Leitsatz

Wohnungseigentümer sind berechtigt, einen Mängelanspruch zu vergemeinschaften, der nur einem Wohnungseigentümer zusteht.

 

Normenkette

§ 637 Abs. 3 BGB; §§ 10 Abs. 6 Satz 3, 21 Abs. 3 WEG

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer L, der vom Bauträger B 4 Wohnungseigentumsrechte erwirbt, vereinbart mit B, dass die Wohnungseigentumsanlage, ein ehemaliges "Herrenhaus", grundlegend saniert wird und nach Fertigstellung "Neubauqualität" unter Berücksichtigung der Auflagen des Denkmalschutzes hat.
  2. Im Oktober 2009 vergemeinschaften die Wohnungseigentümer L's Mängelansprüche (= weisen sie der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Ausführung zu). Sie ermächtigen Verwalter V ferner, Klage auf Zahlung eines Vorschusses zur Beseitigung der Mängel im Bereich der Fassade zu erheben.

    § 637 BGB (Selbstvornahme)

    (1) Der Besteller kann wegen eines Mangels des Werkes nach erfolglosem Ablauf einer von ihm zur Nacherfüllung bestimmten angemessenen Frist den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn nicht der Unternehmer die Nacherfüllung zu Recht verweigert.

    (2) § 323 Abs. 2 BGB findet entsprechende Anwendung. Der Bestimmung einer Frist bedarf es auch dann nicht, wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen oder dem Besteller unzumutbar ist.

    (3) Der Besteller kann von dem Unternehmer für die zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Aufwendungen Vorschuss verlangen.

  3. Auf dieser Grundlage klagt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen B auf Vorschuss zur Beseitigung von Rissen der Fassade. B meint, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei nicht berechtigt, diesen Anspruch durchzusetzen. Er habe nur dem Erwerber L eine Sanierung versprochen. Eine Vergemeinschaftung von L's Anspruch sei nicht möglich. Die Vereinbarung der „Neubauqualität„ betreffe im Übrigen nicht die Fassade.
 

Die Entscheidung

  1. Das Gericht gibt der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Recht! Diese sei berechtigt, auf Vorschuss zu klagen. Die Wohnungseigentümer könnten im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung die Ausübung der auf die ordnungsmäßige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums gerichteten Rechte der einzelnen Erwerber aus den Verträgen mit dem Veräußerer, die nicht ihrer Natur nach gemeinschaftsbezogen sind, durch Beschluss auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer "übertragen" (Hinweis auf BGH v. 6.3.2014, VII ZR 266/13, NJW 2014 S. 1377; BGH v. 19.8.2010, VII ZR 113/09, NJW 2010 S. 3089; BGH v. 15.1.2010, V ZR 80/09, NJW 2010 S. 933 Rn. 7). Diese sei dann für die Durchsetzung der auf die Beseitigung von Mängeln des gemeinschaftlichen Eigentums gerichteten Ansprüche zuständig (Hinweis auf BGH v. 12.4.2007, VII ZR 236/05, NJW 2007 S. 1952). Die gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG erforderliche "Übertragung der Erwerberrechte" durch Beschluss mit der Ermächtigung des Verwalters zur gerichtlichen Durchsetzung liege vor. Dass nur L Mängelrechte zuständen, stehe einer Vergemeinschaftung nicht entgegen.
  2. B sei auch nicht damit zu hören, für die Fassade des Herrenhauses keine Neubauqualität vereinbart zu haben. Die Beschaffenheitsvereinbarung in der ergänzenden Baubeschreibung, nach der das Objekt nach Fertigstellung Neubauqualität unter Berücksichtigung der Auflagen des Denkmalschutzes habe sollte, lasse keine Einschränkung dahin erkennen, dass diese sich nur auf die von L erworbenen Wohnungseinheiten beziehe.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Die Entscheidung wiederholt zur Frage des Zugriffs auf das Mängelrecht nur eines Wohnungseigentümers nochmals im Kern, was der V. Zivilsenat bereits im Jahr 2010 für die Praxis geklärt hatte (vgl. BGH v. 15.1.2010, V ZR 80/09). Der dortige Leitsatz lautete:

    Der Befugnis der Wohnungseigentümer, Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche durch Mehrheitsbeschluss auf die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Ausübung zu übertragen (sogenanntes "Ansichziehen"), steht nicht entgegen, dass nur einem Mitglied der Gemeinschaft ein Anspruch auf ordnungsgemäße Herstellung oder Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zusteht.

    Zur Begründung führte der Bundesgerichtshof in Rn. 10 und 11 wie folgt aus:

    Allerdings ist es richtig, dass in Fällen, in denen nur ein einziger Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Herrichtung oder Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums hat, nicht das Bedürfnis besteht, unterschiedliche Ansprüche gleichgerichtet zu bündeln. Das stellt die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft indessen nicht in Frage. Die gemeinschaftliche Verantwortung der Wohnungseigentümer, das Gemeinschaftseigentum in einen ordnungsgemäßen Zustand zu überführen und es in diesem zu erhalten, besteht unabhängig davon, wie vielen Wohnungseigentümern Ansprüche auf Herstellung eines vertragsgerechten Zustands zustehen. Das zeigt sich auch daran, dass Mangelbeseitigungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum – sieht man von den Fällen der Notgeschäftsführung ab – nur mit Zustimmung der Wohnungseigentümer vorgenommen werden dürfen und eigenmächtig durchgeführte Maßnahmen auf Verlangen wieder rückgängig gemacht werden müssen....

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