Entscheidungsstichwort (Thema)

Rotlichtverstoß. Zeitmessung. Stoppuhr. Verkehrsordnungswidrigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Wird bei der Mißachtung eines roten Wechsellichtzeichens die Rotlichtzeit von einem Polizeibeamten mittels einer geeichten Stoppuhr gemessen, so genügt zum Ausgleich etwaiger Meßfehler ein Abzug in Höhe der Verkehrsfehlergrenze der Stoppuhr zuzüglich eines Wertes von 0,3 Sek.

 

Normenkette

StVO § 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 7; Eichgesetz § 2 Abs. 2; Eichordnung § 33 Abs. 3-4

 

Verfahrensgang

AG Würzburg (Urteil vom 07.11.1994; Aktenzeichen 262 OWi 371 Js 56672/94)

 

Tenor

I. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts … vom 7. November 1994 wird als unbegründet verworfen.

II. Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Tatbestand

I.

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen einer vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr – Mißachtung des Rotlichts eines Wechsellichtzeichens bei schon länger als einer Sekunde andauernder Rotphase – zur Geldbuße von 250 DM und verhängte ein Fahrverbot von einem Monat gegen ihn. Mit der Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung sachlichen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Rechtsbeschwerde ist offensichtlich unbegründet. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Ausführungen der Staatsanwaltschaft beim Rechtsbeschwerdegericht vom 2.2.1995 Bezug. Im Hinblick auf die Angriffe des Betroffenen gegen das angefochtene Urteil ist lediglich hinzuzufügen:

Da im angefochtenen Urteil anderslautende Feststellungen nicht getroffen worden sind, ist davon auszugehen, daß eine geeichte Stoppuhr verwendet worden ist. Meßgeräte, die für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs verwendet werden, müssen nämlich geeicht sein (§ 2 Abs. 2 des Gesetzes über das Meß- und Eichwesen); hierzu zählen auch Stoppuhren (Erbs/Kohlhaas/Ambs Strafrechtliche Nebengesetze 5. Aufl. § 2 EichG Anm. 10). Dementsprechend werden in Bayern bei der Verkehrsüberwachung grundsätzlich nur geeichte Meßgeräte verwendet (Richtlinien des Bayerischen Staatsministeriums des Innern für die polizeiliche Verkehrsüberwachung Anlage 1 Nr. 6, Anlage 2 e Nr. 5). Der ausdrücklichen Feststellung, daß die Zeitmessung mit einer geeichten Stoppuhr vorgenommen wurde, bedurfte es deshalb nicht.

Auch bei der Verwendung geeichter Meßgeräte sind mögliche Meßfehler in Betracht zu ziehen. Um Benachteiligungen eines Betroffenen auszuschließen, ist deshalb ein Toleranzausgleich vorzunehmen. Dieser errechnet sich im hier zu entscheidenden Fall auf 0,32159 Sek.

Soweit ersichtlich, ist noch nicht obergerichtlich entschieden, welcher Toleranzausgleich vorzunehmen ist, wenn – wie hier – mittels einer Stoppuhr gemessen wird, wie lange nach Aufleuchten des Rotlichts ein Kraftfahrzeug die Haltlinie einer Signalanlage passiert hat. Nach Auffassung des Senats kann bei der Bemessung auf die bei der Geschwindigkeitsmessung mittels des Funkstopp- bzw. Spiegelmeßverfahrens entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden (vgl. dazu OLG Hamburg VRS 74, 62/64; OLG Celle VerkMitt 1986, 94 jeweils m.w.Nachw.); denn bei diesen Verfahren wird – wie hier – eine Stoppuhr verwendet, so daß im wesentlichen dieselben Fehlerquellen zu beachten sind.

Zunächst ist die Verkehrsfehlergrenze der verwendeten Stoppuhr zu berücksichtigen, die das Doppelte der Eichfehlergrenze beträgt (§ 33 Abs. 3 und 4 Eichordnung). Letztere errechnet sich hier auf 0,010795 Sek., nämlich die Summe aus dem kleinsten Skalenteilungswert der verwendeten Stoppuhr, der – wie das Meßergebnis (1,59 Sek.) zeigt – 0,01 Sek. beträgt, und 0,5 ‰ der gemessenen Zeit, also 0,000795 Sek. (Nr. 3.1 der Anlage 19 zur Eichordnung, BGBl 1988 I S. 1657). Hinzuzurechnen ist ein Wert von 0,3 Sek. zum Ausgleich etwaiger Meßfehler des Meßbeamten, (vgl. Löhle DAR 1984, 394/400; OLG Hamburg und OLG Celle je a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, daß hier ein höherer Wert berücksichtigt werden müßte, etwa weil der Meßbeamte schon länger als eine Stunde im Einsatz war (vgl. Löhle a.a.O.), lassen sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwiefern eine „optische Fehlerquelle” bei Beobachtung der Haltlinie zu berücksichtigen sein sollte. Die Berücksichtigung des beim Funkstopp- bzw. Spiegelmeßverfahren zusätzlich hinzuzurechnenden Wertes von max. 0,2 Sek. kommt hier nicht in Betracht; denn dieser dient lediglich dem Ausgleich von Übermittlungsfehlern zwischen den bei der Geschwindigkeitsmessung tätigen Polizeibeamten, die bei der hier vorgenommenen Messung ausgeschlossen sind, weil sie nur von einem Beamten vorgenommen wurde.

Insgesamt ergibt sich daher ein Wert von 0,32159 Sek., der von dem gemessenen Wert von 1,59 Sek. abzuziehen ist. Der Betroffene hat folglich die Haltlinie bei schon länger als einer Sekunde andauernder Rotphase überfahren. Damit erweist sich das angefochtene Urteil im Ergebnis als zutreffend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1086928

NStZ 1995...

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