Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitssuchende: Schadensersatz wegen verspätet gezahlter Leistungen. Verzinsung von Nachzahlungen aus einem gerichtlichen Vergleich. Amtshaftung. Feststellung von Schäden. Klageänderung

 

Leitsatz (amtlich)

Kein Schadenersatz bei verspätetet ausgezahltem Arbeitslosengeld II außerhalb eines Anspruchs aus Amtshaftung.

Kein Anspruch auf höhere Zinsen als in § 44 SGB I festgelegt.

 

Orientierungssatz

§ 44 SGB I trifft eine Sonderregelung über die Verzinsung von Geldleistungen im Sozialrecht, so dass auch keine Rechtsgrundlage und ein allgemeiner Rückgriff auf die §§ 288 ff BGB möglich ist. Zwar kommt einem gerichtlichen Vergleich im Hinblick auf seine Doppelnatur auch der Charakter eines öffentlich-rechtlichen Vertrages im Hinblick auf die materiell-rechtliche Regelung zu. Jedoch ändert dies nichts daran, dass es sich im Hinblick auf die Verpflichtung zur Leistung um eine solche in Bezug auf Sozialleistungen im Sinne von § 44 SGB I handelt.

 

Normenkette

SGB I § 44; BGB § 839; GG Art. 34; SGG § 99 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 18.01.2017; Aktenzeichen B 14 AS 71/16 BH)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.05.2015 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Verzinsung von Nachzahlungen aus einem Anerkenntnis bzw. Vergleich sowie die Zahlung von Schadensersatz wegen verspätet gezahlter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Kläger bezog vom Beklagten Alg II. Im Rahmen eines Berufungsverfahrens vor dem Bayer. Landessozialgericht (L 11 AS 221/07) hatte der Beklagte im Rahmen eines Anerkenntnisses einen Rücknahmebescheid vom 14.07.2005 in der Fassung des Bescheids vom 06.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.12.2005 aufgehoben und sich zur Nachzahlung von Leistungen aus dem Bewilligungsbescheid vom 07.06.2005 im Hinblick auf das mit Fortzahlungsantrag vom 25.05.2005 beantragte Alg II für die Zeit vom 01.06.2005 bis 30.11.2005 in Höhe von monatlich 636,05 €, soweit noch nicht geschehen, bereit erklärt. Nachdem zunächst eine Zahlung durch den Beklagten nicht erfolgt war, hat der Kläger am 31.12.2010 Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben (S 10 AS 2032/10). Am 04.07.2011 zahlte sodann der Beklagte das Alg II für die Zeit vom 01.06.2005 bis 30.11.2005 in der vollen ursprünglich bewilligten Höhe und für den gesamten Zeitraum nach, obgleich aufgrund eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes (S 8 AS 66/07 ER) bereits die Regelleistung für die Monate September bis November 2005 am 05.03.2007 ausgezahlt worden waren. Der nachgezahlte Betrag wurde mit Bescheid vom 29.06.2011 darüber hinaus für die Zeit vom 01.09.2005 bis 31.07.2008 mit insgesamt 507,70 € verzinst. In den Akten des Beklagten ist der genannte Bescheid nicht adressiert und auch die Verfügung "Bescheid erstellen" nicht abgezeichnet. Mit einem Änderungsbescheid vom 06.05.2014 führte der Beklagte aus, der Bescheid ergehe in Abänderung des Bescheides vom 29.06.2011 und regle die Verzinsung der Nachzahlung für die Zeit von Mai 2005 bis Juli 2008, wobei der errechnete Zinsbetrag in Höhe von 507,70 € bereits überwiesen worden sei.

Nach einem Vergleich im Berufungsverfahren L 11 AS 225/07 vom 31.07.2008 hatte sich der Beklagte verpflichtet, unter Aufhebung des Bescheides vom 18.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2007 - mit diesem war der Fortzahlungsantrag vom 30.11.2005 abgelehnt worden - dem Kläger die Regelleistung für die Zeit vom 01.12.2005 bis 12.11.2007 nachzuzahlen sowie Kosten der Unterkunft iHv 278,66 € auf Nachweis des Klägers in Höhe der tatsächlich gezahlten Unterkunftskosten zu erstatten. Nachdem zunächst eine Auszahlung durch den Beklagten nicht erfolgt war, hat der Kläger am 31.12.2010 Klage beim SG erhoben (S 10 AS 2033/10). Der Beklagte brachte sodann am 22.09.2011 die Regelleistung für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 12.11.2007 in Höhe von 8.081,80 € (Bescheide vom 20.09.2011) zur Auszahlung. Nach Vorlage der Nachweise zu den Kosten der Unterkunft erfolgte am 13.12.2011 die Auszahlung der Unterkunftskosten für den genannten Zeitraum in Höhe von 6.520,65 € (Bescheide vom 13.12.2011).

Mit Beschluss vom 16.11.2011 hat das SG die beiden Klageverfahren S 10 AS 2032/10 und S 10 AS 2033/10 verbunden. Neben der Verzinsung mit einem Zinssatz von 5 % über dem Basiszinssatz hat der Kläger die Auszahlung der nachzuzahlenden Beträge und auch den Ausgleich von Nachteilen begehrt, die sich daraus ergeben hätten, dass er Vergünstigungen für Hartz-IV-Empfänger seinerzeit nicht habe in Anspruch nehmen können. Für den entgangenen billigeren Tarif beim öffentlichen Nahverkehr, für die entgangene Inanspruchnahme von Tafeln, verbilligtem Essen und Einkaufsmöglichkeiten im Sozialkaufhaus etc. seien monatlich 150 € anzusetzen, mithin insgesamt 5.350 €...

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