Leitsatz (amtlich)

Die Vermutung des § 2270 Abs. 2 BGB ist auf Ersatzerben nur dann anwendbar, wenn sich Anhaltspunkte für einen auf deren Einsetzung gerichteten Willen der testierenden Ehegatten feststellen lassen, die Ersatzerbeneinsetzung also nicht allein auf der Auslegungsregel des § 2069 BGB beruht.

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 26.08.2003; Aktenzeichen 7 T 6420/03)

AG Hersbruck (Aktenzeichen VI 734/02)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 4) gegen den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 26.8.2003 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten zu 2) und 4) haben die der Beteiligten zu 1) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 6.677,37 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Erblasserin ist im Jahr 2002 im Alter von 86 Jahren verstorben. Ihr Ehemann ist im Jahr 2001 vorverstorben. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, eine Tochter (Beteiligte zu 1) sowie die bereits vorverstorbenen Söhne A. und B. Der 2000 verstorbene Sohn A. hatte keine Abkömmlinge. Die Beteiligten zu 2) bis 4) sind die drei Kinder des 1998 vorverstorbenen Sohnes B.

In einem gemeinschaftlichen Testament vom 1.3.1994 setzten sich die Erblasserin und ihr Ehemann gegenseitig zu alleinigen Erben ihres gesamten Vermögens ein. Im Übrigen enthält dieses Testament folgende Verfügung der Ehegatten:

„Erbe des Letztverstorbenen sollen die Söhne A. und B., sowie die Tochter sein.”

In diesem S. strich der Ehemann der Erblasserin die Worte „und B.”, schrieb auf die Testamentsurkunde eigenhändig den Zusatz „Sohn B. 1998 verstorben” und unterschrieb diesen Zusatz.

Am 27.6.2001 errichtete die Erblasserin ein eigenhändiges Testament, in dem sie verfügte:

„Meine Tochter soll Alleinerbin sein.

Ich erkläre, dass ausschließlich die Fertigung dieses Testaments Gültigkeit haben soll.”

Die Beteiligten zu 2) und 4) beantragten die Erteilung eines Erbscheins, demzufolge die Erblasserin von der Beteiligten zu 1) zu 1/2 und von den Beteiligten zu 2), 3) und 4) je zu 1/6 beerbt worden ist. Zur Begründung trugen sie vor, die Beteiligten zu 2) bis 4) seien als Kinder des im Testament vom 1.3.1994 bedachten 1998 vorverstorbenen Sohnes B. zu gleichen Teilen an dessen Stelle getreten. Die Erblasserin sei nach dem Tod ihres Ehemanns an die Verfügung im Testament vom 1.3.1994 gebunden gewesen, so dass die mit Testament vom 27.6.2001 erfolgte Einsetzung der Beteiligten zu 1) als Alleinerbin unwirksam sei. Dem stehe nicht entgegen, dass der Ehemann der Beteiligten zu 1) den Sohn B in dem Testament vom 1.3.1994 gestrichen und dessen Todestag vermerkt habe; diese Streichung und der Vermerk im Testament hätten lediglich klarstellen sollen, dass der Sohn B. nicht mehr Erben könne, und sei nicht dahingehend zu verstehen, dass die Kinder des Sohnes B. von der Erbfolge ausgeschlossen sein sollten. Im Übrigen hätte der Ehemann der Beteiligten zu 1) die Erbeinsetzung des Sohnes B als wechselbezügliche Verfügung nur nach den für den Rücktritt von einem Erbvertrag geltenden Vorschriften widerrufen können mit der Folge, dass die auf dem Testament vorgenommene Verfügung jedenfalls formunwirksam sei.

Das AG ist diesem Vorbringen im Wesentlichen gefolgt und hat mit Vorbescheid vom 20.5.2003 die Erteilung eines dem Antrag der Beteiligten zu 2) und 4) entspr. Erbscheins in Aussicht gestellt. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das LG mit Beschluss vom 26.8.2003 den Vorbescheid des AG aufgehoben und den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2) und 4) zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beteiligten zu 2) und 4) mit ihrer weiteren Beschwerde.

II. Die weitere Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Das LG hat im Wesentlichen ausgeführt, das Testament der Erblasserin vom 27.6.2001 sei wirksam. Auf Grund dieses Testaments sei die Beteiligte zu 1) Alleinerbin geworden. Die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments vom 1.3.1994 stehe dem nicht entgegen. Zwar seien die in diesem Testament getroffenen Verfügungen, mit denen sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben und die gemeinsamen Kinder zu Erben des Überlebenden eingesetzt haben, als bindende wechselbezügliche Verfügungen anzusehen. Ein Widerruf der Einsetzung des Sohnes B. durch den Ehemann der Erblasserin sei jedenfalls nicht durch notariell beurkundete Erklärung ggü. der Erblasserin (§§ 2271 Abs. 1, 2296 Abs. 2 BGB) erfolgt und daher formunwirksam. Die Auslegung des vom Ehemann der Erblasserin auf das Testament eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Zusatzes „Sohn B. 1998 verstorben” ergebe jedoch, dass er damit die Erblasserin nachträglich habe ermächtigen wollen, die Erbfolge auf die verbleibenden Kinder zu beschränken und die Enkel von der Erbfolge auszuschließen. Eine solche Ermächtigung des anderen Ehegatten, bindende wechselbezügliche Verfügungen zu ändern, sei durch nachträgliche einseitige letztwillige Verfügung möglich. Im Hinblick auf diese...

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