Entscheidungsstichwort (Thema)

Kranken- und Pflegeversicherung. Beitragspflicht von Versorgungsbezügen. Lebensversicherung. Hinterbliebenenversorgung. Auszahlung einer Kapitalleistung an eine überlebende Waise

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine an einen bezugsberechtigten Hinterbliebenen aus einer im Wege der Direktversicherung begründeten Lebensversicherung ausgezahlte Kapitalleistung ist auch dann beitragspflichtiger Versorgungsbezug nach § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V (Rente der betrieblichen Altersversorgung), wenn der Hinterbliebene zuvor nicht vom Versicherten wirtschaftlich abhängig, zum Beispiel unterhaltsberechtigt, war.

2. Ein Fall der Hinterbliebenenversorgung liegt bereits dann vor, wenn die Einsetzung der hinterbliebenen Person als Bezugsberechtigte eine freiwillige Zuwendung zu ihren Gunsten, etwa im Sinne einer nicht nach § 1601 BGB geschuldeten Unterhaltsleistung, darstellt. Auch in diesem Fall weist die Einnahme die vom § 229 Abs 1 SGB V geforderte Unterhaltsersatzfunktion auf.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 26.02.2019; Aktenzeichen B 12 KR 12/18 R)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27.04.2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung aus einer Lebensversicherung.

Die 1978 geborene Klägerin ist bei den Beklagten kranken- und pflegeversichert. Am 16.04.2013 erhielt sie von der S. a.G. eine Kapitalleistung in Höhe von 82.548,64 Euro ausbezahlt.

Nachdem die Beklagten hiervon Kenntnis erlangt hatten, erließ die Beklagte zu 1, auch für die Beklagte zu 2, am 13.06.2013 einen Beitragsbescheid und zog die Kapitalleistung für einen Zeitraum von zehn Jahren zur Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung heran. Die Beiträge setzte die Beklagte zu 1 mit monatlich 106,63 Euro zur Kranken- und 14,10 Euro zur Pflegeversicherung fest, beginnend zum 01.05.2013. Dem Bescheid war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt.

Mit Schreiben vom 19.12.2013 verlangte die Klägerin die sofortige Rückerstattung der von ihr gezahlten Beiträge. Es gebe keine rechtliche Grundlage für die Verbeitragung der Leistung. Sie widerrufe außerdem mit sofortiger Wirkung die Einzugsermächtigung.

Mit Bescheid vom 20.12.2013 mahnte die Beklagte zu 1 die fehlende Zahlung der weiteren Beiträge an und erhob Mahngebühren und Säumniszuschläge.

In der Folge ließ die Klägerin anwaltlich Widerspruch gegen die ergangenen Bescheide vom 13.06.2013 und vom 20.12.2013 einlegen sowie einen Antrag nach § 44 SGB X stellen. Sie habe den Anspruch auf die Leistung als Alleinerbin ihres verstorbenen Vaters erworben, der Versicherungsnehmer gewesen sei. Die Urteile des BSG seien mit dem hier vorliegenden Fall nicht vergleichbar, da die Versicherungsleistung für den Erblasser beitragsfrei gewesen wäre. Der Bevollmächtigte der Klägerin berief sich auf das Urteil des Senats vom 18.04.2012 (L 4 KR 109/09).

Nachdem die Klägerin die offenen Beiträge trotz weiterer Mahnung vom 23.01.2014 (und dortiger Ankündigung des Ruhens von Ansprüchen) nicht beglichen hatte, erklärte die Beklagte zu 1 mit Bescheid vom 12.02.2014 das Ruhen von Leistungsansprüchen. Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.

Mit Bescheid vom 24.02.2014 lehnte die Beklagte zu 1 den Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X ab.

Mit Datum vom 21.02.2014 erklärte die Klägerin die Kündigung des Versicherungsverhältnisses.

Mit Schreiben vom 28.02.2014 gab die S. a.G. Auskunft über die ausgezahlte Kapitalleistung. Die vollständige Auszahlsumme habe sich auf 133.328,10 Euro belaufen. Die Leistung unterteile sich dabei in 82.548,64 Euro Anteil betriebliche Altersvorsorge und 50.779,46 Euro Anteil private Altersvorsorge. Der Vertrag sei zum 01.07.1989 als Direktversicherung für den Vater der Klägerin abgeschlossen worden. Nachdem dieser zum 01.05.2009 in Ruhestand getreten sei, habe er den Vertrag privat fortgeführt. Das Bezugsrecht im Todesfall habe auf die Klägerin gelautet.

In der Folge beglich die Klägerin die ausstehenden Beitragsschulden, so dass die Beklagte zu 1 mit Schreiben vom 14.03.2014 das Ende des Ruhens der Leistungen erklärte.

Mit Schreiben vom 18.03.2014 führte die Klägerin weiter aus, dass die erhaltene Leistung keine Unterhaltsersatzfunktion habe, da sie berufstätig sei. Sie sei weder auf Unterhaltszahlungen ihres Vaters angewiesen gewesen, noch habe ein Unterhaltsanspruch bestanden.

Die Beklagte zu 1 wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2014 zurück. Zur Begründung verwies sie auf die Inhalte des Schreibens der S. a.G., wonach der Anteil der betrieblichen Altersvorsorge beitragspflichtig sei. Der Erblasser habe der Klägerin bewusst das alleinige Bezugsrecht eingeräumt, um bewusst zu deren Gunsten zu sparen. Die Tatsache, dass die Klägerin nicht unterhaltsbedürftig sei, könne hierbei keine Rolle spielen. Nachdem die fälligen Beiträge nicht fristgerecht gezahlt worden seie...

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