Leitsatz

Ausübung der Prostitution in einem Teileigentum einer ausschließlich gewerblich genutzten Anlage im konkreten Fall für die restlichen Teileigentümer nachteilig

 

Normenkette

(§§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3 WEG; § 1004 BGB; Prostitutionsgesetz vom 20.12.2001)

 

Kommentar

  1. Mit Entscheidung vom Juni 2000 (BayObLG v. 16.6.2000, 2Z BR 178/99, ZMR 2000, 689) hat der Senat ausgeführt, dass die Nutzung eines Wohnungs- oder Teileigentums, die mit einem sozialen Unwerturteil behaftet sei oder als anstößig empfunden werde (wie der Betrieb eines "Pärchentreffs" oder "Swinger-Clubs"), nachteilige Auswirkungen auf den Verkehrs- oder Mietwert der übrigen Einheiten habe und somit nachteilig im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG sei. Auch schon früher wurde vom Senat eine Wertminderung für die restlichen Einheiten einer Anlage bejaht, wenn in einem gewerblich genutzten Anwesen in einer Teileinheit ein Bordell betrieben werde (BayObLG, DWE 1981, 58). An dem Ergebnis, dass eine Wertminderung in einem solchen Fall anzunehmen sei, soll sich nach verbreiteter Auffassung auch nach dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz) vom 20.12.2001 nichts geändert haben (vgl. OLG Frankfurt, DWE 2002, 105; Bärmann/Pick/Merle, 9. Aufl. § 15 Rn. 30; Berliner Verfassungsgerichtshof, NJW-RR 2003, 229, Drabek in ETW, Gruppe 5 Rn. 433).
  2. Aus heutiger Sicht erscheint es dem Senat allerdings zweifelhaft, ob eine in der Rechtsgemeinschaft eindeutig herrschende Auffassung über die nicht nur individual-ethische, sondern sozial-ethische Verwerflichkeit der Prostitutionsausübung festgestellt werden kann. Jedenfalls hat das Bundesverwaltungsgericht (NVwZ 2003, 603) zutreffend festgestellt, der Gesetzgeber habe sich bei Erlass des Prostitutionsgesetzes von der Erwägung leiten lassen, dass nach überwiegender Auffassung die Prostitution nicht mehr als sittenwidrig angesehen werden könne und dass durch dieses Gesetz ein Wandel der sozial-ethischen Vorstellungen zum Ausdruck gekommen sei. Fraglich erscheint es ferner, ob in einem Anwesen, das – wie hier – ausschließlich gewerblichen Zwecken dient, in der Regel eine Wertminderung eintritt, wenn in einem Teileigentum der Prostitution nachgegangen wird.
  3. Kommt es allerdings in einem solchen Anwesen zu ungewollten Konfrontationen mit der Prostitutionsausübung, die als anstößig zu bezeichnen sind, ist dies für die übrigen Teileigentümer nachteilig im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG und rechtfertigt entsprechende Unterlassungsansprüche nach § 1004 BGB. Dabei ist auf die für den Senat bindenden Feststellungen des LG und die dortigen Zeugenaussagen abzustellen. Bei gebotener "typisierender", d.h. verallgemeinernder Betrachtungsweise (vgl. BayObLG, NZM 1999, 80/81; KG, FG Prax 2002, 159) ist es auch unerheblich, ob ein Zeuge, der bestimmte negative Vorfälle geschildert hat, subjektiv daran Anstoß genommen hat. Bei dem gegebenen Publikumsverkehr im Anwesen, das nach den Feststellungen des LG auch Jugendliche und Auszubildende einschließt, kam das LG hier rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis, dass aufgrund dieses Sachverhalts ein Nachteil gegeben ist.
  4. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert dieser Instanz von 3.000 EUR.
 

Link zur Entscheidung

(BayObLG, Beschluss vom 08.09.2004, 2Z BR 137/04, BayObLGZ 2004 Nr. 47)

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