Leitsatz (amtlich)

1. Es erscheint zweifelhaft, ob eine in der Rechtsgemeinschaft eindeutig herrschende Auffassung über die nicht nur individualethische, sondern auch sozialethische Verwerflichkeit der Prostitutionsausübung festgestellt werden kann.

2. Es ist fraglich, ob in einem Anwesen, das ausschließlich gewerblich genutzt wird, eine Wertminderung der übrigen Teileigentumseinheiten anzunehmen ist, wenn in einer Teileigentumseinheit der Prostitution nachgegangen wird.

3. Kommt es in dem Anwesen zu ungewollten Konfrontationen mit der Prostitutionsausübung in einer Teileigentumseinheit, die als anstößig zu bezeichnen sind, ist dies für die übrigen Teileigentümer nachteilig.

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 14.06.2004; Aktenzeichen 14 T 12057/03)

AG Nürnberg (Aktenzeichen 1 UR II 412/02)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 14.6.2004 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind die Teileigentümer einer Anlage, die ausschließlich gewerblich genutzt wird.

Dem Antragsgegner gehört die im obersten Stockwerk gelegene Einheit. Diese ist vermietet; sie wird vom Untermieter zum Zweck der Prostitution genutzt.

Auf den Unterlassungsantrag der Antragsteller hat das AG mit Beschluss vom 24.11.2003, soweit dieser Beschluss für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, den Antragsgegner verpflichtet, alles in seiner Macht stehende zu tun, um die Nutzung seiner Einheit zur Ausübung der Prostitution zu unterbinden, erforderlichenfalls durch Klageerhebung und Zwangsvollstreckung gegen den Mieter bzw. Untermieter. Das LG hat am 14.6.2004 die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen sofortige weitere Beschwerde.

II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das LG hat ausgeführt:

Die Ausübung der Prostitution in der Einheit des Antragsgegners führe zu einer über das normale Maß hinausgehenden Beeinträchtigung der übrigen Teileigentümer und verstoße damit gegen § 2 Gemeinschaftsordnung (GO), der inhaltlich § 14 Nr. 1 WEG entspricht.

Die konkreten Auswirkungen der Prostitutionsausübung habe der Zeuge M. anschaulich geschildert. So habe er ausgeführt, er sei vor und in dem Haus mehrmals danach gefragt worden, wo der "Puff" sei. Auch lägen im Aufzug Kondome herum. Es komme hinzu, dass der Aufzug direkt in der Einheit des Antragsgegners ende und von dort aus mittels eines Schlüssels vom Erdgeschoss heraufgeholt werden könne. Es sei mehrmals vorgekommen, dass er oder einer seiner Mitarbeiter ungewollt aufgrund einer solchen Schlüsselbetätigung im obersten Stockwerk mit dem Aufzug unmittelbar in der Einheit des Antragsgegners mitten unter den dort befindlichen Damen gelandet sei, die bis auf einen Slip unbekleidet gewesen seien. Diese Konfrontation mit dem Geschehen im obersten Stockwerk sei für die übrigen Teileigentümer angesichts des in dem Anwesen stattfindenden Publikumsverkehrs, zu dem auch Lehrlinge und Auszubildende gehörten, nachteilig.

Jedenfalls werde der Verkehrswert der übrigen Teileigentumseinheit durch die Nutzung der Einheit des Antragsgegners zur Prostitution gemindert. Auch dies müssten die übrigen Teileigentümer nicht hinnehmen.

2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Den Antragstellern steht der von den Vorinstanzen zuerkannte Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB, § 15 Abs. 3 WEG zu. Das LG hat nämlich zu Recht angenommen, dass die Nutzung des Teileigentums des Antragsgegners zum Zweck der Prostitutionsausübung mit § 2 GO, § 14 Nr. 1 WEG nicht in Einklang steht.

a) Es kann offen bleiben, ob die Ausübung von Prostitution in einer Teileigentumseinheit grundsätzlich nachteilige Auswirkungen auf den Verkehrs- oder Mietwert der übrigen Teileigentumseinheiten haben kann.

(1) Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 16.6.2000 (BayObLG v. 16.6.2000, ZMR 2000, 689) ausgeführt, dass die Nutzung eines Wohnungs- oder Teileigentums, die mit einem sozialen Unwerturteil behaftet sei oder als anstößig empfunden werde, wie der Betrieb eines "Pärchentreffs" oder "Swingerclubs", nachteilige Auswirkungen auf den Verkehrs- oder Mietwert der übrigen Einheiten habe und somit nachteilig im Sinn von § 14 Nr. 1 WEG sei. In der früheren Rechtsprechung des Senats wurde ferner eine Wertminderung für die übrigen Einheiten bejaht, wenn in einem gewerblich genutzten Anwesen in einer Teileinheit ein Bordell betrieben wird (BayObLG DWE 1981, 58). An dem Ergebnis, dass eine Wertminderung in einem solchen Fall anzunehmen ist, soll sich nach verbreiteter Auffassung (OLG Frankfurt DWE 2002, 105; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 15 Rz. 30; vgl. ferner VerfGH Berlin v. 6.12.2002 - VerfGH 188/01, NJW-RR 2003, 229; Deckert, Die Eigentumswohnung, Gruppe 5, Rz. 433) auch nach dem In-Kraft-Treten de...

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