§ 20 Abs. 3 WEG verleiht jedem Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Gestattung von – auch nicht nach § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG privilegierten – baulichen Veränderungen, soweit mit der baulichen Veränderung für andere Wohnungseigentümer kein rechtlich relevanter Nachteil verbunden ist oder Wohnungseigentümer, die einen derartigen Nachteil erleiden werden, ihr Einverständnis mit der baulichen Veränderung erklärt haben.

Rechtlich relevant ist ein Nachteil dann, wenn er das Maß des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG überschreitet, also mit einem Nachteil verbunden ist, der das Maß des Unvermeidbaren bei einem geordneten Zusammenleben überschreitet. Dies kann bei

  • Eingriffen in die Statik und Substanz des Gebäudes,
  • Schäden am Gemeinschafts- oder Sondereigentum,
  • nachteiligen Veränderungen des optischen Gesamteindrucks,
  • der Möglichkeit intensiverer Nutzung,
  • Erhöhung des Kostenaufwands für Erhaltungsmaßnahmen,
  • Gefährdung anderer Wohnungseigentümer,
  • Immissionen oder
  • wirtschaftlicher Entwertung des Eigentums

der Fall sein.

Auch wenn mit einem Balkonkraftwerk vielfach kein Eingriff in die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums verbunden ist, ist eine nachteilige Veränderung des optischen Gesamteindrucks durch die Montage mehr oder weniger immanent.

 
Hinweis

Rechtsprechung zu einer Beeinträchtigung durch bauliche Veränderung

Nach Auffassung der aktuellen Rechtsprechung ist die Schwelle, ob durch eine bauliche Veränderung ein nicht unerheblicher Nachteil entsteht, schon aus verfassungsrechtlichen Gründen des Art. 14 Abs. 1 GG (Schutz des Eigentums) niedrig anzusetzen und eine erhebliche Beeinträchtigung sei gerade nicht erforderlich.[1] Vielmehr sollen nur ganz geringfügige und völlig belanglose bzw. bagatellartige Beeinträchtigungen außer Betracht bleiben. Entscheidend sei, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen könnte.[2] An diesem Maßstab habe sich durch die WEG-Reform nichts geändert.

Für eine großzügigere Auslegung sei nach neuem Recht bereits deshalb kein Raum, weil die Eigentümer nun mit einfacher Mehrheit bauliche Veränderungen beschließen können. Der Gesetzgeber habe damit den Handlungsspielraum der Mehrheit deutlich erweitert, zugleich aber Ansprüche einzelner Eigentümer auf Baumaßnahmen nur im Hinblick auf bestimmte Einzelbereiche zugelassen. Seien diese nicht einschlägig, bliebe es bei dem Grundsatz, dass bauliche Veränderungen nur zulässig seien, wenn sie niemanden beeinträchtigen oder der Beeinträchtigte zustimme.[3] Insoweit wurde aktuell entschieden, dass auch ein am Balkon montiertes Balkonkraftwerk mit einer Fläche von 1,7 m2 im Verhältnis zur Gesamt-Fassadenfläche von 920 m2 eine gestattungspflichtige bauliche Veränderung darstellt und es einer Beschlussfassung bedarf.[4]

Im Rahmen dieser Betrachtung kann auch nicht außer acht gelassen werden, dass bauliche Veränderungen des Sondereigentums nach § 13 Abs. 2 WEG nur dann keines Gestattungsbeschlusses der Wohnungseigentümer bedürfen, wenn keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Ansatzpunkt ist auch hier die optische Veränderung oder Beeinträchtigung. Diese im Rahmen des WEMoG geschaffene Neuregelung beruht auf der vor der Reform ergangenen BGH-Rechtsprechung.[5] Führte hiernach eine bauliche Maßnahme im Bereich des Sondereigentums zu einer erheblichen optischen Veränderung des gesamten Gebäudes, wurde darin ein Nachteil i. S. v. § 14 Nr. 1 WEG a. F. gesehen, den die übrigen Wohnungseigentümer nicht hinnehmen müssten. Dies gelte unabhängig davon, ob die bauliche Veränderung das Gemeinschaftseigentum oder das Sondereigentum betreffe.

War der BGH mit Blick auf bauliche Veränderungen des Sondereigentums zwar von erheblichen optischen Veränderungen des Gesamteindrucks der Wohnanlage ausgegangen, spricht sich die derzeitige Rechtsprechung allerdings gegen diese Voraussetzung aus und lässt bereits nicht nur völlig belanglose optische Veränderungen genügen, weshalb ein Anspruch, gestützt auf § 20 Abs. 3 WEG, wohl ausscheiden dürfte. Anderes dürfte aber wohl sicher dann gelten, wenn im Fall von in Reihenhäusern geteilten Anlagen Balkonkraftwerke im Bereich der jeweiligen Terrassen oder im Bereich der Dachterrasse montiert und von außen nicht wahrnehmbar sind.

Andererseits besteht aber dann ein Anspruch auf Gestattung der Errichtung einer Steckersolaranlage auf einem Garagendach, wenn bereits die zur Garage zeigende Dachseite des Hauses mit Solarplatten bestückt ist.[6]

In einem derartigen Fall kann auch eine Beseitigungsklage nicht erfolgreich durchgesetzt werden. Da jedenfalls ein Anspruch auf Gestattung der Montage nach § 20 Abs. 3 WEG besteht, kann dieser einem Beseitigungsverlangen entgegengehalten werden.[7]

[1] LG Itzehoe, Urteil v. 4.3.2022, 11 S 37/20, ZWE 2022 S. 451.
[2] LG Itzehoe, a. a. O.

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