Entscheidungsstichwort (Thema)

Güterverkehr. Güterkraftverkehr. Gewerbe. gewerblich. Beförderung. Erlaubnis. Unzuverlässigkeit. Tateinheit. Tatmehrheit. Tatbegriff. Tatentschluss. Bewertungseinheit. Konkurrenz. Einspruch. Rücknahme. Einspruchsrücknahme. Kognitionspflicht. Geldbuße. Bemessung. Raten. Ratenzahlung. Schätzung. Nettoprinzip. Hinweis. Einziehung. Einziehungsverfahren. Unrechtsfolge. Vorteil. wirtschaftliche Aufwendungen. erspart. Einstellung. Teileinstellung. Verschlechterungsverbot

 

Leitsatz (amtlich)

1. Liegt eine einheitliche prozessuale Tat i.S.v. § 264 StPO vor, die der umfassenden richterlichen Kognition unterliegt, so kann der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nur dann nachträglich auf eine von mehreren Geldbußen beschränkt werden, wenn jeweils materiell-rechtlich selbständige Taten zugrunde liegen (Anschluss an BGH, Beschl. v. 26.02.2013 - KRB 20/12 = BGHSt 58, 158 = NJW 2013, 1972 = wistra 2013, 391).

2. Bereits aus der Formulierung von § 19 Abs. 1 Nr. 1b GüKG , wonach ordnungswidrig handelt, wer ohne Erlaubnis gewerblichen Güterverkehr betreibt, ergibt sich, dass Verstöße gegen die Erlaubnispflicht nach § 3 Abs. 1 GüKG eine auf Wiederholung angelegte Tätigkeit voraussetzen. Mehrere Tathandlungen sind daher zu einer Bewertungseinheit verbunden, wenn sie auf den einheitlichen Willen des Fuhrunternehmers zurückzuführen sind (Anschluss an KG, Beschl. v. 17.10.2001 - 2 Ss 11/01 = VRS 101 [2001], 461 = VerkMitt 2002, Nr 57).

3. Die Vorschriften des StGB über das Absehen von Strafe sind im Bußgeldverfahren auch nicht entsprechend anwendbar. Ergeht daher ein Schuldspruch gegen den Betroffenen, so darf das Amtsgericht nicht von der Festsetzung einer Geldbuße absehen und stattdessen die selbständige Einziehung eines Geldbetrages nach § 29a OWiG anordnen (Anschluss an BayObLG, Beschl. v. 18.05.1998 - 3 ObOWi 53/98 = NJW 1998, 3287 = RdL 1998, 216 = NuR 1998, 613 ).

4. Der Entfall der selbständigen Einziehung nach § 29a Abs. 1 OWiG steht der Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils durch Verhängung einer Geldbuße nach § 17 Abs. 4 OWiG , welche den Einziehungsbetrag nicht übersteigt, durch das Rechtsbeschwerdegericht gemäß § 79 Abs. 6 OWiG nicht entgegen.

 

Normenkette

GüKG §§ 3, 19 Abs. 1 Nr. 1b; OWiG § 17 Abs. 4, §§ 18-19, 29a Abs. 1, § 47 Abs. 2, § 67 Abs. 2, § 79 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 6; StPO §§ 265, 344 Abs. 2 S. 2, § 358 Abs. 2

 

Tenor

  • i.

    Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt, soweit dem Betroffenen im Bußgeldbescheid vom 24.09.2019 Beförderungen im gewerblichen Güterkraftverkehr ohne die erforderliche Erlaubnis für die Fa. Z zur Last liegen; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens.

  • II.

    Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 02.09.2020 mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Urteilsformel in Ziffern 1. - 3. abgeändert wird wie folgt:

    1. Der Betroffene ist schuldig einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit des Betreibens von gewerblichem Güterkraftverkehr ohne Erlaubnis gemäß § 3 GüKG .
    2. Gegen den Betroffenen wird eine Geldbuße in Höhe von 80.000 Euro festgesetzt. Ihm wird gestattet, die Geldbuße beginnend ab 10.03.2021 in monatlichen Raten in Höhe von 500 Euro, jeweils fällig zum 10. eines jeden Monats, zu bezahlen; die Vergünstigung, die Geldbuße in Raten zu zahlen, entfällt, wenn der Betroffene einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt.
  • III.

    Der Betroffene hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

I.

Das Landratsamt hat gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 24.09.2019 wegen der vorsätzlichen unerlaubten Durchführung von Beförderungen im gewerblichen Güterkraftverkehr Geldbußen von zweimal 20.000 Euro (420 Beförderungen für die Fa. X sowie 283 Beförderungen für die Fa. Y) und einmal 6.100 Euro (37 Beförderungen für die Fa. Z) verhängt. Nach form- und fristgerechter Einlegung des Einspruchs hat der Betroffene im Termin zur Hauptverhandlung vom 02.09.2020 seinen Einspruch durch Erklärung seines Verteidigers zurückgenommen, soweit gegen ihn wegen der Beförderungen für die Fa. Z eine Geldbuße von 6.100 Euro verhängt worden war. Das Amtsgericht hat den Betroffenen aufgrund der Hauptverhandlung vom 02.09.2020 schuldig gesprochen der vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit des Betreibens von gewerblichem Güterkraftverkehr ohne Erlaubnis gemäß § 3 GüKG in 453 tatmehrheitlichen Fällen und die Einziehung eines Geldbetrags in Höhe von 80.000 Euro angeordnet. Von der Verhängung einer Geldbuße hat es ausdrücklich abgesehen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt und sich darauf beruft, dass durch die teilweise Einspruchsrücknahme ein Verfahrenshindernis entstanden sei. Die Generalstaatsanwaltschaft hat unter dem 26.11.2020 beantragt, auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das Urteil des Amtsgericht...

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