Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrsordnungswidrigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die planmäßige Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen allein durch private Firmen im Rahmen der Verkehrsüberwachung zur Ermittlung und Dokumentation von Ordnungswidrigkeiten ist derzeit mangels einer gesetzlichen Ermächtigung auch dann unzulässig, wenn die zuständige Gemeinde Ort. Zeit. Dauer und Häufigkeit der Messung bestimmt und der Angestellte der Privatfirma während der Durchführung der Messung aufgrund eines befristeten Arbeitnehmerüberlassungsvertrages der Gemeinde von der Privatfirma zur Verfügung gestellt wird.

2. Zur Frage eines Verwertungsverbots der auf diese rechtswidrige Art und Weise erhobenen Beweise.

 

Normenkette

GG Art. 33 Abs. 4; OWiG § 47; StVG § 26 Abs. 1; StVO § 3 Abs. 3

 

Tenor

I. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts M. vom 24. Juli 1996 aufgehoben.

II. Gegen den Betroffenen wird wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 39 km/h eine Geldbuße von 200 DM festgesetzt und ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats verhängt.

Liste der angewendeten Vorschriften: § 3 Abs. 3 Nr. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO, § 24, § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG.

III. Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen.

 

Tatbestand

I.

Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt hat gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 19.2.1996 eine Geldbuße von 200 DM festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Dem Betroffenen wurde vorgeworfen, am 19.10.1995 um 14.59 Uhr mit seinem Pkw auf der M. Straße innerhalb der geschlossenen Ortschaft H. die dort geltende zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h aus Unachtsamkeit um 39 km/h überschritten zu haben.

Der Betroffene hat Einspruch eingelegt. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht M. hat die Beweiserhebung ergeben, daß der Betroffene, der keine Angaben zur Sache machte, Fahrer des Tatfahrzeugs war und die Geschwindigkeitsmessung technisch ordnungsgemäß erfolgt war, so daß der Vorwurf bestätigt wurde. Es stellte sich jedoch heraus, daß die für die Verfolgung von Geschwindigkeitsverstößen zuständige Gemeinde Hausham die Firma D. S. GmbH, die über entsprechende Meßgeräte verfügte, am 9.10.1995 mit der Geschwindigkeitsmessung beauftragt hatte mit der Anweisung, u.a. am 19.10.1995 von 14.00 Uhr bis 15.30 Uhr an der M. Straße in H. bei der Gaststätte Z. zu messen. Die Messung wurde allein von dem Bediensteten dieser Privatfirma durchgeführt, der das Radargerät (Multanova 6 F) kannte, es einzurichten und zu bedienen verstand und der aufgrund eines Vertrages zur Arbeitnehmerüberlassung vom 1.7.1995 bis 28.2.1996 von der Firma D. als Verleiher der Gemeinde H. als Entleiher zur Verkehrsüberwachung für jeweils drei Stunden pro Woche zur Verfügung gestellt worden war.

Mit Urteil vom 24.7.1996 hat das Amtsgericht zwar den Vorwurf für erwiesen angesehen, den Betroffenen aber freigesprochen, weil es davon ausging, die Verwertung der Beweise zur Geschwindigkeitsmessung seien ihm verboten. Es hat im einzelnen ausgeführt, weshalb hier die Geschwindigkeitsmessung rechtlich unzulässig war und somit gegen ein Beweiserhebungsverbot verstieß, und dargelegt, daß die angenommene Schwere dieses Verstoßes auch zu einem Verbot der Beweisverwertung führe.

Mit ihrer Rechtsbeschwerde rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet, das Amtsgericht habe rechts fehlerhaft ein Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot angenommen, denn das Messen und die Fertigung des Lichtbilds vom Fahrer seien kein Akt, zu dem hoheitliche Befugnisse erforderlich seien, sondern sie stellten eine bloße technische Verwaltungshilfe dar.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie enthält neben der Sachrüge auch eine Verfahrensrüge, ohne sie jedoch ausdrücklich als solche zu bezeichnen. Die unzutreffende Annahme eines nicht gesetzlich festgelegten Beweisverwertungsverbotes ist revisionsrechtlich und damit auch im Rechtsbeschwerdeverfahren (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG) in der Regel als Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO, die im Grundsatz auch im Bußgeldverfahren gilt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 OWiG), zu rügen (vgl. BGH NJW 1995, 2047 zum Verwertungsverbot nach § 136a Abs. 3 StPO). Die Begründung des Rechtsmittels gibt die den Mangel begründenden Tatsachen noch so vollständig und genau an, daß das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Im vorliegenden Fall besteht zudem die Besonderheit, daß das Amtsgericht die Beweise vollständig erhoben, gewürdigt und dies in den Urteilsgründen, welche dem Rechtsbeschwerdegericht aufgrund der Sachrüge zugänglich sind, dargelegt hat. Der Tatrichter hat die durch die Geschwindigkeitsmessung gewonnenen Beweise lediglich wegen der Art, wie sie zustandegekommen sind, – nach Behau...

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