Entscheidungsstichwort (Thema)

Private Pflegeversicherung: Aufrechnung gegen einen Pflegegeldanspruch mit Beitragsrückständen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Pflegegeld unterliegt grundsätzlich dem Pfändungsschutz. Dies gilt auch für Pflegegeldleistungen aus einem privaten Versicherungsverhältnis.

2. Die Aufrechnung durch den Versicherer richtet sich bei der privaten Pflegeversicherung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, ergänzt vor allem durch Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes. § 51 SGB I findet keine Anwendung.

3. Private Krankenkassen können gegen Pflegegeldansprüche geschuldete Beiträge bzw. Beitragsrückstände aufrechnen, sofern keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des Zweiten oder Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch vorliegt oder eintritt.

4. Ein Aufrechnungsverbot ergibt sich nicht aus der Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 20.09.2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit einer Aufrechnung durch die Beklagte und Berufungsbeklagte mit dem monatlichen Pflegegeld der Klägerin und Berufungsklägerin streitig. Es besteht eine private Pflegepflichtversicherung unter der Versicherungsnummer xxx-A mit dem Tarif PV mit Tarifstufe PVN. Ein Beihilfeanspruch besteht nicht.

Ausweislich eines Medicproof-Gutachtens vom 13.02.2017 liegen bei der Klägerin seit 01.01.2017 die Voraussetzungen zur Gewährung von Leistungen entsprechend dem Pflegegrad II vor. Daraufhin teilte die Beklagte in einem Schreiben vom 18.04.2017 der Klägerin mit, dass ihr aufgrund des Medicproof-Gutachtens ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 316,00 EUR zustehe, dass aber auch gleichzeitig dieses Pflegegeld verrechnet werde mit entsprechenden Beitragsrückständen. Diese beliefen sich zum 30.06.2017 auf insgesamt 1.676,67 EUR.

Nachdem die Klägerin mehrfach versucht hatte, die Beklagte zur Auszahlung des entsprechenden monatlichen Pflegegeldes zu bewegen, hat die Klägerin mit Schreiben vom 10.05.2017 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Zuletzt hat sie in der mündlichen Verhandlung am 20.09.2017 den Antrag gestellt, die Beklagte zu verpflichten, ihr ab 01.01.2017 ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 316,00 EUR auszuzahlen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20.09.2017 abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht gemäß § 394 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegenüber dem Anspruch der Klägerin auf Pflegegeld mit dem Anspruch aus Beitragsrückständen aufgerechnet. Unstreitig hätten zum 30.06.2017 Beitragsrückstände in Höhe von 1.676,67 EUR bestanden. Ausweislich des § 394 Satz 2 BGB könnten gegen die aus Hilfskassen, worunter die Pflegekasse falle, zu beziehenden Hebungen die entsprechenden geschuldeten Beiträge aufgerechnet werden. Exakt diese Fallkonstellation sei vorliegend gegeben.

Gegen das am 29.09.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.10.2017 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt, mit der sie ihren Antrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren weiterverfolgt hat. Sie hat umfangreiche Schreiben und Unterlagen zu ihren Lebensumständen, ihrem Gesundheitszustand und ihrer finanziellen Lage eingereicht.

Der Senat hat auf eine Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25.01.2018 (Az.: L 5 P 81/16 - juris) hingewiesen. Die Beklagte hat hierzu mitgeteilt, dass die Auszahlung des Pflegegeldes jeden Monat mit dem aktuellen Beitragsrückstand verrechnet werde. Aktuell bestünden somit keine Beitragsrückstände mehr.

Die Stadt S. hat mit Schreiben vom 12.11.2018 mitgeteilt, dass die Klägerin bis einschließlich 31.07.2016 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhalten habe. Die Leistungen seien zum 31.07.2016 wegen ausreichenden Einkommens eingestellt worden. Ein Neuantrag liege aktuell nicht vor.

In der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2018 hat der Senat im Hinblick auf § 193 Abs. 6 S. 5 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) zu bedenken gegeben, dass Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gemäß Auskunft der Stadt S. nur bis 31.07.2016 bezogen wurden. Mit Beschluss ist der Beklagten aufgegeben worden, für die Zeit ab 01.01.2017, getrennt nach Kranken- und Pflegeversicherung, monatlich anzugeben,

a) welche Beitragsforderungen entstanden sind,

b) welche Zahlungen von der Klägerin tatsächlich geleistet wurden,

c) mit welcher Forderung aufgerechnet wurde,

d) ob bei der Aufrechnung auch Rückstände aus früheren Zeiten mit eingeflossen sind.

Der Rechtsstreit ist zur weiteren Sachverhaltsaufklärung vertagt worden.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 22.01.2019 die Saldenentwicklung bei der Krankenversicherung von Juni 2008 bis Dezember 2018 (Saldo am Monatsende zuletzt: 37.679,32 EUR) sowie bei der Pflegeversicherung übersandt. Bei letzterer erfolgte demnach ab April 2017 eine Leistungsverrechnung (Saldo Ende März 2017: 3.243,23 EUR); seit End...

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