Entscheidungsstichwort (Thema)

Handy. Smartphone. Mobiltelefon. Bedienung. Ablenkung. Blickablenkung. Benutzung. bremsbereit. Gerät. fahrfremd. Rechtsfortbildung. Gefährdungspotenzial. Halten. hand-held-Verbot. Hand. lenken. Muskulatur. Nutzung. Oberschenkel. Wortlaut. Wortsinn. Wortbedeutung. Normzweck. Sinngrenze. Verkehrssicherheit

 

Leitsatz (amtlich)

Die verbotswidrige Benutzung eines Mobiltelefons durch ein Halten i.S.v. § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO liegt nicht nur dann vor, wenn dieses mit der Hand ergriffen wird, sondern auch dann, wenn es auf dem Oberschenkel abgelegt wird.

 

Normenkette

StVO § 23 Abs. 1a S. 1 Nrn. 1-2, § 49 Abs. 1 Nr. 22; OWiG § 79 Abs. 1 S. 2, § 80a Abs. 3; StPO §§ 337, 353

 

Tenor

  • I.

    Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts vom 20.05.2021 mit den Feststellungen aufgehoben.

  • II.

    Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayer. Polizeiverwaltungsamt verhängte gegen die Betroffene als Führerin eines Kraftfahrzeugs mit Bußgeldbescheid vom 07.09.2020 wegen Nutzung eines elektronischen Geräts, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, eine Geldbuße in Höhe von 100 Euro. Nach form- und fristgerechter Einlegung des Einspruchs hat das Amtsgericht die Betroffene aufgrund der Hauptverhandlung vom 20.05.2021 aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der Rechtsbeschwerde, deren Zulassung sie beantragt, und mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft, die das Rechtsmittel vertritt, hat mit Stellungnahme vom 26.10.2021 beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, das Urteil des Amtsgerichts vom 20.05.2021 auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Hierzu hat sich die Verteidigung mit Schriftsatz vom 15.12.2021 erklärt.

Der Einzelrichter hat mit Beschluss vom 03.01.2022 die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts zugelassen und dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, § 80a Abs. 3 Satz 1, Satz 2 OWiG.

II.

Der gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG statthaften und auch sonst zulässigen Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist der Erfolg nicht zu versagen. Entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts erfüllt das Verhalten der Betroffenen den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 22 i.V.m. § 23 Abs. 1a Satz 1 1. Alt. StVO.

1. Zum Tatgeschehen hat das Amtsgericht festgestellt, dass die Betroffene am 18.06.2020 um 11:00 Uhr mit ihrem Pkw aufgrund stockenden Verkehrs langsam in der W-Straße in B fuhr, wobei sie - nicht widerlegbar bereits vor Antritt der Fahrt - ihr Mobiltelefon auf dem rechten Oberschenkel abgelegt hatte und kurz durch Tippen mit dem Finger die Wahlwiederholung einer Fluggesellschaft aus- und anwählte. Einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO durch die bloße Bedienung des auf dem Oberschenkel liegenden Mobiltelefons verneinte das Amtsgericht. Bei der Regelung des § 23 Abs. 1a Nr. 1 StVO handele es sich um ein "hand-held-Verbot". Das Mobiltelefon sei weder aufgenommen noch gehalten worden. Auch die Tatbestandsvariante des § 23 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2b StVO sei nicht erfüllt, weil die Einlassung der Betroffenen, wonach sie jederzeit bremsbereit und ohne ihren Blick vom Verkehrsgeschehen abzuwenden nur kurz die Wahlwiederholungstaste bedient habe, nicht zu widerlegen gewesen sei.

2. Der Freispruch des Amtsgerichts hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 23 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO erfüllt, wer ein dort bezeichnetes elektronisches Gerät zum Zwecke der Nutzung aufnimmt oder hält und wenn kein Ausnahmetatbestand nach Nr. 2 vorliegt. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des angefochtenen Urteils hat die Betroffene das Mobiltelefon benutzt, indem sie durch Tippen der Wahlwiederholung eine Rufnummer aus- und angewählt hat (ausführlich zum tatbestandlichen Erfordernis des "Benutzens" elektronischer Geräte Will NZV 2019, 331; Krumm SVR 2019, 209). Die Betroffene hat dabei das auf ihrem rechten Oberschenkel liegende Mobiltelefon auch gehalten. Entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts ist die verbotswidrige Benutzung eines Mobiltelefons durch ein Halten auch dann zu bejahen, wenn das Mobiltelefon zwar nicht mit bzw. in der Hand gehalten, aber auf dem Oberschenkel abgelegt wird.

a) Maßgebend für die Auslegung einer Norm ist in erster Linie der Wortlaut (vgl. BGH, Urt. v. 31.10.1986 - 2 StR 33/86 = BGHSt 34, 211 = NJW 1987, 1280 = NStZ 1987, 323 = StV 1987, 151), wobei der Wortsinn einerseits die Grenze der Auslegung bestimmt, andererseits aber bei der Auslegung zwischen den möglichen Wortbedeutungen bis zur "äußersten ...

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