1 Leitsatz

Der Einbau eines Klimagerätes an der Außenfassade stellt eine bauliche Veränderung dar, die gem. § 20 Abs. 1 WEG (in den Grenzen des § 20 Abs. 4 WEG und der allgemeinen Schranken ordnungsmäßiger Verwaltung) beschlossen werden kann.

2 Normenkette

§ 20 Abs. 1, Abs. 4 WEG

3 Das Problem

Die Wohnungseigentümer gestatten mehrheitlich Wohnungseigentümer X, in seiner Dachgeschosswohnung eine Klimaanlage einzubauen. Die Klimaanlage soll an der Frontseite des Gebäudes montiert werden, und zwar auf dem First des Runddaches – mehrere Meter von der Dachkante entfernt. Die Ausmaße des Klimagerätes betragen 28,6 cm Höhe, 77,0 cm Breite und 22,5 cm Tiefe.

Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. Er meint, es sei die Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer erforderlich gewesen und hält daher vor dem Hintergrund seiner Ablehnung den Beschluss für nicht ordnungsmäßig. Er ist der Ansicht, die Vorderansicht des Hauses werde durch das Klimagerät verunstaltet. Das Klimagerät sei für jedermann deutlich von der Straße einsehbar. Es gebe die Möglichkeit, das Gerät an der Rückseite des Hauses zu montieren, womit er einverstanden wäre. Die Genehmigungspflicht bestehe auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass durch Leitungsverlegung in die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums eingegriffen werden müsse. Es sei davon auszugehen, dass die von der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm ("TA Lärm") vorgegebenen Immissionswerte überschritten werden würden. Es sei auch nicht geklärt worden, wohin Kühlflüssigkeit abgeleitet werde und ob es zu Kondenswasser kommen würde.

4 Die Entscheidung

Die Klage hat keinen Erfolg! Der Einbau einer Klimaanlage stelle eine bauliche Veränderung dar, die gem. § 20 Abs. 1 WEG mit einfacher Mehrheit beschlossen werden könne. Eine Zustimmung aller Eigentümer sei nicht erforderlich. Die Beschlussfassung sei nicht gem. § 20 Abs. 4 Fall 1 WEG ausgeschlossen, da das Klimagerät keine grundlegende Umgestaltung bewirke. Auch eine unbillige Benachteiligung i. S. v. § 20 Abs. 4 Fall 2 WEG, die einer Beschlussfassung entgegenstünde, liege nicht vor.

5 Hinweis

Problemüberblick

Der Fall behandelt die Fragen, was eine bauliche Veränderung ist, welcher Mehrheit der Beschluss bedarf und wo für bauliche Veränderungen von Gesetzes wegen Grenzen gesetzt sind.

Bauliche Veränderung

Der Einbau des Klimagerätes stellt eine bauliche Veränderung dar, da insbesondere die Außenfassade zur Verlegung der Leitungen durchbohrt werden muss. Das Bohren eines Lochs durch die Außenfassade oder durch Fensterrahmen zur Installation einer Klimaanlage ist ein Substanzeingriff (siehe u. a. LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 20.4.2021, 2-13 S 133/20, ZWE 2021 S. 460; AG St. Georg, Urteil v. 24.9.2021, 980 a C 46/19, ZWE 2022 S. 135 Rn. 14).

Nach geltendem Recht bedarf es zur Legitimation einer baulichen Veränderung keiner Zustimmung der beeinträchtigten Wohnungseigentümer. Es reicht eine Mehrheit – welcher Wohnungseigentümer auch immer. Dieses niedrige Quorum soll es erleichtern, bauliche Veränderungen häufiger als im alten Recht zu beschließen. Die nicht bauwillige Minderheit soll dies hinnehmen, aber durch die Vorschriften über die Kostentragung einen Schutz erfahren (BR-Drucksache 168/20, S. 67).

Grenzen

Bauliche Veränderungen, welche die Wohnungseigentumsanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, dürfen nicht beschlossen und gestattet werden; sie können auch nicht verlangt werden. Der Anbau einer Klimaanlage ist keine grundlegende Umgestaltung.

Eine Benachteiligung liegt nur vor, wenn die bauliche Veränderung zu einer treuwidrigen Ungleichbehandlung der Wohnungseigentümer führt, indem die Nachteile einem oder mehreren Wohnungseigentümern in größerem Umfang zugemutet werden als den übrigen Wohnungseigentümern (BR-Drucksache 168/20, S. 72). Dieses ist nicht der Fall. Der Kläger erklärte, er befürchte u. a. Lärmbelästigungen und Vibrationen. Lärmbelästigungen können auch zu unbilligen Benachteiligungen führen. Der Kläger wird aber nicht gegenüber anderen Wohnungseigentümern benachteiligt. Auch die mit dem Einbau verbundene Durchbohrung der Außenwand wirkt sich gleichermaßen auf alle Wohnungseigentümer aus, benachteiligt den Kläger im Innenverhältnis also gegenüber den anderen Eigentümern nicht. Gleiches gilt für die vom Kläger ins Feld geführten "Fragen" bzw. Bedenken im Hinblick auf Kondenswasser und das Kühlmittel.

6 Entscheidung

AG Bremen, Urteil v. 2.11.2022, 28 C 34/22

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