Leitsatz (amtlich)

Nach Ablauf der Dauer einer vormundschaftsgerichtlich genehmigten Unterbringung ist bzw. bleibt trotz der damit eingetretenen Erledigung der Hauptsache ein eingelegtes Rechtsmittel des Betroffenen jedenfalls dann zulässig, wenn die Dauer der Unterbringung auf lediglich bis zu sechs Wochen bemessen war (Einschränkung von BayObLGZ 1997, 276).

 

Normenkette

FGG §§ 13a, 27

 

Verfahrensgang

LG Ansbach (Beschluss vom 04.01.1999; Aktenzeichen 4 T 1466/98)

AG Ansbach (Aktenzeichen XVII 260/98)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Ansbach vom 4. Januar 1999 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Das Amtsgericht bestellte am 18.12.1996 dem Betroffenen einen Betreuer für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Sorge für die Gesundheit und Vermögenssorge.

Auf Antrag des Betreuers genehmigte das Amtsgericht am 3.12.1998 mit sofortiger Wirksamkeit die vorläufige Unterbringung des Betroffenen „in einer geschlossenen Einrichtung” bis längstens 14.1.1999.

Die vom Betroffenen gegen diesen Beschluß eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluß vom 4.1.1999 zurückgewiesen, der dem Verfahrensbevollmächtigten am 13.1.1999 zugestellt wurde.

Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der am 22.1.1999 eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde, die er in Kenntnis der Tatsache, daß seine Unterbringung seit 15.1.1999 nicht mehr auf dem Beschluß vom 3.12.1998 beruht, aufrecht erhielt.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Sie wurde zwar erst nach dem Ablauf der Frist der durch das Amtsgericht genehmigten vorläufigen Unterbringung, also nach Erledigung der Hauptsache (BayObLG FamRZ 1995, 488 LS), eingelegt. Dies steht aber nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht entgegen. Danach gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG, soweit das Prozeßrecht eine weitere Instanz eröffnet, die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle (BVerfG NJW 1997, 2163). In Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf einen Zeitraum beschränkt, in welchem der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozeßordnung vorgegebenen Instanz kaum erlangen kann, ist daher ein Rechtsschutzinteresse für die gerichtliche Prüfung des Grundrechtseingriffs ungeachtet prozessualer Überholung grundsätzlich zu bejahen (BVerfG EuGRZ 1997, 372/373; NJWE-FER 1998, 163; NJW 1998, 2432/2433).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist im vorliegenden Fall das Rechtschutzinteresse für die vom Betroffenen begehrte Feststellung gegeben. Jedenfalls bei einer Unterbringungsdauer von sechs Wochen kann kaum davon ausgegangen werden, daß die gegen die gerichtliche Entscheidung eröffneten Instanzen innerhalb dieses Zeitraums durchlaufen werden können (vgl. BVerfG NJW 1997, 2432; ebenso OLG Schleswig NJW 1999, 222 für eine Unterbringungsdauer von zwei Wochen). Die abweichende Entscheidung des OLG Karlsruhe in seinem Beschluß vom 13.10.1997 (BtPrax 1998, 34) zwingt nicht zu einer Vorlage gemäß § 28 Abs. 2 FGG an den Bundesgerichtshof, weil sie durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 10.5.1998 (NJW 1998, 2432) überholt ist (vgl. BGH NJW 1998, 3653). Bezüglich der für die Dauer von bis zu sechs Wochen gerichtlich genehmigten Unterbringung hält der Senat an seiner bisherigen Auffassung zur Zulässigkeit eines Rechtsmittels nach Ablauf der Unterbringungsdauer (BayObLGZ 1995, 276) nicht mehr fest.

2. Das Rechtsmittel ist nicht begründet:

a) Das Landgericht hat ausgeführt, das Amtsgericht habe zu Recht die Unterbringung des Betroffenen durch seinen Betreuer vorläufig genehmigt. Es bestünden dringende Gründe für die Annahme, daß die Voraussetzungen für eine endgültige Genehmigung der Unterbringung gegeben seien und mit einem Aufschub eine erhebliche Gefahr für den Betroffenen verbunden wäre. Nach der gutachterlichen Stellungnahme der Ärztin H. vom 2.12.1998 leide der Betroffene an einer psychischen Krankheit, nämlich einer manischen Phase bei Zyklothymie und organischer Wesens Veränderung bei chronischem Alkoholabusus. Ohne Unterbringung sei die notwendige Heilbehandlung des Betroffenen nicht durchführbar. Der Betroffene könne aufgrund seiner psychischen Erkrankung die Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht erkennen oder nach dieser Einsicht handeln. Mit einem Aufschub der Unterbringung wären erhebliche Gefahren für die Gesundheit des Betroffenen verbunden.

b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO). Die vom Amtsgericht bis längstens 14.1.1999 erteilte vorläufige Genehmigung der geschlossenen Unterbringung des Betroffenen war vom Landgericht ohne Rechtsfehler bestätigt worden.

(1) Eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, d.h. die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung gegen den ...

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