Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Im Feststellungsverfahren nach § 69 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit §§ 114 121 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) nur in Ausnahmefällen in Betracht. Ein solcher Ausnahmefall ist z.B. dann gegeben, wenn Funktionsstörungen vorliegen, die sich vor allem auf die Kommunikationsfähigkeit des betreffenden Klägers auswirken.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin vom 19.02.2009 wird der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 13.02.2009 - S 9 SB 112/08 - aufgehoben und der Klägerin auf Antrag vom 28.02.2008 Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlung unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwalt R. S. gewährt.

 

Gründe

I.

Die Klägerin und hiesige Beschwerdeführerin ist schwerbehindert im Sinne von §§ 2 Abs.2, 69 Abs.1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX). Der Grad der Behinderung (GdB) ist mit 100 höchstmöglich festgestellt. Streitig ist zwischen den Parteien die Feststellung der Merkzeichen "aG" und "RF".

Der Beklagte und hiesige Beschwerdegegner hat mit dem streitgegenständlichen Änderungsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Oberpfalz vom 25.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 28.01.2008 den GdB ab 06.08.2007 mit 100 festgestellt sowie die Merkzeichen "G" und "B" zuerkannt. Hierbei sind nachstehende Gesundheitsstörungen berücksichtigt worden:

Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen, Nervenwurzelreizerscheinungen, Wirbelgleiten, Osteoporose im Kniegelenk beidseits (Einzel-GdB 60);

künstlicher Teilgelenkersatz beider Schultergelenke, Funktionsbehinderung beider Schultergelenke (Einzel-GdB 50);

Schwerhörigkeit beidseits (Einzel-GdB 30);

cerebrale Minderdurchblutung mit funktionellen Auswirkungen (Einzel-GdB 30);

Bluthochdruck (Einzel-GdB 20);

Zuckerkrankheit (Einzel-GdB10).

In dem sich anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Regensburg bereits ein ärztliches Gutachten gemäß §§ 103, 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingeholt. Dr.J. W. hat mit internistischem Fachgutachten vom 22.10.2008 die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" ab Oktober 2008 befürwortet, die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" jedoch verneint.

Das entsprechende Vergleichsangebot des Beklagten vom 08.01.2009 ist von den Bevollmächtigten der Klägerin bislang nicht angenommen worden. Diese haben mit Schriftsatz vom 28.01.2009 mitgeteilt, dass sie ihrer Mandantin zwar empfohlen hätten, das Vergleichsangebot des Beklagten vom 08.01.2009 anzunehmen und auch die Klage zurückzunehmen. Vorab werde aber gebeten, über die schriftsätzlich am 28.02.2008 beantragte Prozesskostenhilfe zu entscheiden.

Das Sozialgericht Regensburg hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 13.02.2009 abgelehnt. Vorliegend sei es gemäß § 73a SGG in Verbindung mit § 121 Abs.2 der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht erforderlich, der Klägerin einen Rechtsanwalt ihrer Wahl beizuordnen. Der Rechtsstreit sei weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht schwierig. Der Sachverhalt sei auch in keiner Weise besonders schwer von Amts wegen aufklärbar gewesen. Auch habe der Beklagte zugunsten der Antragstellerin sämtliche Umstände zu beachten, die zu einer Entscheidung über einen Anspruch erforderlich seien. Daneben habe der Beklagte die Interessen der Sozialgemeinschaft zu wahren, zu der auch die Klägerin selbst gehöre.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde vom 19.02.2009 ging am 20.02.2009 beim Sozialgericht Regensburg ein. Dieses legte den Gesamtvorgang dem Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) zur Entscheidung vor.

Auf Anfrage des BayLSG vom 06.04.2009 übermittelten die Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin eine aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.

II.

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist gemäß den §§ 73a, 172 ff. SGG in Verbindung mit § 127 Abs.2 Satz 2 ZPO zulässig und begründet.

Das Sozialgericht Regensburg hat mit Beschluss vom 13.02.2009 - S 9 SB 112/08 - grundsätzlich zutreffend darauf abgestellt, dass in Verfahren nach dem Schwerbehindertengesetz (nunmehr: SGB IX) die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 121 Abs.2 ZPO regelmäßig nicht erforderlich ist. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BayLSG (vgl. zuletzt Beschluss vom 03.11.2008 - L 15 B 899/08 SB PKH -).

Die Beiordnung eines Rechtsanwalts kommt in Verfahren wie dem vorliegenden nur in Ausnahmefällen in Betracht. Das Bundesverfassungsgericht hat seinen Beschluss vom 18.12.2001 - 1 BvR 391/01 - mit Beschluss vom 22.06.2007 - 1 BvR 681/07 - fortgeführt. Ob die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich im Sinne des § 121 Abs.2 ZPO erscheine, beurteile sich nicht nur nach Umfang und Schwierigkeit der ...

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