Entscheidungsstichwort (Thema)

Eigenbedarfskündigung wegen drohenden Wegfalls der Grunderwerbsteuerbefreiung

 

Orientierungssatz

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Droht dem Vermieter ein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil, weil er wegen unterlassener Selbstnutzung der Wohnung die Grunderwerbsteuerbefreiung verlieren kann, so ist er zur Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs berechtigt (Vergleiche BayObLG München, 1983-10-17, ReMiet 6/83, WuM 1984, 15).

 

Tatbestand

Die Beklagte ist Mieterin der Wohnung, die Klägerin ist seit Mitte des Jahres 1982 als Eigentümerin dieser Wohnung im Grundbuch eingetragen. Der zwischen den Parteien bestehende Mietvertrag, in den die Klägerin gemäß § 571 BGB eintrat, datiert vom 30.6.1953.

Mit Schreiben vom 22.10.84 kündigte die Klägerin der Beklagten das Mietverhältnis zum 30.11.1985. Als Begründung für die Kündigung wurde in diesem Schreiben angegeben, daß der Klägerin erhebliche wirtschaftliche Nachteile im Falle einer unterlassenen Eigennutzung der Wohnung drohten, da dies zu einem Wegfall der bereits vorläufig erfolgten Grunderwerbsteuerbefreiung führen würde. Nach den Vorschriften des Art. 3 Abs. 1 GrEStEigWoG drohe ein Wegfall der Grunderwerbsteuerbefreiung dann, wenn der Erwerber binnen fünf Jahren nach Erwerb der Wohnung diese nicht für mindestens ein Jahr ununterbrochen selbst nutze. Im Falle einer unterlassenen Eigennutzung sei dagegen von der Klägerin eine erhebliche Steuer zu entrichten, die der Summe nach ungefähr zwei Jahresmieten entspräche. Dies sei ein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil für die Klägerin und sei daher als ein sonstiges berechtigtes Interesse des Vermieters an einer Kündigung gem. § 564b Abs. 1 BGB anzusehen.

Ergänzend beansprucht die Klägerin mit Klageschrift vom 3.1.85 Eigenbedarf. Sie ist der Meinung, daß dieser gem. § 564b Abs. 2 Ziffer 2 BGB berechtigende Kündigungsgrund wegen des 60jährigen Geburtstages der Klägerin und damit dem Eintritt in das Rentenalter im November 1985 nachträglich entstanden und daher zu berücksichtigen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Kündigung der Klägerin mit Schreiben v. 22.10.1984 wegen Eigenbedarfs i.S.d. § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB war begründet. Die im Schreiben v. 22.10.1984 angegebenen Gründe trugen die Kündigung (vgl. § 564b Abs. 3 BGB); Der drohende nachträgliche Wegfall einer Grunderwerbsteuerbefreiung durch unterlassene Eigennutzung einer vom Vermieter erworbenen Eigentumswohnung stellt ein die ordentliche Kündigung nach § 564b BGB rechtfertigendes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses dar (RE BayObLG v. 17.10.1983, WM 1984, 15). Die Klägerin hat dargetan, daß die ihr durch den Wegfall der Grunderwerbsteuerbefreiung erwachsenden wirtschaftlichen Nachteile einen erheblichen Umfang erreichen. Dies gilt auch im Hinblick darauf, daß im Falle des Selbstbezugs der Wohnung die Mieteinnahmen entfallen. Ergänzend kann auch auf den RE des OLG Hamburg v. 10.12.1985 (WM 1986, 52) verwiesen werden, wonach der Wunsch des Vermieters, seine eigene Wohnung zu beziehen, zur Begründung von Eigenbedarf i.S.d. § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB ausreichen kann. Dies gilt naturgemäß erst recht, wenn der Wunsch des Vermieters von einem erheblichen wirtschaftlichen Interesse gestützt wird. Nach allem brachte die Klägerin eine formell und materiell wirksame Kündigung des Mietverhältnisses an.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1730800

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