Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. unangemessene Unterkunftskosten eines ehemaligen Sozialhilfeempfängers. Aufforderung zur Kostensenkung durch Sozialhilfeträger. erneute Einräumung der 6-Monats-Frist. verfassungskonforme Auslegung

 

Orientierungssatz

1. Die Beschränkung der Leistungen für die Unterkunft durch den Sozialhilfeträger nach § 3 Abs 1 S 2 SHRegelSatzV aF auf das Angemessene wirkt - unabhängig von ihrer Bestandskraft - nicht über den 31.12.2004 fort. Die Reduzierung der Leistungen für Unterkunft auf das Angemessene ist keine Minderung der Leistungen zum Lebensunterhalt durch den Sozialhilfeträger iS von § 65e Abs 2 SGB 2.

2. Der Grundsicherungsträger hat daher das Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 ab dem 1.1.2005 neu zu prüfen und bei Unzumutbarkeit der Senkung der Unterkunftskosten bzw eines Wohnungswechsels eine erneute Übergangszeit einzuräumen.

3. Auch wenn die bisherigen Bemühungen des Arbeitsuchenden nicht den Anforderungen an eine ernsthafte und intensive Wohnungssuche genügen, kann ihm eine Obliegenheitsverletzung bzw ein Ablauf der 6-Monats-Frist nicht vorgehalten werden, wenn er bisher nicht hinreichend darüber aufgeklärt wurde, in welcher Weise und mit welcher Intensität er nach einer angemesseneren Unterkunft suchen muss und welche Nachweise er dafür zu erbringen hat.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 07.11.2006; Aktenzeichen B 7b AS 10/06 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 7. Juli 2005 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 17. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2005 verurteilt, der Klägerin und ihrem Ehemann für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2005 höhere Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten zu zahlen.

II. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin und ihrem Ehemann nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.01. bis 30.04.2005 Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe zustehen.

Die 1948 geborene Klägerin bezog zusammen mit ihrem Ehemann im Jahr 2004 Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Mit Schreiben vom 03.06.2004 teilte das Sozialamt des Landkreises N. dem Ehepaar mit, die bisher übernommenen Unterkunftskosten in Höhe von damals 448,70 EUR (Kaltmiete) seien unangemessen hoch. Die angemessene Kaltmiete betrage bei einer angemessenen Wohnungsgröße von 65 qm für zwei Personen maximal 310 EUR. Es wurde weiter ausgeführt: "Es wird Ihnen deshalb nahe gelegt, sich unverzüglich um eine Wohnung mit einer angemessenen Miete zu bemühen. Ein Wohnungswechsel ist Ihnen zumutbar. Sie werden gebeten, Ihre Bemühungen um eine billigere Wohnung nachzuweisen. Sollten Sie diese Bemühungen nicht nachweisen, wird die derzeitige Miete bis längstens 30.09.2004 berücksichtigt. Ab Oktober werden dann nur noch die angemessenen Kosten der Unterkunft anerkannt. Sie werden darauf hingewiesen, dass bei Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG) grundsätzlich nur die angemessene Warmmiete berücksichtigt wird. Diese beträgt bei zwei Personen 362 EUR." Am 01.08.2004 zogen die Klägerin und ihr Ehemann in eine neue Wohnung in B., deren Kaltmiete (ohne Garage) für 93 qm 420 EUR zuzüglich 100 EUR Betriebskosten betrug.

Mit Bescheid vom 29.07.2004, gegen den die Klägerin am 02.08. 2004 Widerspruch eingelegte, hat das Sozialamt des Landkreises N. die Zustimmung zu diesem Umzug aufgrund der Unangemessenheit der Kosten für die neue Wohnung abgelehnt und der Klägerin ab 01.08.2004 nur noch die als angemessen angesehenen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 175,84 EUR (1/2 von 351,67 EUR, die sich zusammensetzen aus 260 EUR Kaltmiete, 50 EUR Nebenkosten und 50 EUR Heizkosten abzüglich 8,33 EUR für Warmwasser) gewährt.

Mit Bescheid vom 17.12.2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann für die Zeit vom 01.01. bis 30.04.2005 Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung der von ihr als angemessen angesehenen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von jeweils 175,83 EUR. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Berechnung der Kosten für Unterkunft und Heizung sei nicht nachvollziehbar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.04.2005 wurde der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, die Kosten der Wohnung seien unangemessen. Die Klägerin sei mit Schreiben vom 03.06.2004 auf die Unangemessenheit der damaligen Unterkunftskosten hingewiesen worden und sie sei dennoch zum 01.08.2004 in eine noch teurere Wohnung gezogen. Daher sei ihr zum 01.01.2005 eine Reduzierung der Unterkunftskosten auf das Angemessene zuzumuten gewesen. Die angemessenen Kosten für eine Wohnung von 65 qm würden 245 EUR Kaltmiete, 65 EUR Nebenkosten und 50 EUR Heizkosten abzüglich 8...

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