Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Zustimmung zu einem Balkonkraftwerk.

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Beschluss über die Ermächtigung und Beauftragung des Verwalters, rechtliche Mittel gegen das Aufhängen von Sonnenkollektoren an Balkonbrüstungen durch einzelne Wohnungseigentümer zu ergreifen, entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung. Ein Negativbeschluss über die Genehmigung der Maßnahme ist nicht für ungültig zu erklären. Ein Anspruch auf Zustimmung zu einer solchen baulichen Veränderung besteht nicht.

 

Orientierungssatz

Der Wohnungseigentümer hat keinen Anspruch auf Zustimmung zu einem Balkonkraftwerk.

 

Normenkette

WoEigG §§ 20, 44-45

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerinnen haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Tatbestand

Es wird darüber gestritten, ob der Mieter der Klägerinnen an der Außenseite des Balkons eine Photovoltaikanlage anbringen darf.

Die Klägerinnen sind gemeinsam Eigentümerinnen der Eigentumswohnung Nr. 9 der verklagten WEG. Es handelt sich hierbei um eine größere Anlage mit wohl 34 Wohnungen. Die Klägerinnen haben die Wohnung an ihren Sohn bzw. Enkel vermietet. Dieser hat mit ihrer Zustimmung, jedoch ohne Zustimmung der übrigen Eigentümer, an der Außenseite des Balkons eine Mini-Solaranlage / ein Balkonkraftwerk angebracht bzw. anbringen lassen. Das Modul hat eine Fläche von 168 cm × 100 cm und ist an einen Wechselrichter angeschlossen.

Bei der Eigentümerversammlung vom 04.10.2022 wurde unter TOP 2 mehrheitlich beschlossen (AS 5):

„Der Verwalter wird ermächtigt und beauftragt, alle rechtlichen Mittel gegen die rechtswidrigen baulichen Veränderungen (Aufhängen von Sonnenkollektoren an Balkonbrüstungen) durch die Eigentümer X und Y/Z zu ergreifen.”

Unter TOP 3 der genannten WEG-Versammlung wurde mehrheitlich gegen die Genehmigung des Balkonkraftwerkes der Klägerinnen gestimmt (AS 6).

Ein Balkonkraftwerk einer anderen Einheit wurde zwischenzeitlich entfernt. Auch wurde die klägerische Anlage im Hinblick auf diesen Prozess vorübergehend entfernt.

Die Klägerinnen behaupten, dass die Photovoltaikanlage keine optische Beeinträchtigung des Gesamteindrucks darstelle. Dies ergebe sich daraus, dass schon so eine sehr uneinheitliche Fassade mit verschiedenen Farben, inhomogenen Markisen, nach der Hausordnung erlaubten Balkonkästen etc. vorhanden sei. Die 1,7 m² fielen im Verhältnis zur Gesamt-Frontseite von 920 m² nicht ins Gewicht. Auch sei das Modul in der neutralen Farbe schwarz gehalten.

Die Klägerinnen sind der Meinung, dass der Negativbeschluss ebenso ordnungsgemäßer Verwaltung widerspräche wie der Beseitigungsbeschluss. Letzterer sei schon zu unbestimmt, in dem es dort heiße „alle” Mittel.

Die Klägerinnen hätten einen Anspruch auf Genehmigung des Balkonkraftwerkes. Es stelle schon keine bauliche Veränderung dar.

Es wird auf § 20 Abs. 2 WEG abgestellt samt der Gesetzesbegründung, die umfassend bauliche Veränderungen für Ladestationen an der Wand bejahe. Durch das Balkonkraftwerk könne dann der Mieter sein E-Bike laden.

Außerdem sei § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG trotz seiner abschließenden Formulierung aus verfassungsrechtlichen und systematischen Gründen entsprechend auf Balkonkraftwerke anzuwenden. Dies ergebe sich auch daraus, dass Klimaschutz und das Einsparen von Energie nicht nur der Oberbürgermeister der Stadt bejahe, sondern dies Staatsziel nach Art. 20a GG sei und überragenden öffentlichen Interessen diene. Auch wird auf § 242 BGB abgestellt. Sekundäre wird der Anspruch mit § 20 Abs. 3 WEG begründet, da die anderen Eigentümer nicht über das einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt würden. Auch würde die Anlage weder grundlegend umgestaltet, noch ein Wohnungseigentümer durch das Photovoltaikmodul ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligt.

Die Klägerinnen beantragen:

  1. Der Beschluss der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 04.10.2022 unter Tagesordnungspunkt 2 wird für ungültig erklärt.
    1. Der ablehnende Beschluss der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 04.10.2022 unter Tagesordnungspunkt 3 wird für ungültig erklärt.
    2. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Gebrauch eines Balkonkraftwerks (Mini-Solaranlage) am Balkon der Wohnung Nr. 9, …, zuzustimmen.

    Hilfsweise: Das Gericht soll für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer S-Str. in K, eine Beschlussfassung über die Gestattung des Betriebs des Photovoltaikmoduls „Solar Fabrik Mono S2 – Halfcut (Modell MS2-340-HC)” mit 340W sowie einen TSUN TSOL-M350 PV-Mikro-Wechselrichter am Balkon der Wohnung Nr. 9, S in K, treffen, wobei die vorstehende Ausformulierung lediglich exemplarisch ist.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird ab...

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