Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenfestsetzung. Beschwerde. erstattungsfähige Geschäftsgebühr für anwaltliches Tätigwerden im Vorverfahren. Anrechnung auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens. Kostenfestsetzung/Erinnerung. Beschwerde des Klägers

 

Leitsatz (amtlich)

Der Grundsatz, dass die in Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG geregelte Anrechnung einer wegen desselben Gegenstandes entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG für anwaltliches Tätigwerden im vorprozessualen Verwaltungsverfahren auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens nach Nr. 3100 VV RVG nur das Verhältnis zwischen Auftraggeber/Mandant und Rechtsanwalt betrifft und die Verpflichtung der kostentragungspflichtigen Partei zur Erstattung der vollen Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens unberührt lässt (OVG NRW vom 25.4.2006 NJW 1006, 1991; BayVGH vom 10.7.2006 BayVBl 2007, 157/158 = NJW 2007, 170), gilt dann nicht, wenn die Geschäftsgebühr ausnahmsweise gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO selbst erstattungsfähig ist.

 

Normenkette

GKG § 66 Abs. 2, 8; VwGO §§ 164, 162 Abs. 2 S. 2; VV RVG Vorbemer. 3 Abs. 4 S. 1

 

Verfahrensgang

VG Würzburg (Entscheidung vom 28.02.2007; Aktenzeichen W 4 M 07.44)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde (§ 66 Abs. 2 GKG) ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Erinnerung des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. November 2006 zu Recht zurückgewiesen. Die in der Kostenfestsetzung (§ 164 VwGO) gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG – Vergütungsverzeichnis (VV RVG) – vorgenommene hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG für das Tätigwerden des Bevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren auf die nach Nr. 3100 VV RVG im gerichtlichen Verfahren entstandene Verfahrensgebühr ist rechtlich nicht zu beanstanden.

1. Allerdings teilt der Senat die mittlerweile ganz überwiegend vertretene Auffassung, dass die Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG, die bestimmt, dass eine wegen desselben Gegenstandes entstandene Geschäftsgebühr nach Nrn. 2300 bis 2303 VV RVG für vorprozessuales anwaltliches Tätigwerden im Verwaltungsverfahren zur Hälfte, höchstens jedoch mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens nach Nr. 3100 VV RVG angerechnet wird, grundsätzlich nur das Verhältnis zwischen Auftraggeber/Mandant und Rechtsanwalt betrifft, in der Kostenfestsetzung gemäß § 164 VwGO folglich nicht zu berücksichtigen ist und die Verpflichtung des kostentragungspflichtigen Beteiligten zur Erstattung der vollen Verfahrensgebühr unberührt lässt (grundlegend OVG NRW vom 25.4.2006 NJW 1006, 1991; verallgemeinernd BayVGH – 4. Senat – vom 10.7.2006 BayVBl 2007, 157/158 = NJW 2007, 170; dieser Entscheidung folgend BayVGH – 24. Senat – vom 17.11.2006 Az. 24 C 06.2463 und 2466; vom 5.1.2007 Az. 24 C 06.2052; jetzt auch BayVGH – 19. Senat – vom 7.12.2006 Az. 19 C 06.2279; anders noch BayVGH – 19. Senat – vom 6.3.2006 NJW 2006, 1990 und BayVGH 10. Senat – vom 3.11.2005 Az. 10 C 05.1131). Für diese Rechtsauffassung spricht insbesondere die Systematik der §§ 161 ff. VwGO. Die Kostenfestsetzung gemäß § 164 VwGO kann sich nämlich nur auf Kosten erstrecken, die Gegenstand der gerichtlichen Kostengrundentscheidung (§ 161 VwGO) über die in § 162 VwGO definierten erstattungsfähigen Kosten sind. Gebühren eines Rechtsanwalts sind gemäß § 162 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 VwGO aber grundsätzlich nur erstattungsfähig, soweit diese im Gerichtsverfahren entstanden sind; Gebühren für anwaltliches Tätigwerden in einem vorprozessualen Verwaltungsverfahren sind – vom Sonderfall des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO abgesehen, der Gebühren für anwaltliches Tätigwerden in einem Vorverfahren betrifft, für das das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig erklärt hat – demgegenüber grundsätzlich nicht erstattungsfähig und damit auch von der gerichtlichen Kostengrundentscheidung nicht umfasst. Sie sind deshalb auch im Rahmen der Kostenfestsetzung gemäß § 164 VwGO nicht zu berücksichtigen, also weder in dem auf Antrag festzusetzenden Betrag der zu erstattenden Kosten ansetzbar noch auf die ansetzbare Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anrechenbar (OVG NRW vom 25.4.2006 a.a.O.).

Eine Anrechnung hätte im Regelfall auch eine vom Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollte Ungleichbehandlung zur Folge. Sie würde nämlich zu einer sinnwidrigen Benachteiligung derjenigen obsiegenden Partei führen, deren Bevollmächtigter bereits vorprozessual tätig war, weil diese Partei gegenüber dem zur Kostentragung verurteilten Gegner nur einen Erstattungsanspruch in Höhe einer hälftig geminderten Verfahrensgebühr hätte, während diejenige obsiegende Partei, die den Anwalt nur für das gerichtliche Verfahren eingeschaltet hat, die Verfahrensgebühr ungemindert ersetzt verlangen könnte (OVG NRW vom 25.4.2006 a.a.O.; ausführlich BayVGH 4. Senat – vom 10.7.2006 a.a.O.).

2. Als Ausnahme zu diesem Grundsa...

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