Entscheidungsstichwort (Thema)

Recht der DDR

 

Leitsatz (redaktionell)

Auch bei einem Erblasser, der im Zeitpunkt seines Todes in der Bundesrepublik seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, tritt hinsichtlich der Gegenstände, die durch § 25 Abs. 2 RAG-DDR erfasst wurden, Nachlassspaltung ein.

 

Normenkette

EGBGB Art. 235 § 1 Abs. 1; RAG-DDR § 25 Abs. 2; EGBGB § 28 a.F.

 

Verfahrensgang

LG Schweinfurt (Beschluss vom 31.08.1994; Aktenzeichen 2 T 71/94)

AG Schweinfurt (Aktenzeichen VI 957/80)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Schweinfurt vom 31. August 1994 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 40.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Erblasser ist im Jahr 1978 im Alter von 68 Jahren im Landkreis Schweinfurt verstorben. Er hatte im Jahr 1932 mit der Beteiligten zu 1 die Ehe geschlossen. Aus dieser Ehe stammen vier Kinder, darunter die Beteiligten zu 2 und 3. Die beiden weiteren Söhne sind 1959 bzw. 1982 verstorben. Die Eheleute besaßen u.a. jeweils zu Miteigentum zwei Grundstücke bei Berlin (Gebiet der früheren DDR). Nach den Angaben der Beteiligten war der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes noch als Miteigentümer eines dieser Grundstücke im Grundbuch eingetragen, der Miteigentumsanteil wurde erst 1988 in Volkseigentum überführt. Hiervon abgesehen war im Zeitpunkt des Erbfalls außer einem Lastenausgleichsanspruch weiteres wesentliches Vermögen nicht vorhanden.

Der Erblasser war bis 1955 als Bauunternehmer tätig gewesen, wurde dann jedoch wegen angeblicher Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und verließ nach Strafverbüßung im Jahr 1956 die frühere DDR. Er lebte zunächst in Berlin, ab 1962 in der Bundesrepublik. Die Ehe mit der Beteiligten zu 1 wurde am 12.7.1960 durch Urteil des Kreisgerichts … (DDR) geschieden.

Der Erblasser hat am 15.2.1943 durch ein notarielles Testament die Beteiligte zu 1 zur Alleinerbin eingesetzt. Nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik hat er eine auf den 22.5.1974 datierte, eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung verfaßt, in der er seinen Lastenausgleichsanspruch und etwa vorhandenes Geldvermögen der mit ihm nicht verwandten, im Jahr 1979 verstorbenen Mutter der Beteiligten zu 4 zuwandte.

Das Nachlaßgericht hat am 30.4.1981 der Beteiligten zu 4 zu Lastenausgleichszwecken einen Erbschein erteilt, wonach der Erblasser von ihrer Mutter allein beerbt worden ist.

Die Beteiligte zu 1 hat zu notarieller Urkunde vom 7.2.1994 beantragt, ihr einen Erbschein als Alleinerbin zu erteilen. Die Verfügung vom 22.5.1974 sei lediglich als Vermächtnis zu werten. Da die Ehe aus politischen Gründen geschieden worden und die Verbindung zwischen ihr und dem Erblasser nach der Scheidung nicht abgerissen sei, der Erblasser auch das ursprüngliche Testament nicht widerrufen habe, gehe sie davon aus, daß sie Erbin sein solle.

Das Nachlaßgericht hat den Antrag mit Beschluß vom 2.5.1994 zurückgewiesen und der Beschwerde der Beteiligten zu 1 nicht abgeholfen. Das Landgericht hat das Rechtsmittel mit Beschluß vom 31.8.1994 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die zunächst privatschriftlich und am 8.12.1994 zu Protokoll des Bayerischen Obersten Landesgerichts erklärte weitere Beschwerde. Der Beteiligte zu 3 hat sich nicht gegen den beantragten Erbschein gewandt, die Beteiligte zu 4 hat sich zu dem Rechtsmittel nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die weitere Beschwerde, die formwirksam (§ 29 Abs. 4, § 21 Abs. 2 FGG) zu Protokoll der Geschäftsstelle des Bayerischen Obersten Landesgerichts eingelegt worden ist, ist zulässig. Hierbei legt der Senat die Erklärung vom 8.12.1994 dahin aus, daß die Beteiligte zu 2 das Rechtsmittel namens und in Vollmacht ihrer Mutter, der Beteiligten zu 1, eingelegt hat. Diese ist beschwerdeberechtigt (§ 29 Abs. 4, § 20 FGG).

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Es könne dahinstehen, ob das notarielle Testament vom 15.2.1943 zugunsten der Beteiligten zu 1 durch die Erklärung vom 22.5.1974 widerrufen worden sei. Jedenfalls sei das notarielle Testament infolge der Scheidung der Ehe unwirksam geworden (§ 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ein Wille des Erblassers dahin, daß die letztwillige Verfügung zugunsten der Beteiligten zu 1 auch für den Fall der Scheidung getroffen sein solle, sei nicht zu erkennen.

3. Diese Ausführungen halten im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Beteiligten zu 1 steht, unabhängig von der Richtigkeit des am 30.4.1981 erteilten Erbscheins, weder ein Erbrecht aufgrund letztwilliger Verfügung noch ein gesetzliches Erbrecht zu.

a) Die Vorinstanzen haben angenommen, daß die letztwillige Verfügung vom 15.2.1943, auf die sich die Beteiligte zu 1 beruft, durch die Scheidung im Jahr 1960 unwirksam geworden ist. Hierbei haben sie sich auf § 2077 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB gestützt; dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

aa) Der Erblasser ist im Jahr 1978, also nach Inkrafttreten des Rechtsanwendungsgesetzes (RAG-DDR) und des Z...

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