Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenversicherung. Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder. Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler. privat finanzierter Anteil einer Direktversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichteten Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) sind nicht zu beanstanden.

2. Bei freiwilligen Mitgliedern sind in Anwendung der §§ 240 SGB V mit §§ 3, 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler auch die privat finanzierten Anteile einer Direktversicherung der Beitragspflicht zu unterwerfen, wenn auch mit dem ermäßigten Beitragssatz.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 5. September 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Verbeitragung des von der Klägerin privat finanzierten Anteils der V. Lebensversicherung AG in Höhe von 27.717,21 Euro streitig.

Die 1949 geborene Klägerin ist als Rentnerin seit dem 01.01.2010 freiwilliges Mitglied der Beklagten. Zum Fälligkeitszeitpunkt 01.12.2009 erhielt sie von der V. Lebensversicherung AG eine einmalige Kapitalleistung in Höhe von 66.032,10 Euro ausgezahlt.

Die Beklagte bewertete diesen Betrag zunächst in voller Höhe als Leistung der betrieblichen Altersversorgung und teilte deshalb der Klägerin mit streitigem Bescheid vom 04.01.2010 mit, dass die Kapitalleistung in voller Höhe beitragspflichtig sei. Ferner wurde die Klägerin darüber informiert, dass dieser Einmalbetrag auf zehn Jahre (120 Monate) umzurechnen sei.

Zur Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs führte die Klägerin im Wesentlichen aus, dass die steuervermindernde Versicherungsleistung statt 66.032,10 Euro lediglich anteilig 49.524,08 Euro betrage. Danach seien monatlich 412,70 Euro anzusetzen.

Im weiteren Verlauf wurde das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unter anderem in dem Verfahren 1 BvR 739/08 ruhend gestellt.

Mit Schreiben vom 09.03.2011 bestätigte die V. Lebensversicherung der Klägerin gegenüber, dass der ursprünglich im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossene Vertrag am 01.05.2002 auf sie übertragen und danach mit eigenen Beiträgen von ihr fortgeführt worden sei. Aus den bis zum 01.05.2002 gezahlten Beiträgen hätten sich Ansprüche in Höhe von 38.314,89 Euro ergeben.

Mit weiterem streitigen Bescheid vom 05.04.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Beiträge in Höhe von 19,46 Euro zurückerstattet würden.

Mit weiterem streitigen Bescheid vom 05.04.2011 wurde die Berechnung der Beiträge aufgeschlüsselt. Daraus geht hervor, dass der Beitragsbemessung Versorgungsbezüge in Höhe von 319,29 Euro (arbeitgeberbezogener Anteil der Kapitalleistung) sowie sonstige Einnahmen in Höhe von 230,98 Euro (eigener Anteil der Kapitalleistung) zugrunde gelegt wurden.

Daraus ergaben sich Beiträge wie folgt:

01.01.2010 bis 30.06.2010

Krankenversicherung

279,87 Euro

Pflegeversicherung

41,53 Euro

insgesamt

321,40 Euro

01.07.2010 bis 31.12.2010

Krankenversicherung

303,94 Euro

Pflegeversicherung

45,21 Euro

insgesamt

349,15 Euro

ab 01.01.2011

Krankenversicherung

316,27 Euro

Pflegeversicherung

45,21 Euro

insgesamt

361,48 Euro.

Mit Schreiben vom 11.04.2011 legte die Klägerin Widerspruch gegen die Festsetzung ihres Einkommens bezüglich der "sonstigen Einnahmen" in Höhe von 230,98 Euro ein. Sie gehe davon aus, dass lediglich der Betrag in Höhe von 38.314,89 Euro der 10-Jahres-Beitragsbemessung unterliege und die restliche Summe - genau wie Kapital aus Lebensversicherung bzw. sonstiges Kapital - über die Verzinsung beitragspflichtig sei.

Hierzu führte die Beklagte mit Schreiben vom 15.04.2011 aus, dass bei freiwilligen Versicherten im Gegensatz zu pflichtversicherten Mitgliedern grundsätzlich alle Einnahmen zugrunde zu legen seien, damit die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt werde. Der Anteil, den die Klägerin aufgrund ihrer eigenen Beitragsleistung erwirtschaftet habe, sei als sonstige Einnahme anzusehen, die ihr zur Verfügung stehe und daher ebenfalls zur Beitragsberechnung heranzuziehen. Dieser Anteil in Höhe von 27.717,21 Euro werde aber jedoch lediglich mit dem ermäßigten Beitragssatz verbeitragt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.2012 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Als beitragspflichtige Einnahme freiwilliger Mitglieder würden alle Einnahmen und Geldmittel gelten, die zum Lebensunterhalt verbraucht würden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung (§ 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler). Somit sei der privat finanzierte Anteil der Lebensversicherung in Höhe von 27.717,21 Euro - anders als bei Pflichtversicherten - beit...

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