Leitsatz (amtlich)

1. Die Bestellung eines weiteren selbständigen Betreuers ist zulässig, soweit der Betreuer von der Vertretung des Betreuten ausgeschlossen ist und auch dann, wenn sich der Betreuer in einem Interessenskonflikt befindet.

2. Hat das Verfahren auf die Bestellung eines weiteren Betreuers keine Erweiterung des Aufgabenkreises zum Inhalt, ist die persönliche Anhörung des Betreuten in der Regel nicht erforderlich.

 

Normenkette

BGB §§ 1899, 1795; FGG § 69i Abs. 5

 

Verfahrensgang

LG Deggendorf (Beschluss vom 22.05.1997; Aktenzeichen T 44/97)

AG Deggendorf (Aktenzeichen XVII 197/93)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Deggendorf vom 22. Mai 1997 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die weitere Betreuerin die Angelegenheiten der Betreuten hinsichtlich ihrer Rechte aus dem Leibgeding gemäß Vertrag vom 29.12.1995 selbständig besorgen kann.

 

Tatbestand

I.

Das Amtsgericht bestellte am 9.3.1994 den Neffen A der Betroffenen zu deren Betreuer mit den Aufgabenkreisen Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung und Vermögenssorge. Mit notariellem Vertrag vom 29.12.1995 übertrug die Betroffene das in ihrem Alleineigentum stehende Grundstück auf ihren Betreuer und den weiteren Neffen B zu Miteigentum je zur Hälfte. Die Erwerber räumten der Betroffenen ein Leibgeding ein: die Betroffene erhielt u.a. das Recht zur alleinigen Nutzung der Wohnung im Obergeschoß des Anwesens. Durch eine Reallast am gesamten Vertragsbesitz verpflichteten sich die Eigentümer, die Betreute solange sie dort wohne, bei Krankheit und Gebrechlichkeit sorgsam zu warten oder zu pflegen soweit dies im häuslichen Bereich ohne Inanspruchnahme einer Pflegeperson möglich ist. Für den Fall, daß die Betreute aus dem Haus auszieht, sind keine die gesetzlichen Bestimmungen abändernden Vereinbarungen getroffen. Seit 31.5.1996 befindet sich die Betreute im Altenpflegeheim in Dauerpflege. Am 20.3.1997 bestellte das Amtsgericht für die Vertretung der Betreuten hinsichtlich ihrer Rechte aus dem Leibgeding aus dem Vertrag vom 29.12.1995 eine weitere Betreuerin, da der bereits bestellte Betreuer insoweit rechtlich gehindert sei, die Betroffene zu vertreten. Die Beschwerde des Betreuers gegen diese Entscheidung wies das Landgericht mit Beschluß vom 22.5.1997 zurück. Hiergegen wendet sich die weitere Beschwerde des Betreuers A.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, der Beschwerdeführer sei als Neffe nach § 69g Abs. 1 FGG beschwerdeberechtigt. Sein Rechtsmittel sei aber nicht begründet, da das Amtsgericht zu Recht einen weiteren Betreuer für den Aufgabenkreis Vertretung der Betreuten hinsichtlich ihrer Rechte aus der Leibgedingsvereinbarung bestellt habe (§§ 1899 Abs. 4, 1908i, 1795, 181 BGB). Beim Beschwerdeführer sei bezüglich dieses Aufgabenkreises eine Interessenkollision gegeben, er könne die Belange der Betroffenen nicht wahrnehmen. Da sich die Betreute seit 31.5.1996 in Dauerpflege im Altenheim befinde, komme ein Anspruch auf Zahlung einer Geldrente nach Art. 18 AGBGB gegenüber dem Beschwerdeführer als Betreuer und Vertragspartner der Leibgedingsvereinbarung in Betracht. Die Entscheidung, ob ein solcher Anspruch erhoben werde, obliege ursprünglich der Betroffenen als Bestandteil ihrer Vermögensangelegenheiten. Diese sei nicht nur eine Frage der juristischen Berechtigung und Durchsetzbarkeit, sondern setze eine umfassende Interessenabwägung voraus. Insoweit sei der Beschwerdeführer als Vertragspartner und Verpflichteter des Leibgedings befangen.

Von einer weiteren Anhörung der Betroffenen habe die Kammer abgesehen, da eine solche nicht vorgeschrieben sei und die amtsgerichtliche Anhörung vor wenigen Wochen stattgefunden habe und von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten seien.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 2 FGG, § 550 ZPO) im Ergebnis stand.

a) Das Amtsgericht darf – von der Bestellung eines Betreuers zur Einwilligung in eine Sterilisation nach § 1899 Abs. 2 BGB abgesehen – einen weiteren Betreuer nur dann bestellen, wenn die Angelegenheiten des Betreuten durch mehrere Betreuer besser besorgt werden können (§ 1899 Abs. 1 BGB; HK/BUR § 1899 BGB Rn. 69) oder der andere Betreuer aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen verhindert ist (§ 1899 Abs. 4 BGB; Jürgens BtR § 1899 BGB Rn. 5). Die Bestellung von mehreren Betreuern für den Betroffenen ist nicht in das freie Ermessen des Gerichts gestellt (MünchKomm/Schwab BGB 3. Aufl. § 1899 Rn. 2). Bei ihr handelt es sich um eine Ausnahme von dem nach § 1897 Abs. 1 BGB geltendem Grundsatz der Einzelbetreuung (vgl. BT-Drucks, 11/4528 S. 130; Palandt/Diederichsen BGB 56. Aufl. § 1899 Rn. 1; Staudinger/Bienwald BGB 12. Aufl. § 1899 Rn. 3). Ist der Betreuer rechtlich verhindert, braucht wegen der speziellen Regelung in § 1899 Abs. 4 BGB nicht auf § 1899 Abs. 1 BGB zurückgegriffen zu werden (Knittel BtG § 1899 BGB Rn. 22; Spanl Rpfleger 1992, 142/143). Rechtli...

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