Entscheidungsstichwort (Thema)

Stufenausbildung. erneute Probezeit in der Folgestufe

 

Leitsatz (amtlich)

Schließen dieselben Parteien im Rahmen einer Stufenausbildung nach Maßgabe der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bekleidungsindustrie vom 25. Mai 1971 (BGBl. I S. 703) im zeitlichen Anschluß an die Beendigung einer Ausbildungsstufe jeweils einen neuen Ausbildungsvertrag über die Ausbildung in der Folgestufe, ist als Beginn des Berufsausbildungsverhältnisses im Sinne des § 13 Satz 1 BBiG die Ausbildung in der ersten Ausbildungsstufe anzusehen. Die Probezeit ist damit durch die in dieser Stufe vereinbarte Probezeit erfüllt. Die Vereinbarung einer weiteren Probezeit in der Folgestufe weicht zu Ungunsten des Auszubildenden von § 13 BBiG ab, da dem Ausbildenden die Möglichkeit einer erneuten entfristeten Kündigung eröffnet wird. Sie ist daher insoweit nach § 18 BBiG unzulässig.

 

Normenkette

BBiG §§ 13, 15, 18, 26; VO über die Berufsausbildung in der Bekleidungsindustrie vom 25. Mai 1971 (BGBl. I S. 703)

 

Verfahrensgang

LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 28.02.1991; Aktenzeichen 6 Sa 539/90)

ArbG Lübeck (Urteil vom 04.12.1990; Aktenzeichen 3 Ca 2425/90)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Probezeitvereinbarung in einem im Rahmen der sog. Stufenausbildung geschlossenen Ausbildungsvertrag.

Die Beklagte verpflichtete sich aufgrund eines Berufsausbildungsvertrages vom 5. August 1988, die Klägerin zur Bekleidungsnäherin auszubilden. Nach dem Vertrag begann das Berufsausbildungsverhältnis am 1. September 1988 und endete am 31. August 1989. Die Probezeit sollte drei Monate betragen. Nach Ablegung der Abschlußprüfung schlossen die Parteien unter dem 18. September 1989 einen weiteren Berufsausbildungsvertrag für die Zeit vom 1. September 1989 bis 31. August 1990 über die Ausbildung der Klägerin als Bekleidungsfertigerin. Gemäß Abschnitt A. des Vertrages betrug die Ausbildungszeit nach der Ausbildungsordnung unter Anrechnung der zwölfmonatigen Berufsausbildung zur Bekleidungsnäherin zwei Jahre. Es wurde erneut eine Probezeit von drei Monaten vereinbart.

Nach Beendigung der Ausbildung als Bekleidungsfertigerin schlossen die Parteien einen weiteren Ausbildungsvertrag für die Zeit vom 1. September 1990 bis 31. August 1991 mit dem Ziel der Ausbildung der Klägerin als Bekleidungsschneiderin. Auch in diesem Vertrag wurde wiederum eine Probezeit von drei Monaten vereinbart.

Grundlage für die Berufsausbildung der Klägerin bildete die Verordnung über die Berufsausbildung in der Bekleidungsindustrie vom 25. Mai 1971 (BGBl I, S. 703). In dieser Verordnung heißt es u.a.:

§ 1

Staatliche Anerkennung der Ausbildungsberufe im Rahmen einer Stufenausbildung

Folgende aufeinander aufbauende sbildungsberufe werden staatlich anerkannt:

  • Bekleidungsnäher
  • Bekleidungsfertiger und
  • Bekleidungsschneider

§ 2

Ausbildungsdauer

Die Ausbildungsdauer für den Ausbildungsberuf Bekleidungsnäher beträgt zwölf Monate, für den darauf aufbauenden Ausbildungsberuf Bekleidungsfertiger weitere zwölf Monate und für den darauf aufbauenden Ausbildungsberuf Bekleidungsschneider weitere zwölf Monate.

Im zweiten Teil der Verordnung sind das Ausbildungsberufsbild und der Ausbildungsrahmenplan für den Ausbildungsberuf Bekleidungsnäher, im dritten Teil für den Ausbildungsberuf Bekleidungsfertiger und im vierten Teil für den Ausbildungsberuf Bekleidungsschneider gesondert festgelegt. Gemäß § 9 der Verordnung ist am Ende jeder Ausbildung eine Abschlußprüfung durchzuführen. § 10 legt fest, daß diese Abschlußprüfungen bei Fortsetzung der Berufsausbildung als Zwischenprüfungen gelten. In den §§ 11 bis 13 sind jeweils die Prüfungsanforderungen für die einzelnen Ausbildungsberufe gesondert geregelt.

Mit Schreiben vom 27. September 1990 sprach die Beklagte unter Berufung auf die vereinbarte Probezeit eine nicht näher begründete Kündigung aus. Die Klägerin wandte sich gegen diese Kündigung mit Schreiben vom 10. Oktober 1990 an den bei der Industrie- und Handelskammer zu L… gebildeten Ausschuß zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden. Der Ausschuß konnte sich in seiner Sitzung am 30. Oktober 1990 nicht zu einem Schiedsspruch entscheiden.

Mit ihrer am 5. November 1990 erhobenen Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Sie hat behauptet, Anlaß für die Kündigung sei eine einwöchige Arbeitsunfähigkeit gewesen. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Vereinbarung einer erneuten Probezeit im dritten Ausbildungsvertrag sei unzulässig. Auch in der Stufenausbildung sei bei Fortsetzung der Ausbildung in der nächsten Stufe von einer einheitlichen Ausbildung auszugehen. Es könne daher nur einmal eine Probezeit von höchstens drei Monaten zu Beginn der Ausbildung, nicht aber eine erneute Probezeit vereinbart werden. Eine derartige Regelung verstoße gegen § 13 BBiG.

Die Vereinbarung einer erneuten Probezeit sei auch sachlich nicht gerechtfertigt. Sie habe durch den erfolgreichen Abschluß der jeweils vorhergehenden Stufe ihre Eignung nachgewiesen, eine erneute Erprobung sei daher nicht erforderlich gewesen. Im übrigen habe von vornherein Einigkeit bestanden, daß sie im Betrieb der Beklagten eine Ausbildung als Bekleidungsschneiderin erhalten solle.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß der Lehrvertrag der Parteien durch die am 28. September 1990 zugestellte Kündigung vom 27. September 1990 nicht aufgelöst ist, sondern unverändert fortbesteht.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Vereinbarung einer Probezeit sei auch in den Verträgen über die zweite und dritte Ausbildungsstufe zulässig und nach dem Gesetz geboten gewesen. Es handele sich um drei voneinander getrennte und rechtlich selbständige Ausbildungsverhältnisse. Daran ändere nichts der Umstand, daß die Ausbildungsabschnitte aufeinander aufbauten. Für die einzelnen Ausbildungsverhältnisse sei jeweils die Beendigung mit Ablauf der vorgesehenen Zeit vereinbart worden. Mit dem Abschluß eines weiteren Vertrages habe dann ein selbständiges Berufsausbildungsverhältnis neu begonnen. Es habe den Parteien freigestanden, ob sie von vornherein einen Vertrag über die gesamte Ausbildung oder – wie geschehen – jeweils einen Vertrag über die einzelnen Ausbildungsstufen abschlössen. Die Vereinbarung einer Probezeit auch im Vertrag über die weiteren Ausbildungsstufen könne für den Auszubildenden gleichermaßen vorteilhaft sein, weil er selbst in der Probezeit ohne Angabe von Gründen kundigen könne, um z.B. vorzeitig in ein Arbeitsverhältnis überzuwechseln.

Ein von vornherein bestehendes Einvernehmen über die Ausbildung der Klägerin zur Bekleidungsschneiderin habe nicht vorgelegen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war die Vereinbarung einer erneuten Probezeit in dem über die dritte Ausbildungsstufe geschlossenen Vertrag zu Lasten der Klägerin nicht zulässig.

A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Parteien seien gemäß § 13 Satz 1 BBiG verpflichtet gewesen, jeweils bei Abschluß eines weiteren Ausbildungsvertrages für die nächste Ausbildungsstufe erneut eine Probezeit zu vereinbaren. Es handele sich bei den einzelnen Stufen um selbständige Berufsausbildungsverhältnisse. Gemäß § 26 BBiG könne die Ausbildungsordnung sachlich und zeitlich besonders geordnete aufeinander aufbauende Stufen der Berufsausbildung festlegen. Diese Vorschrift lasse sowohl eine Stufenausbildung im Rahmen eines einheitlichen Berufsausbildungsvertrages als auch eine Stufenausbildung durch Abschluß neuer Berufsausbildungsverträge und Begründung neuer Berufsausbildungsverhältnisse zu. Welche Form zu wählen sei, ergebe sich im einzelnen aus § 25 BBiG in Verbindung mit der einschlägigen Ausbildungsverordnung. Nach der hier maßgeblichen Ausbildungsverordnung über die Berufsausbildung in der Bekleidungsindustrie seien die Parteien des Berufsausbildungsverhältnisses jedenfalls berechtigt, für jede Ausbildungsstufe einen getrennten Berufsausbildungsvertrag zu begründen.

Die Annahme jeweils getrennter Berufsausbildungsverhältnisse ergebe sich auch aus § 14 Abs. 2 BBiG. Danach ende ein Berufsausbildungsverhältnis mit Bestehen der Abschlußprüfung, wenn der Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungszeit die Prüfung bestehe. Die Klägerin habe zum Abschluß der ersten und zweiten Stufe unzweifelhaft Abschlußprüfungen abgelegt und damit das Berufsausbildungsverhältnis jeweils beendet.

Die Festlegung einer erneuten Probezeit für die jeweils nächste Stufe widerspreche auch nicht dem Sinn einer Probezeit. Wie sich aus der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bekleidungsindustrie ergebe, vermittele die jeweilige Stufe jeweils andere Fertigkeiten und Kenntnisse und stelle unterschiedliche Prüfungsanforderungen. Ein Auszubildender, der für die Ausbildung in der ersten Stufe die erforderliche Eignung besitze, müsse diese nicht notwendigerweise auch für die zweite Stufe haben.

Die Klägerin habe auch nicht hinreichend konkret dargelegt, daß die Parteien von vornherein eine Ausbildung für alle drei Stufen vereinbart hätten. Dem widersprächen schon die jeweils getrennt abgeschlossenen Verträge.

B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

I. Die Klägerin hat das zwingende Vorverfahren nach § 111 Abs. 2 ArbGG (Senatsurteil vom 13. April 1989 – 2 AZR 441/88BAGE 61, 258 = AP Nr. 21 zu § 4 KSchG 1969) eingehalten. Sie hat den bestehenden Schlichtungsausschuß angerufen. Wenn dieser eine Entscheidung nicht getroffen hat, kann ihr dies nicht angelastet werden (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 111 Rz 21).

II. Das Landesarbeitsgericht ist zwar rechtlich im Grundsatz zutreffend davon ausgegangen, daß die einzelnen zwischen den Parteien geschlossenen Verträge jeweils auf eine abgeschlossene Berufsausbildung ausgerichtet waren. Es hat aber die Besonderheiten der konkret zu beurteilenden Stufenausbildung nicht hinreichend berücksichtigt.

1. Gemäß § 26 BBiG kann eine Ausbildungsordnung im Sinne des § 25 BBiG sachlich und zeitlich besonders geordnete, aufeinander aufbauende Stufen der Berufsausbildung festlegen. Nach den einzelnen Stufen soll sowohl ein Ausbildungsabschluß, der zu einer Berufstätigkeit befähigt, die dem erreichten Ausbildungsabschluß entspricht, als auch die Fortsetzung der Berufsausbildung in weiteren Stufen möglich sein, § 26 Abs. 1 BBiG. Mit der Einführung der Stufenausbildung wollte der Gesetzgeber den Forderungen nach einer breiten Grundausbildung und der damit zusammenhängenden größeren beruflichen Anpassungsfähigkeit und Mobilität, den Befähigungen der Auszubildenden sowie dem Bedarf der Wirtschaft an qualifizierten Fachkräften besser gerecht werden (schriftlicher Bericht des Bundestags-Ausschusses für Arbeit, BT-Drucks. V/4260 zu § 26 BBiG).

In einer ersten Stufe beruflicher Grundbildung sollen als breite Grundlage für die weiterführende berufliche Fachbildung und als Vorbereitung auf eine vielseitige berufliche Tätigkeit Grundfertigkeiten und Grundkenntnisse vermittelt sowie Verhaltensweisen geweckt werden, die einem möglichst großen Bereich von Tätigkeiten gemeinsam sind, § 26 Abs. 2 BBiG. In weiteren Stufen soll das besondere fachliche Verständnis vertieft und die zur Ausübung einer qualifizierten Berufstätigkeit erforderlichen praktischen und theoretischen Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden, § 26 Abs. 2 und Abs. 3 BBiG.

2. Von der Möglichkeit einer Stufenausbildung wurde Gebrauch gemacht in der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bekleidungsindustrie vom 25. Mai 1971 (BGBl I, S. 703 – im folgenden Ausbildungs VO genannt). Gemäß § 1 Ausbildungs VO werden folgende aufeinander aufbauende Ausbildungsberufe staatlich anerkannt:

  • Bekleidungsnäher,
  • Bekleidungsfertiger,
  • Bekleidungsschneider.

Gemäß § 2 Ausbildungs VO beträgt die Ausbildungsdauer für den Ausbildungsberuf Bekleidungsnäher 12 Monate, für den darauf aufbauenden Ausbildungsberuf Bekleidungsfertiger weitere 12 Monate und für den darauf aufbauenden Ausbildungsberuf Bekleidungsschneider weitere 12 Monate.

Gemäß § 9 Ausbildungs VO ist am Ende jeder Ausbildung nach § 1 eine Abschlußprüfung durchzuführen. Bei Fortsetzung der Berufsausbildung gelten Abschlußprüfungen nach § 9 als Zwischenprüfungen, § 10 Ausbildungs VO.

Nach dieser Regelung handelt es sich also bei den Ausbildungszielen Bekleidungsnäher, Bekleidungsfertiger und Bekleidungsschneider, die jeweils Gegenstand der zwischen den Parteien hier abgeschlossenen einzelnen Verträge waren, um staatlich anerkannte Ausbildungsberufe, die jeweils Gegenstand eines Berufsausbildungsvertrages im Sinne des BBiG sein können. Insoweit ist dem Landesarbeitsgericht zuzustimmen.

III. § 26 BBiG enthält keine Regelung über die vertragliche Gestaltung des Berufsausbildungsvertrages im Falle der Stufenausbildung. Es ist insbesondere nicht geregelt, ob auch bei von vornherein bestehender Absicht, die Berufsausbildung der dritten Stufe zu erreichen, nur ein sogenannter Langvertrag abgeschlossen werden kann oder ob auch in diesem Fall sogenannte Kurzverträge über die einzelnen Ausbildungsstufen abgeschlossen werden können, z.B. in der Weise, daß erst nach Ablegung der Abschlußprüfung für die vorangehende Stufe eine Entscheidung über den Abschluß eines Vertrages für die nächste Stufe getroffen wird.

1. Überwiegend werden beide Vertragsarten als zulässig angesehen (Herkert, BBiG, Stand Februar 1991, § 26 Rz 12; Natzel, BBiG, 3. Aufl., S. 349, 350 und 168; Weber, BBiG, Stand Juli 1991, § 26 Anm. 7; Hoffmann, BB 1972, 138; Hurlebaus, BB 1975, 841, 842; Mailer, BB 1975, 288; kritisch Wohlgemuth/Sarge, BBiG, § 26 Rz 5).

2. Die Frage bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Sie stellt sich auch in dieser Form nicht. Wollen beide Parteien von vornherein nur die Ausbildung auf der ersten Stufe, kommt ohnehin nur ein Kurzvertrag in Betracht. Dies schließt nicht aus, bei einer späteren Sinnesänderung eine Ausbildung auch für eine aufbauende Stufe zu vereinbaren.

a) Grundsätzlich wird der Abschluß eines Kurzvertrages auch dann nicht zu beanstanden sein, wenn sich der Ausbildende die Entscheidung über die Ausbildung in der zweiten Stufe bis zum Abschluß der ersten Stufe vorbehalten will. Wie er nicht gezwungen werden kann, überhaupt einen Ausbildungsvertrag abzuschließen, kann er aus dem Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit prinzipiell auch nicht gehalten sein, von vornherein einen Vertrag über zwei oder drei Stufen abzuschließen (einen Kurzvertrag mit Weiterführungszusage sehen als zulässig an: Natzel, aaO, S. 168; Weber, aaO, § 26 Anm. 7). Daß es aus der Sicht des Auszubildenden mühsamer ist, das gleiche Ausbildungsziel über Kurzverträge zu erreichen, ist sicher richtig (Wohlgemuth/Sarge, aaO, § 26 Rz 5), ändert daran aber nichts. Dies wird von der Revision letztlich auch nicht beanstandet.

b) Ob dies anders zu beurteilten ist, wenn von vornherein die beiderseitige Absicht besteht, die Ausbildung über alle drei Stufen zu erstrecken – und zwar selbst bei Nichtbestehen der jeweiligen Abschlußprüfungen, welches einer Fortsetzung der Ausbildung wegen des diesen dann zukommenden Charakters “nur” einer Zwischenprüfung nicht entgegenstünde –, kann dahingestellt bleiben. Zwischen den Parteien ist nämlich streitig, ob von vornherein eine Übereinstimmung vorlag, die Klägerin zur Bekleidungsschneiderin auszubilden. Einer Zurückverweisung der Sache zur Klärung dieser Frage bedarf es jedoch nicht. Die Revision der Klägerin ist auch dann begründet, wenn man eine derartige anfängliche Bereitschaft der Beklagten zu ihren Gunsten verneint.

IV. 1. Geht man mit dem Landesarbeitsgericht davon aus, daß die Aneinanderreihung von Kurzverträgen jeweils über die einzelnen Ausbildungsstufen grundsätzlich zulässig ist, ist damit noch nicht geklärt, ob in dem jeweils folgenden Kurzvertrag über die Ausbildung in der nächsten Stufe die Vereinbarung einer Probezeit zulässig oder sogar vorgeschrieben ist.

a) Auch bei einem sogenannten Kurzvertrag über die Ausbildung kommt allerdings in einer Stufe ein “Berufsausbildungsverhältnis” zustande. Wie schon unter B II 1 der Gründe dargelegt, geht es bei den einzelnen Stufen der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bekleidungsindustrie um staatlich anerkannte Ausbildungsberufe, über die eine Abschlußprüfung abgelegt wird.

b) Gemäß § 13 BBiG beginnt ein Berufsausbildungsverhältnis mit der Probezeit, die mindestens einen Monat betragen muß und höchstens drei Monate betragen darf. Zweifelsfrei kann in jedem Fall und immer bei einem Vertrag über die erste Stufe der Ausbildung – hier Bekleidungsnäherin – eine Probezeit vereinbart werden. Dies gilt in gleicher Weise, wenn der Vertrag als sogenannter Langvertrag von vornherein über mehrere oder alle Stufen der Ausbildung abgeschlossen wird.

c) Betrachtet man die anschließenden (Kurz-) Verträge über die Berufsausbildung in den folgenden Stufen getrennt für sich, könnte dies die vom Landesarbeitsgericht vertretene Auffassung nahelegen, die jeweilige Stufe der Berufsausbildung müsse mit einer erneuten Probezeit beginnen. Die überwiegende Auffassung in der Literatur geht denn auch – wie das angefochtene Urteil – davon aus, es sei jeweils eine neue Probezeit festzulegen, sofern für jede Stufe ein neuer Ausbildungsvertrag abgeschlossen wird (vgl. Gedon/Spiertz, BBiG, Stand Juli 1991, § 13 Rz 18; Herkert, aaO, § 26 Rz 12 und § 13 Rz 2; Natzel, aaO, S. 168; Weber, aaO, § 26 Anm. 7; Wohlgemuth/Sarge, aaO, § 13 Rz 4 – die allerdings hintereinander geschaltete Kurzverträge andererseits als nicht zulässig ansehen, vgl. § 26 Rz 5; a.A.: Haase/Richard/Wagner, BBiG, 3. Aufl., § 13 a.E.). Dies soll nur dann nicht gelten, wenn ein Ausbildungsvertrag zunächst nur für eine Stufe, aber mit einer Weiterführungsklausen abgeschlossen wird für den Fall des erfolgreichen Abschlusses dieser Stufe (Natzel, aaO, S. 168; Weber, aaO, § 26 Anm. 7).

2. Dieser Auffassung kann der Senat sich für die hier zu beurteilende Stufenausbildung in der Bekleidungsindustrie nicht anschließen.

Bei Abschluß eines weiteren Ausbildungsvertrages über die Ausbildung in der zweiten oder folgenden Stufe zwischen denselben Parteien im unmittelbaren Anschluß an die vorhergehende Stufe ist die Vereinbarung einer erneuten Probezeit zu Lasten des Auszubildenden unzulässig. Dies ergibt eine mit dem Wortlaut des Gesetzes zu vereinbarende, an seinem erkennbaren Sinn und Zweck orientierte Auslegung der §§ 13, 26 BBiG unter Einbeziehung der Bestimmungen der einschlägigen Ausbildungsverordnung.

a) Bei der Berufsausbildung in der zweiten oder einer folgenden Stufe handelt es sich sachlich um die Fortsetzung der in der ersten Stufe begonnenen Berufsausbildung. Dafür spricht schon die Regelung des § 26 BBiG. Das Gesetz gibt in § 26 Abs. 1 Satz 2 BBiG selbst vor, die einzelnen Stufen sollten zu einem Abschluß führen, der zwar einerseits bereits zu einer Berufstätigkeit befähigt, andererseits aber auch die Fortsetzung der Berufsausbildung in weiteren Stufen ermöglicht. Dementsprechend erwähnt § 26 Abs. 2 BBiG ausdrücklich die auf die erste Stufe aufbauende nächste Stufe, in der die in der ersten Stufe vermittelte breite Grundlage für möglichst mehrere Fachrichtungen gemeinsam fortgeführt wird. Die folgende Stufe dient dann der besonderen beruflichen Fachbildung.

b) Bereits dies zeigt deutlich den engen sachlichen Zusammenhang zwischen den einzelnen Stufen. Dem entspricht die hier erlassene Ausbildungsverordnung. Nach §§ 1, 2 Ausbildungs VO bauen die Ausbildungsberufe aufeinander auf § 5 bzw. § 7 Ausbildungs VO heben wiederum ausdrücklich hervor, die Fertigkeiten und Kenntnisse für das Ausbildungsberufsbild Bekleidungsfertiger bzw. Bekleidungsschneider bauten auf den Fertigkeiten und Kenntnisse der darunter liegenden Stufen auf. Dem entsprechen die den Ausbildungsberufsbildern und Ausbildungsrahmenplänen im einzelnen zugeordneten praktischen und theoretischen Lerninhalte. Bereits in der Grundstufe werden nicht nur abstrakte Kenntnisse vermittelt, sondern auch bereits konkrete Fertigkeiten, die in den Folgestufen spezialisiert aufgegriffen werden. Auch hier wird deutlich, daß die Folgestufe nicht von den vorhergehenden Stufen getrennt werden kann, sondern es sich sachlich um die Fortführung einer zusammenhängenden Berufsausbildung handelt.

c) Dies wird nochmals unterstrichen durch § 10 Ausbildungs VO. Danach gilt bei “Fortsetzung” der Berufsausbildung eine Abschlußprüfung nach § 9 Ausbildungs VO als Zwischenprüfung. Die Vorschrift ist im Zusammenhang zu lesen mit § 26 Abs. 5 und § 42 BBiG. Nach § 26 Abs. 5 BBiG kann die Ausbildungsordnung bestimmen, daß bei Prüfungen, die vor Abschluß einzelner Stufen abgenommen werden, die Vorschriften über die Abschlußprüfung entsprechend gelten. Dies ist in § 9 Ausbildungs VO geschehen. Zwischenprüfungen sind gemäß § 42 BBiG während der Berufsausbildung zur Ermittlung des Ausbildungsstandes durchzuführen, bei der Stufenausbildung für jede Stufe. Gewinnt also bei Fortsetzung der Berufsausbildung die Abschlußprüfung den Charakter einer Zwischenprüfung, zeigt das wiederum deutlich, daß es sich um eine zusammenhängende Berufsausbildung handelt und nicht um den Beginn einer neuen Berufsausbildung.

3. Diese Zusammenhänge sind bei der Auslegung von § 13 Satz 1 BBiG zu berücksichtigen.

a) Nach § 13 Satz 1 BBiG beginnt das Berufsausbildungsverhältnis mit der Probezeit. Sie ist zwingend vorgeschrieben, darf aber nicht länger als drei Monate sein. Die Probezeit soll es einerseits dem Ausbildenden ermöglichen, den Auszubildenden dahingehend zu überprüfen, ob er für den zu erlernenden Beruf geeignet ist. Diese Prüfung soll andererseits der Auszubildende auch für sich selbst anstellen. Die Probezeit dient ferner der Prüfung, ob der Auszubildende sich in das betriebliche Geschehen mit seinen Lernpflichten einordnen kann (Natzel, aaO, S. 166, 167; Wohlgemuth/Sarge, aaO, § 13 Rz 1; vgl. auch schriftlichen Ausschußbericht, BT-Drucks. V/4260 zu § 13 BBiG).

aa) Während der Probezeit kann das Ausbildungsverhältnis beiderseits jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne nähere Begründung gekündigt werden, § 15 Abs. 1 BBiG. Hierbei handelt es sich um eine entfristete ordentliche Kündigung (Senatsurteil vom 10. November 1988 – 2 AZR 26/88 – AP Nr. 8 zu § 15 BBiG, zu II 1 der Gründe).

bb) Das Ausbildungsverhältnis unterliegt also während der Probezeit einem besonders geringen Bestandsschutz, während es danach seitens des Ausbildenden einseitig nur noch durch außerordentliche Kündigung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes beendet werden kann. Deshalb beschränkt § 13 Satz 2 BBiG die Probezeit auch auf einen Zeitraum von maximal 3 Monaten.

b) Bei der Fortsetzung der Berufsausbildung in der Stufenausbildung in der zweiten oder einer Folgestufe ist ein berechtigtes Erfordernis für eine derartige Erprobung nicht ersichtlich. Wie dargelegt, handelt es sich bei den Stufen nicht um eine neue Berufsausbildung, die zu der vorangegangenen Stufe in keinem Zusammenhang steht, sondern sachlich um die Fortführung der Berufsausbildung. Die Folgestufe baut auf den in der vorhergehenden Stufe erworbenen Fertigkeiten und Kenntnissen auf. Wegen dieses sachlichen Zusammenhangs haben Auszubildender und Ausbildender aufgrund der abgeschlossenen Ausbildung in der vorangegangenen Stufe hinreichende Möglichkeiten der Beurteilung der Eignung und Neigung für diesen Beruf. Zusätzlich wird durch die Abschlußprüfung der Leistungsstand, die erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse geprüft und nachgewiesen. Der mit § 13 BBiG verfolgte Zweck erfordert deswegen die nochmalige Vorschaltung einer Probezeit mit entsprechend leichter Lösbarkeit nicht.

c) Dies gilt umso mehr, als Ausbildender wie Auszubildender bei dem hier zugrundeliegenden Modell des zunächst jeweils nur über eine Stufe abgeschlossenen Kurzvertrages ohne rechtlich verbindliche Weiterführungszusage frei sind, ob sie überhaupt einen Vertrag über die anschließende Stufe abschließen wollen. Bestehen Zweifel an der Eignung des Auszubildenden – seien sie fachlicher oder persönlicher Art – auf Seiten des Lehrherrn oder umgekehrt Zweifel auf Seiten des Auszubildenden, haben beide die Möglichkeit, vom Abschluß eines Anschlußvertrages abzusehen. Angesichts der engen fachlichen Verknüpfung der Stufen spricht nichts für die Erwägung, die Eignung oder Neigung könnten erst in der jeweiligen weiteren Stufe selbst überprüft werden. Auch bei einem Langvertrag über alle drei Stufen bzw. bei dem normalen einstufigen Ausbildungsgang über mehrere Jahre stehen für diese Prüfung nur die ersten drei Monate des Ausbildungsverhältnisses zur Verfügung. Eignung und Neigung sind also über einen langen Zeitraum voraus zu beurteilen.

4. Der Hinweis des Landesarbeitsgerichts auf § 14 Abs. 2 BBiG führt nicht weiter. Richtig ist, daß das Ausbildungsverhältnis grundsätzlich mit dem Ablauf der Ausbildungszeit endet. Insoweit endet auch ein Kurzvertrag mit Zeitablauf bzw. – falls diese vorher liegt – mit Bestehen der Abschlußprüfung. Damit ist aber noch nichts zur Frage gesagt, ob dann, wenn die Parteien einen neuen Vertrag über die Ausbildung auch in der Folgestufe abschließen, das jetzt zustandekommende Ausbildungsverhältnis sich sachlich nicht als Fortsetzung des ersten Berufsausbildungsverhältnisses darstellt, so daß im Sinne von § 13 BBiG nicht von einem neuen Berufsausbildungsverhältnis auszugehen ist. Diese Frage beurteilt sich nach den vorstehend dargelegten Kriterien.

5. Der aus dem Wortlaut und dem systematischen Gesamtzusammenhang erkennbar werdende Sinn und Zweck der gesetzlichen Probezeitregelung einerseits und der Stufenausbildung andererseits nach Maßgabe der hier zu beurteilenden Ausbildungsverordnung über Ausbildungsstufen in der Bekleidungsindustrie sprechen eindeutig dafür, bei Fortsetzung der Ausbildung in einer Folgestufe die Probezeit der ersten Stufe auch dann auf die Folgestufe anzurechnen, wenn nicht von vornherein ein sogenannter Langvertrag über mehrere oder alle Stufen abgeschlossen wurde, sondern jeweils ein neuer Vertrag über die einzelnen Stufen. Sachlich geht es um die Fortsetzung der Berufsausbildung, nicht um den Beginn einer neuen Berufsausbildung – deutlich dokumentiert durch die Verzahnung der jeweils aufeinander aufbauenden Ausbildungsberufsbilder und die Wertung der Stufen-Abschlußprüfungen als Zwischenprüfungen. Die erste Ausbildungsstufe wird bei Fortführung sozusagen zum ersten Ausbildungsjahr der jetzt angestrebten Berufsausbildung. Beginn der Berufsausbildung im Sinne des § 13 Satz 1 BBiG bleibt der Beginn der Berufsausbildung in der ersten Stufe. Die Probezeit des § 13 Satz 1 BBiG ist damit durch die in dieser Stufe vereinbarte Probezeit erfüllt.

Die Vereinbarung einer weiteren Probezeit weicht zu Ungunsten des Auszubildenden von § 13 BBiG ab, da dem Ausbildenden die Möglichkeit einer erneuten entfristeten Kündigung eröffnet wird. Sie ist demzufolge insoweit nach § 18 BBiG als unzulässig anzusehen (so im Ergebnis auch ArbG Essen, Urteil vom 12. Dezember 1985 – 1 (2) Ca 3477/85 – AuR 1986, 155 – LS –; vgl. auch Haase/Richard/Wagner, aaO, § 13 Anm.).

6. Dies gilt jedenfalls für die hier zu beurteilende Fortsetzung der Ausbildung auf der Folgestufe zwischen denselben Parteien. Wird die Folgestufe in einem neuen Ausbildungsbetrieb absolviert, wird die Vereinbarung einer Probezeit in den jetzt mit dem neuen Auszubildenden abzuschließenden Ausbildungsvertrag nach § 13 BBiG zulässig und geboten sein (s. auch Natzel, aaO, S. 168, Fn 109; Weber, aaO, § 26 Anm. 7). Die Probezeit soll auch die Möglichkeit einer individuell auf den jeweiligen Vertragspartner zugeschnittenen persönlichen und fachlichen Eignungsprüfung ermöglichen. Insoweit ist aber auch für die einstufige Ausbildung nicht bestritten, daß bei Fortsetzung der Ausbildung in einem anderen Ausbildungsbetrieb eine erneute Probezeit zu vereinbaren ist (Herkert, aaO, § 13 Rz 7). Wie zu entscheiden ist, wenn zwischen den einzelnen Ausbildungsstufen ein größerer zeitlicher Abstand liegt, kann dahingestellt bleiben (s. zum Erfordernis einer erneuten Probezeit bei zeitlicher Unterbrechung der einstufigen Ausbildung beim selben Ausbildenden Herkert, aaO, § 13 Rz 7). Solche erheblichen zeitlichen Unterbrechungen liegen hier nicht vor. Die Befristungsdaten der einzelnen Verträge schließen nahtlos aneinander an. Ob die Abschlußprüfungen der einzelnen Stufen zeitlich vorher lagen, so daß formell die Ausbildung auch vorher endete, ist aus dem vortrag der Parteien nicht ersichtlich. Jedenfalls kann es sich dabei nicht um erhebliche Zeiträume gehandelt haben.

V. Ist die Vereinbarung einer erneuten Probezeit im dritten Ausbildungsvertrag zugunsten der Klägerin gemäß § 18 BBiG als unzulässig anzusehen, kommt eine Kündigung nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 BBiG nicht in Betracht. Die Beklagte hätte nur gemäß § 15 Abs. 2 BBiG aus wichtigem Grund fristlos kündigen können. Eine solche Kündigung ist nicht ausgesprochen worden. Die Kündigung der Beklagten hat danach nicht zur Auflösung des Ausbildungsverhältnisses geführt.

VI. Auf die Revision der Klägerin ist daher das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts ist zurückzuweisen. Dies gilt uneingeschränkt, da das Ausbildungsverhältnis nach dem Inhalt des letzten Vertrages erst mit dem 31. August 1991 enden sollte, zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (28. Februar 1991) also noch bestand (vgl. Senatsurteil vom 21. Januar 1988 – 2 AZR 581/86BAGE 57, 231 = AP Nr. 19 zu § 4 KSchG 1969).

Die Beklagte hat gemäß § 97 ZPO auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Hillebrecht, Bitter, Dr. Rost, Timpe, Nipperdey

 

Fundstellen

BB 1992, 710

NZA 1992, 506

RdA 1992, 159

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