Entscheidungsstichwort (Thema)

Verspätete Urteilsabsetzung

 

Leitsatz (redaktionell)

Ist ein Urteil nicht binnen fünf Monaten nach der Verkündung schriftlich niedergelegt, von allen Richtern unterschrieben und der Geschäftsstelle zugegangen, gilt es als nicht mit Gründen versehen.

 

Normenkette

ZPO § 551 Nr. 7 aF, § 547 Nr. 6 nF

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 19.12.2001; Aktenzeichen 8 Sa 275/00)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.12.1999; Aktenzeichen 16 Ca 2282/99)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 19. Dezember 2001 – 8 Sa 275/00 – aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger neben der von der Beklagten gezahlten Betriebsrente ein Aufstockungsbetrag nach § 2 Abs. 4 des Tarifvertrages zur Regelung der Übergangsversorgung für Flugbegleiter (TV ÜV-FB) zusteht.

Der am 4. Mai 1939 geborene Kläger war vom 23. Juli 1963 bis einschließlich 31. Mai 1994 bei der Beklagten als Flugbegleiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis sind die für das Unternehmen der Beklagten geltenden tarifvertraglichen Vorschriften anzuwenden. Nach § 2 Abs. 1 TV ÜV-FB haben die Flugbegleiter einen Anspruch auf Zahlung einer Firmenrente, wenn sie wegen Erreichens der tarifvertraglichen Altersgrenze mit dem 55. Lebensjahr aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis ausscheiden, ohne daß sie bereits Anspruch auf Versorgungsleistungen der VBL/AV haben. § 2 Abs. 4 TV ÜV-FB lautet wie folgt:

„Wenn im Falle der Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes vor dem 63. Lebensjahr die volle Gesamtversorgung durch die VBL noch nicht gezahlt wird, wird die Firmenrente in Höhe der Differenz weitergezahlt, um die der volle Betrag der sonst zu zahlenden Firmenrente die Summe der Angestelltenversicherungs- und VBL-Renten ggf. übersteigt (Aufstockungsbetrag).

Die Zahlung des Aufstockungsbetrages endet beim Einsetzen der vollen Gesamtversorgungsleistungen durch die VBL/AV, spätestens mit Vollendung des 63. Lebensjahres. …”

Der Kläger ist nach Vollendung des 55. Lebensjahres mit Ablauf des 31. Mai 1994 bei der Beklagten ausgeschieden. Vom 1. Juni 1994 bis einschließlich 31. Mai 1999 zahlte ihm die Beklagte nach dem TV ÜV-FB eine Übergangsversorgung. Am 1. Juni 1999 trat er in den Ruhestand. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gewährte ihm seither eine „Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit”. Außerdem erhielt er von der VBL und der Beklagten monatliche Renten. Einen Aufstockungsbetrag nach § 2 Abs. 4 TV ÜV-FB zahlte die Beklagte jedoch nicht.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Zeitraum 1. Juni 1999 bis 31. Mai 2001 einen monatlichen Aufstockungsbetrag in Höhe von 1.799,90 DM für 24 Monate, insgesamt 43.197,60 DM, nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Juni 1999 zu zahlen;
  2. festzustellen, daß die Beklagte an ihn für den Zeitraum 1. Juni 2001 bis 31. Mai 2002 einen monatlichen Aufstockungsbetrag in Höhe von 2.162,38 DM für zwölf Monate, insgesamt 25.948,56 DM, nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Juni 2001 zu zahlen hat.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Er rügt mit seiner Revision unter anderem die verspätete Absetzung des Berufungsurteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Er hat zu Recht die Verletzung des § 551 Nr. 7 ZPO aF iVm. § 26 Nr. 7 EGZPO (= § 547 Nr. 6 ZPO nF) gerügt.

Ein Urteil gilt entsprechend § 551 Nr. 7 ZPO aF (= § 547 Nr. 6 ZPO nF) dann nicht mit Gründen versehen, wenn es nicht binnen fünf Monaten nach der Verkündung schriftlich niedergelegt, von allen Richtern unterschrieben und der Geschäftsstelle zugegangen ist (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes 27. April 1993 – GmS-OGB 1/92 – AP ZPO § 551 Nr. 21 = EzA ZPO § 551 Nr. 1; im Anschluß daran ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. ua. 4. August 1993 – 4 AZR 501/92 – BAGE 74, 44, 46 f. = AP ZPO § 551 Nr. 22 = EzA ZPO § 551 Nr. 2; 24. August 1993 – 3 AZR 313/93 – AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 19 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 10, zu A der Gründe; 18. April 2002 – 8 AZR 348/01 – AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 122 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 70 mwN, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

Da das Berufungsurteil am 19. Dezember 2001 verkündet wurde, jedoch erst am 31. Mai 2002 vollständig abgefaßt und unterschrieben zur Geschäftsstelle gelangte, gilt es iSd. § 551 Nr. 7 ZPO aF (= § 547 Nr. 6 ZPO nF) als nicht mit Gründen versehen. Dieser absolute Revisionsgrund gebietet die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 549 Abs. 1, §§ 550, 564, § 565 Abs. 1 ZPO aF = § 545 Abs. 1, §§ 546, 562, § 563 Abs. 1 ZPO nF).

 

Unterschriften

Reinecke, Kremhelmer, Bepler, Kaiser, G. Hauschild

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1134475

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