche Wegfall einer Grunderwerbsteuerbefreiung durch eine unterlassene Eigennutzung einer vom Vermieter erworbenen Eigentumswohnung (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 3 Abs. 1 GrEStEigWoG) stellt ein die ordentliche Kündigung nach § 564 b Abs. 1 BGB rechtfertigendes berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses dar, sofern die dem Vermieter dadurch erwachsenden wirtschaftlichen Nachteile unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erheblich sind.

 

Tatbestand

I.

1. Die Klägerin ist Eigentümerin einer im Erdgeschoß des Anwesens … in … gelegenen Wohnung, welche sie mit Vertrag vom 20.10.1979 „für unbestimmte Zeit” an die Beklagten vermietet hat. Sie hat mit Schreiben vom 20.7.1982 das Mietverhältnis zum 31.10.1982 gekündigt. Es bestehe ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses. Sie sei nämlich mit Bescheid des Finanzamts für Grundbesitz und Verkehrssteuern in München vom 21.11.1979 von der Entrichtung der Grunderwerbsteuer freigestellt worden. Wenn die Wohnung innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren ab Erwerb nicht von ihr oder einem Verwandten in gerader Linie bewohnt werde, müsse sie die Steuer in Höhe von DM 11.690,– nachzahlen und Zinsen von DM 3.507,– entrichten. Die Kündigung werde auch auf Eigenbedarf gestützt, denn ihre 18 Jahre alte Tochter, die derzeit bei ihr ein Zimmer bewohne, möchte unabhängig sein und selbständig leben. Schließlich hielten die Beklagten eine Katze, wofür eine nach dem Mietvertrag erforderliche Genehmigung nicht erteilt worden sei.

Da die Beklagten die Wohnung nicht geräumt haben, hat die Klägerin am 26.11.1982 Klage zum Amtsgericht München erhoben und die Räumung und Herausgabe der Wohnung verlangt, wobei sie sich auf die Kündigungsgründe ihres Schreibens vom 20.7.1982 stützte. Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt, weil ein berechtigtes Interesse an einer Kündigung nicht vorliege und eine Tierhaltung nicht verboten worden sei.

Das Amtsgericht hat die Klage durch Urteil vom 1.2.1983 abgewiesen, denn das Mietverhältnis sei mangels eines hinreichenden Kündigungsgrundes nicht aufgelöst worden. Die Klägerin könne sich nicht auf Eigenbedarf berufen; Gründe für einen etwa erhöhten Wohnraumbedarf seien nicht vorgetragen; daß die Tochter der Klägerin selbständig leben wolle, könne keine andere Beurteilung herbeiführen. Der Verlust der Grunderwerbsteuerbefreiung könne nicht als berechtigtes Interesse im Sinne von § 564 b BGB anerkannt werden. Die Haltung einer Katze schließlich stelle keine erhebliche Verletzung der Vertragspflichten dar.

2. Mit der gegen dieses Urteil form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagten beantragen Zurückweisung des Rechtsmittels.

Das Landgericht München I hat am 8.6.1983 beschlossen, einen Rechtsentscheid zu folgender Rechtsfrage zu erholen:

Stellt die steuerrechtliche Möglichkeit des Vermieters als Käufer einer vermieteten Eigentumswohnung, durch Selbstbezug dieser Wohnung binnen fünf Jahren für mindestens ein Jahr eine Vergünstigung bei der Grunderwerbsteuer und der Grundsteuer zu erlangen, ein die ordentliche Kündigung nach § 564 b BGB begründendes, berechtigtes Interesse des Vermieters dar?

In den Gründen hierzu ist ausgeführt, daß die Rechtsfrage entscheidungserheblich sei, weil die anderen vorgebrachten Kündigungsgründe kein berechtigtes Interesse gemäß § 564 b BGB ergäben. Sie sei im Hinblick auf die Konfliktsituation zwischen Steuerrecht und Mieterschutzvorschriften auch von grundsätzlicher Bedeutung und durch Rechtsentscheid oder ein Obergericht noch nicht entschieden.

Den Parteien ist Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden; von dieser Möglichkeit haben aber nur die Beklagten Gebrauch gemacht.

Das Landgericht hat die Rechtsfrage am 14./22.6.1983 dem Bayer. Obersten Landesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Vorlage, über die das Bayer. Oberste Landesgericht zu entscheiden hat (BayObLGZ 1980, 360/363 und ständige Rechtsprechung, zuletzt BayObLGZ 1983 Nr. 43), ist zulässig.

a) Die vorgelegte Rechtsfrage betrifft den Bestand eines Mietvertragsverhältnisses über Wohnraum (Art. III Abs. 1 Satz 1 des 3. MietRÄndG) und kann entscheidungserheblich (vgl. BayObLGZ 1982, 173/174 m. Nach.) sein, weil das Landgericht die übrigen von der Klägerin geltend gemachten Kündigungsgründe (Eigenbedarf gemäß § 564 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB und Vertragsverletzung durch nicht genehmigte Tierhaltung) für nicht durchgreifend erachtet.

b) Die – soweit ersichtlich – durch Rechtsentscheid noch nicht entschiedene Rechtsfrage ist auch von grundsätzlicher Bedeutung (Art. III Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz des 3. MietRÄndG). Zwar ist das für die hier in Betracht kommende Steuervergünstigung maßgebliche Gesetz zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG...

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