Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Rückwirkende Aufhebung einer Leistungsbewilligung bei rückwirkender Bewilligung einer Rente

 

Leitsatz (amtlich)

Keine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Alg II, wenn eine Rente rückwirkend bewilligt wird, aber eine Auszahlung wegen einer Leistungserstattung des Rententrägers gegenüber dem Grundsicherungsträger erfolgt.

 

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 17.02.2011 wird aufgehoben. Insoweit wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 19.05.2011 teilweise aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat dem Kläger 1/4 seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der zu gewährenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.07.2010 bis 31.12.2010 insbesondere in Bezug auf einen ernährungsbedingten Mehrbedarf und die Unterkunftskosten.

Nach seinem Umzug aus dem M.-Kreis bezog der Kläger ab 01.11.2005 Alg II vom Beklagten. Er leidet insbesondere unter einer Laktose- und Fruktoseintoleranz. Nach dem Mietvertrag der bis zum 30.11.2011 bewohnten Wohnung und der Bescheinigung der Vermieterin betrug die Miete zunächst 305 € (Kaltmiete 220 €, kalte Nebenkosten 45 € und Heizung 40 €) und wurde vom Beklagten - gemäß der Vereinbarung im Mietvertrag - bis 31.10.2009 direkt an die Vermieterin überwiesen. Das 4,3 qm große Badezimmer konnte nur mit Strom beheizt werden.

Am 20.07.2009 ging beim Beklagten eine Mitteilung der Vermieterin ein, wonach ab 01.11.2009 die monatliche Miete 250 € betrage, für Nebenkosten seien 60 € und für Heizkosten 58 € zu zahlen. Nach entsprechendem Hinweis im Bescheid vom 23.07.2009 berücksichtigte der Beklagte ab 01.11.2009 nur noch Unterkunftskosten iHv 282 € (Mietobergrenze) und Heizkosten iHv 48,33 € (5/6 von 58 €) zzgl. Heizstrom iHv 9 €. Ergänzend führte der Beklagte unter dem 06.11.2009 aus, die Mieterhöhung um 30 € sei nicht rechtens, da zB die Anführung von drei Vergleichsmieten im Mieterhöhungsverlangen nicht erfolgt sei. Bis 30.04.2010 erfolgte aufgrund eines entsprechenden Antrages des Klägers keine direkte Überweisung der Miete an die Vermieterin mehr. Mit Schreiben vom 20.03.2010 führte der Kläger aus, seine Vermieterin würde Bruttomietzinsen iHv 420 € verlangen. Wer dies bezahlen solle, sei unklar. Wegen einer Mietminderung führe er mit seiner Vermieterin einen Rechtsstreit. Nach einem vom Kläger vorgelegten Schreiben vom 11.03.2010 an seine Vermieterin forderte er diese auf, verschiedene Mängel in der Wohnung zu beseitigen und Reparaturen vorzunehmen. Andernfalls drohte er mit einer Mietminderung von mindestens 30%. Der Beklagte teilte darauf im Änderungsbescheid vom 23.03.2010 mit, er werde ab 01.05.2010 die Miete wieder direkt an die Vermieterin weiterleiten. Aufgrund der vom Kläger gemachten Angaben sei eine Sicherstellung der Zahlung durch ihn nicht gewährleistet.

Mit Bescheid vom 07.07.2010 bewilligte der Beklagte vorläufig Alg II für die Zeit vom 01.07.2010 bis 31.12.2010 iHv monatlich 775,33 € (359 € Regelleistung, 77 € ernährungsbedingter Mehrbedarf, 250 € Grundmiete, 41 € Nebenkosten und 48,33 € Heizkosten). Die monatliche Miete iHv 338 € werde weiterhin an die Vermieterin überwiesen. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Ihm seien höhere Leistungen insbesondere im Hinblick auf die Ausübung eines Umgangsrechts, krankheitsbedingte Mehrkosten, einen ernährungsbedingten Mehrbedarf von ca. 1.000 € monatlich und die tatsächlichen Unterkunftskosten zu gewähren. Zudem verlange er aus verschiedenen Gründen Schadenersatz. Eine Erlaubnis zur Direktüberweisung der Miete habe er nicht erteilt. Die Höhe der Berücksichtigten Heizstromkosten sei an die gestiegenen Stromkosten anzupassen. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 04.02.2011 teilte die Deutsche Rentenversicherung Nordbayern (DRV) dem Beklagten mit, der Kläger erhalte ab 01.11.2010 bis 30.04.2012 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Arbeitsmarkte iHv monatlich 610,43 € (Auszahlung ab 01.03.2011). Die Nachzahlung betrage 2.445,80 €. Der Beklagte zeigte daraufhin unter dem 15.02.2011 einen Erstattungsanspruch für die Zeit vom 01.11.2011 bis 28.02.2012 gegenüber der DRV an, der im Februar 2011 entsprechend befriedigt wurde, und änderte mit Bescheid vom 17.02.2011 die Bewilligung des Alg II unter Anrechnung der Rente für die Zeit vom 01.11.2010 bis 31.12.2010 auf monatlich 192,86 € (für Unterkunft und Heizung) ab.

Am 11.05.2011 ging beim Beklagten eine Mietbescheinigung der Vermieterin ein, wonach die Miete seit 01.10.2005 monatlich 220 € zzgl. 60 € Hauskosten und 58 € Heizkosten betrage. Die Hauskostenvorauszahlung "müsste" auf 85 € erhöht werden, da der Wasserverbrauch des Klägers sehr hoch sei. Im Rahmen einer Vorsprache gab di...

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