Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Tod des Pflegebedürftigen. fehlende Aktivlegimitation der Pflegeperson für die Geltendmachung des Anspruchs auf Pflegegeld in eigenem Namen. Sonderrechtsnachfolge. Patientenverfügung. Betreuungsverfügung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur fehlenden Aktivlegimitation der Pflegeperson für die Geltendmachung des Anspruchs auf Pflegegeld in eigenem Namen.

2. Aus einer Patientenverfügung oder Betreuungsverfügung kann eine Sonderrechtsnachfolge nicht abgeleitet werden.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 25. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 1.519,33 EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II für die Zeit vom 20. Dezember 2010 bis März 2011 für die Pflege seines Stiefvaters. Er war Betreuer des 1929 geborenen und 2011 verstorbenen C., der sein Stiefvater war.

Der bei der Beklagten versicherte B. beantragte am 20. Dezember 2010 die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung.

Die Beklagte holte ein Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes vom 7. Februar 2011 ein. Der Versicherte lebe allein in einer 4-Zimmer-Altbauwohnung in A-Stadt. Die Wohnung befinde sich in einem desolaten Zustand. Die Pflegeperson - der Kläger - übernehme die hauswirtschaftliche und bei Bedarf die pflegerische Versorgung. Zurzeit könne er diese Aufgaben nur eingeschränkt übernehmen. Als pflegebegründende Diagnose bestehe eine altersabhängige Abnahme kognitiver Funktionen sowie ein Immobilitätssyndrom. Der zeitliche Bedarf in der Grundpflege betrage 60 Minuten, in der Hauswirtschaft 45 Minuten. Mit zunehmendem kognitiven und körperlichen Abbau sei mittelfristig zu rechnen. Allerdings könne die derzeitige Pflegeperson die nötige Versorgung nicht erbringen. Die vorgesehene Einschaltung eines ambulanten Dienstes erscheine nicht ausreichend.

Mit Bescheid vom 3. März 2011 lehnte die Beklagte, obwohl die Voraussetzungen der Pflegestufe I vorlägen, die Gewährung von Pflegegeld ab, da die Pflege und Versorgung durch die Pflegeperson nicht ausreichend sichergestellt sei. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2011 zurück.

Mit der am 20. April 2011 beim Sozialgericht Augsburg eingegangenen Klage hat der Kläger die Zahlung von Pflegegeld der Pflegestufe II im Zeitraum vom 20. Dezember 2010 bis März 2011 verfolgt. Der Kläger hat mitgeteilt, dass er durch den Versicherten nicht wesentlich unterhalten worden sei und er und alle Erben nach dessen Tod die Erbschaft ausgeschlagen hätten. Er habe bis zum Tod des Versicherten ausschließlich die Pflegeleistungen erbracht. Der Stiefvater habe ab 2. Januar 2011 bei ihm und von Ende März 2011 bis April 2011 in C. gewohnt. Das Pflegegeld stehe deshalb ihm und nicht den Erben zu. Das Sozialgericht hat darauf hingewiesen, dass das Pflegegeld nach § 37 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI) dem Pflegebedürftigen und nicht der Pflegeperson zustehe.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 25. Oktober 2011 abgewiesen und den Streitwert auf 1.519,33 EUR festgesetzt. Nach dem Tod des pflegebedürftigen Versicherten sei der Kläger nicht berechtigt, den Anspruch gegen die Beklagte geltend zu machen. Er sei weder Sonderrechtsnachfolger seines verstorbenen Stiefvaters nach § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I) geworden noch habe er seinen Stiefvater beerbt. Zur Zeit des Todes habe der Kläger nicht mit seinem Stiefvater in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Dabei sei auf die letzte, auf Dauer gerichtete Änderung der maßgeblichen Verhältnisse abzustellen, die ohne den Tod wahrscheinlich fortbestanden hätten. Vorliegend sei der Stiefvater am 5. April 2011 von seiner Nichte zu sich nach C. genommen worden. Diese Änderung sei auf Dauer angelegt gewesen. Auch zuvor habe der Kläger nur vorübergehend mit seinem Stiefvater in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Wesentlich unterhalten worden sei der Kläger von seinem Stiefvater nach eigenen Angaben nicht. Schließlich habe der Kläger auch das Erbe ausgeschlagen. Die Kostenentscheidung beruhe auf der anzuwendenden Regelung des § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10. November 2011 zugestellt worden. Am Montag, den 12. Dezember 2011, ist die Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingegangen (Az. zunächst: L 2 KN 7/11 P). Durch eine als "Patientenverfügung" bezeichnete Erklärung des verstorbenen Versicherten vom 5. Mai 2001 in Verbindung mit der Ergänzung vom 17. November 2009, die vorgelegt wurden, habe dieser festgelegt, dass seine Betreuung und Pflege durch den Kläger erfolgen solle. Darüber hinaus habe der Kläger die Pflege auch tatsächlich in dem geltend gemachten Zeitraum vorgenommen. Es widerspreche dem Grundgedanken aller billig und gerecht Denkenden, wenn derjenige, der die ...

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