Entscheidungsstichwort (Thema)

Abbau einer Überversorgung durch Tarifvertrag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine betriebliche Altersversorgung, die aufgrund eines Tarifvertrags zu gewähren ist, steht unter dem Vorbehalt der Änderung des Tarifvertrags. Das gilt im Zweifel auch, wenn der Versorgungsfall bereits eingetreten ist.

2. Ein Tarifvertrag über eine betriebliche Altersversorgung kann durch einen neuen Tarifvertrag auch zum Nachteil der Versorgungsempfänger geändert werden.

3. Eingriffe in bestehende Versorgungsrechte müssen den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes genügen.

4. Soll eine planwidrig eingetretene Überversorgung abgebaut werden, darf auch in Ansprüche auf Zahlung der laufenden Rente eingegriffen werden.

5. Die Umstellung der Berechnungsgrundlage von einer bruttolohnbezogenen auf eine nettolohnbezogene Gesamtversorgung ist nicht zu beanstanden.

6. Die Belange der Bezieher einer dynamischen Rente werden hinreichend geschützt, wenn die Umstellung schrittweise so vorgenommen wird, daß Lohnerhöhungen der aktiven Arbeitnehmer solange nicht zur Anpassung der Rente führen, bis der Betrag der nettolohnbezogenen Obergrenze erreicht ist.

 

Orientierungssatz

Auslegung des Betriebsrenten-Tarifvertrages der Hamburger Hafen- und Lagerhaus AG vom 13.4.1976 bzw der Betriebsrenten- Tarifverträge 1980 und 1985.

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 12.06.1992; Aktenzeichen 3 Sa 29/89)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 17.10.1988; Aktenzeichen 3 Ca 359/87)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte die Betriebsrente des Klägers auf eine nettolohnbezogene Gesamtversorgungsobergrenze umstellen durfte.

Der am 16. November 1926 geborene Kläger war vom 5. Januar 1954 bis zum 31. Juli 1981 bei der beklagten Hamburger Hafen- und Lagerhaus AG (HHLA) beschäftigt. Alleinaktionärin der Beklagten ist die Freie und Hansestadt Hamburg. Der Kläger ist seit Beginn seiner Beschäftigung bei der Beklagten Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV).

Die Beklagte gewährt ihren Mitarbeitern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Bei Beginn des Arbeitsverhältnisses galt bei der Beklagten der zwischen dieser und der ÖTV abgeschlossene Rahmentarifvertrag vom 1. Juni 1952 (RTV 1952). Nach § 24 RTV 1952 wird den Arbeitern der Beklagten Ruhelohn und Hinterbliebenenversorgung gewährt nach den "Normen für die Gewährung einer zusätzlichen Versorgung an die Bediensteten der HHLA". In der Folgezeit wurden die "Versorgungsnormen" zunächst durch "Richtlinien" und mit Wirkung vom 1. Januar 1977 durch den "Betriebsrenten-Tarifvertrag der HHLA" vom 13. April 1976 (BR-TV 1976) ersetzt. Nach § 6 BR-TV 1976 richtete sich die Höhe der Betriebsrente nach der Dienstzeit und dem Endgehalt. Sie konnte nach 35 Dienstjahren 75 % des ruhegeldfähigen Betrages (aufgrund der letzten Eingruppierung bezogene monatliche Normalarbeitszeitvergütung) erreichen. Die laufende Rente wurde entsprechend den zugrundeliegenden Monatsbezügen zu den gleichen Zeitpunkten und in gleicher Höhe wie die Bezüge der aktiven Mitarbeiter erhöht. Auf die Betriebsrente waren Renten des Arbeitnehmers aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen (§ 15 BR-TV 1976).

Bei Ende des Arbeitsverhältnisses des Klägers am 31. Juli 1981 galt der Rahmentarifvertrag vom 1. Januar 1980 (RTV 1980), dessen § 24 Abs. 1 für die Betriebsrentner auf den Betriebsrenten-Tarifvertrag der HHLA Bezug nahm.

Seit dem 1. August 1981 erhielt der Kläger von der Beklagten eine monatliche Betriebsrente auf der Grundlage des BR-TV 1976. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten kündigte die Beklagte den BR-TV 1976 zum 31. Dezember 1983. Im Jahre 1985 vereinbarten die ÖTV und die Beklagte einen neuen Betriebsrenten-Tarifvertrag, gültig ab 1. Januar 1986 (BR-TV 1985). In diesem neuen Tarifvertrag haben die Tarifvertragsparteien in Anlehnung an die Kürzung der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst eine neue Gesamtversorgungsobergrenze eingeführt. Diese Grenze richtet sich nach einem dienstzeitabhängigen Prozentsatz des fiktiven Netto-Normalarbeitszeitentgelts und erreicht nach 35 Dienstjahren 92,5 %. In einer Übergangsregelung (§ 25 Nr. 2 BR-TV 1985) ist für die Rentenbezieher bestimmt, daß der Betrag, um den die bisherige Betriebsrente die nach der neuen Rentenformel errechnete Betriebsrente übersteigt, zunächst als Ausgleichsbetrag weitergezahlt wird, aber an künftigen Anpassungen der Betriebsrente nicht teilnimmt. Der Ausgleichsbetrag wird bei jeder nach dem 1. Januar 1986 durchzuführenden Anpassung um den Dynamisierungszuwachs der Betriebsrenten abgebaut.

Aufgrund dieser tariflichen Neuregelung berechnete die Beklagte die Versorgungsbezüge des Klägers zum 1. Januar 1986 neu. Für 28 anrechenbare Dienstjahre errechnete sie eine Gesamtversorgung von 83,7 % des gültigen Netto-Tarifentgelts. Auf die sich hieraus ergebende Betriebsrente von 2.099,94 DM rechnete sie die BfA-Rente des Klägers in Höhe von 1.623,21 DM an, so daß sich eine Betriebsrente von 476,73 DM ergab. Da der Kläger bisher 881,91 DM erhalten hatte, wird dieser Betrag fortgezahlt; der darin enthaltene Ausgleichsbetrag von 405,18 DM nimmt an der Gehaltsentwicklung nicht teil.

Der Kläger will diese Änderung der Versorgungsregelung nicht hinnehmen. Er hat die Auffassung vertreten, ihm sei eine Betriebsrente zugesagt worden, die so habe berechnet werden sollen, wie es in dem BR-TV 1976 geregelt worden sei. Nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses könnten sich Tarifveränderungen für ihn nicht mehr nachteilig auswirken. Die Absenkung der Versorgungsobergrenze sei zudem grob unbillig. Sein Vertrauen auf die ursprünglich zugesagte Versorgung dürfe nicht enttäuscht werden. Die neue Obergrenze berücksichtige nicht den Krankenversicherungsbeitrag der Rentner. Im übrigen werde er persönlich durch die fiktive Nettolohnberechnung besonders hart getroffen, weil er als Schwerbehinderter zusätzlich Steuerfreibeträge habe, die bei der Ermittlung des fiktiven Nettogehalts unberücksichtigt blieben.

Der Kläger hat, soweit in der Revision noch von Bedeutung, beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei,

ihm eine Betriebsrente gemäß dem Betriebsrenten--

Tarifvertrag der Hamburger Hafen- und Lagerhaus

AG vom 13. April 1976 ohne Anwendung abändernder

Bestimmungen des Betriebsrenten-Tarifvertrages

der Hamburger Hafen- und Lagerhaus AG vom

19. Dezember 1985 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Versorgung des Klägers sei wirksam auf 83,7 % seines letzten Nettovergleichseinkommens abgesenkt worden. Die abgeschlossenen Tarifverträge seien wirksam, sie verstießen nicht gegen höherrangiges Recht und verletzten nicht das schützenswerte Vertrauen der Betriebsrentner. Der Kläger habe lediglich Anspruch auf Versorgung in Höhe der jeweils geltenden tarifvertraglichen Regelung.

Die Absenkung der Versorgung sei zum einen wegen der Diskrepanz zwischen dem Nettoeinkommen der aktiven Arbeitnehmer und dem Nettoeinkommen der Betriebsrentner notwendig geworden. Das Verhältnis von Altersversorgung und Aktivenbezügen habe sich laufend zum Nachteil der Arbeitnehmer verschlechtert, weil die Belastung der Löhne mit Steuern und Sozialabgaben ständig gestiegen sei. Zum anderen hätte die Fortführung der bisherigen Altersversorgung voraussehbar die Existenz des Unternehmens in Gefahr gebracht.

Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger kann nicht verlangen, daß seine Betriebsrente nach dem BR-TV 1976 berechnet wird. Die Einführung der Netto-Obergrenze durch den BR-TV 1985 ist wirksam.

A. Gegen eine Sachentscheidung des Senats bestehen keine Bedenken. Zwar dürfte das angefochtene Urteil vom 12. Juni 1992 verspätet abgesetzt worden sein. Der Mangel wurde von der Revision jedoch nicht gerügt.

Nach § 551 Nr. 7 ZPO ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, wenn sie nicht mit Gründen versehen ist. Ein bei Verkündung nicht vollständig abgefaßtes Urteil gilt als nicht mit Gründen versehen, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden ist (GmS OGB Beschluß vom 27. April 1993 - GmS-OGB 1/92 - ZIP 1993, 1341 = NJW 1993, 2603; im Anschluß auch BAG Urteil vom 4. August 1993 - 4 AZR 501/92 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Der absolute Revisionsgrund des § 551 Nr. 7 ZPO muß jedoch gemäß § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO gerügt werden. Er ist nicht von Amts wegen zu berücksichtigen (BAG Urteil vom 27. April 1988 - 4 AZR 691/87 - AP Nr. 4 zu § 10 TV Arb Bundespost).

B. Das Berufungsgericht hat dem Begehren des Klägers zu Recht nicht entsprochen. Der Kläger muß die Kürzung seiner Betriebsrente hinnehmen.

I. Die Altersversorgung des Klägers richtet sich nach dem jeweiligen Tarifrecht.

1. Die Parteien haben die Altersversorgung des Klägers nicht einzelvertraglich vereinbart. Eine solche vertragliche Zusage behauptet der Kläger auch nicht. Der Kläger hat lediglich einen tarifvertraglichen Versorgungsanspruch.

2. Der Versorgungsanspruch des Klägers richtet sich nach dem jeweils geltenden Tarifvertrag.

a) Der Anspruch des Klägers auf Betriebsrente ergibt sich aus § 24 RTV 1980. Danach erhalten ehemalige Gehaltsempfänger der Beklagten eine Betriebsrente, wobei sich die Einzelheiten "aus dem Betriebsrenten-Tarifvertrag der HHLA" ergeben. Bereits § 24 des zur Zeit der Einstellung des Klägers geltenden RTV 1952 hatte auf die "Normen für die Gewährung einer zusätzlichen Versorgung an die Bediensteten der HHLA" verwiesen. Die Auslegung des § 24 RTV in der Fassung von 1952 und 1980 ergibt, daß den Arbeitnehmern der Beklagten eine betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe der jeweils geltenden Ruhegeldregelungen zustehen sollte. Es gelten hier dieselben Grundsätze wie bei einer vertraglichen Versorgungszusage mit einer Verweisung auf eine tarifliche Versorgungsordnung. Solche Verweisungen sind im Zweifel "dynamisch". Sie beziehen sich auf das jeweils geltende Tarifrecht. Das heißt, die Rechtsgrundlage nimmt alle Änderungen des Tarifrechts in sich auf (vgl. BAG Urteil vom 29. Januar 1991 - 3 AZR 44/90 - AP Nr. 23 zu § 18 BetrAVG, zu II b der Gründe).

b) Die Jeweiligkeitsklausel gilt entgegen der Auffassung des Klägers auch nach dem Eintritt des Arbeitnehmers in den Ruhestand. Auch an Verbesserungen könnte der Rentner nur teilnehmen, wenn eine entsprechende Änderung des Tarifvertrags auf sein Ruhestandsverhältnis anzuwenden ist. Der Arbeitgeber will Ruhestandsleistungen nach einheitlichen Regeln erbringen. Es soll gerade verhindert werden, daß die Rentner nach jeweils bei Eintritt in den Ruhestand unterschiedlichen tariflichen Regelungen unterschiedlich behandelt werden (vgl. BAG Urteil vom 4. Mai 1993 - 3 AZR 181/92 -, zu II 1 der Gründe, n.v.).

c) Auf die von der Revision angesprochene Frage der Kompetenz der Tarifvertragsparteien zur Regelung von Ruhestandsverhältnissen kommt es somit nicht an. Da der Kläger auch nach seinem Eintritt in den Ruhestand Mitglied der ÖTV geblieben ist, kann die Frage offen bleiben, ob durch den Tarifvertrag ohne vertragliche Inbezugnahme die Rechtsverhältnisse ausgeschiedener Mitarbeiter auch dann geregelt werden können, wenn der Arbeitnehmer aus der Gewerkschaft ausgetreten ist (zur Tarifkompetenz für das sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses anschließende Rechtsverhältnis vgl. BAGE 63, 100, 106 = AP Nr. 3 zu § 1 TVG Vorruhestand, zu II 2 b der Gründe, mit umfassenden Nachweisen aus dem Schrifttum; vgl. weiter Löwisch/Rieble, TVG, 1992, § 1 Rz 58 f.).

II. Die Änderung des BR-TV 1976 durch den BR-TV 1985 ist sachlich nicht zu beanstanden. Durch den BR-TV 1985 konnte die Versorgung des Klägers eingeschränkt werden.

1. Im Verhältnis von zwei aufeinanderfolgenden Tarifverträgen gilt die Zeitkollisionsregel. Die Tarifvertragsparteien können eine Tarifnorm sowohl zugunsten wie auch zum Nachteil der betroffenen Arbeitnehmer ändern. Die jüngere Norm ersetzt die ältere (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAGE 63, 100, 108 = AP Nr. 3 zu § 1 TVG Vorruhestand, zu II 3 a der Gründe).

2. Verschlechternde Tarifverträge sind von den Gerichten nur darauf zu überprüfen, ob sie gegen das Grundgesetz, gegen zwingendes Gesetzesrecht, gegen die guten Sitten oder gegen tragende Grundsätze des Arbeitsrechts verstoßen (BAGE 22, 252, 266 f. = AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu B IV 3 b der Gründe; BAGE 41, 163, 168 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Besitzstand, zu II 3 der Gründe; BAGE 63, 100, 108 = AP Nr. 3 zu § 1 TVG Vorruhestand, zu II 3 a der Gründe; BAGE 64, 327, 333 f., auch zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Derartige Rechtsverletzungen sind im Streitfall nicht zu erkennen. Die Absenkung der früheren Gesamtversorgungsobergrenze von 75 % des ruhegeldfähigen Bruttoeinkommens auf höchstens 92,5 % des ruhegeldfähigen Nettoeinkommens hält der Prüfung anhand der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes stand.

a) Die Umstellung der Gesamtversorgungsobergrenze von 75 % des Bruttolohns auf höchstens 92,5 % des Nettoeinkommens ist aus dem Gesichtspunkt des Abbaus einer planwidrigen Überversorgung gerechtfertigt. Versorgungsziel des BR-TV 1976 war es, den ausscheidenden Arbeitnehmern mit einer Gesamtversorgungsobergrenze bis zu 75 % des Bruttoeinkommens den im aktiven Dienst erreichten Lebensstandard annähernd zu erhalten. Da seit 1976 die Belastung der Löhne mit Steuern und Sozialabgaben erheblich gestiegen ist, die versorgungsberechtigten Rentner aber Sozialabgaben nur in vergleichsweise geringerer Höhe zu leisten haben und sie außerdem Steuervergünstigungen genießen, entspricht die im Jahre 1985 erreichte tatsächliche Versorgung der Ruheständler nicht mehr dem ursprünglich angestrebten Ziel, den bisherigen Lebensstandard annähernd zu erhalten. Den Abbau einer ursprünglich nicht beabsichtigten Überversorgung hat der Senat gebilligt. Das Vertrauen des Arbeitnehmers auf eine planwidrige Überversorgung ist nicht schutzwürdig (BAGE 66, 146 = AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Ablösung).

b) Im Streitfall ist durch den BR-TV 1985 nicht in unentziehbare Besitzstände oder eigentumsgleiche Rechte des Klägers eingegriffen worden. Die von der Beklagten gezahlte Betriebsrente war vor und nach dem Stichtag des 1. Januar 1986 gleich hoch. Die Effektivrente des Klägers wurde nicht gekürzt. Durch den BR-TV 1985 wurde lediglich für einen Teil der Versorgungsbezüge die 1976 eingeführte Rentendynamik beseitigt: Die laufende Rente nimmt solange nicht an den Erhöhungen nach Maßgabe der Lohnsteigerungen teil, bis der nach der Nettoversorgungsobergrenze berechnete Betrag erreicht ist.

Diese Rentendynamik ist nicht unantastbar. In einem Tarifvertrag kann sogar von der Pflicht zur Anpassung laufender, nicht dynamisierter Renten nach § 16 BetrAVG abgewichen werden (§ 17 Abs. 3 Satz 1 und 2 BetrAVG). Die Beklagte konnte den im Übergangszeitraum gezahlten Ausgleichsbetrag entdynamisieren und auf diese Weise allmählich entsprechend der Entwicklung der Aktivengehälter abschmelzen. Die Beklagte folgt dabei dem im öffentlichen Dienst eingeschlagenen Weg des Abbaus der Überversorgung durch Abschmelzung des Ausgleichsbetrages. Dieser Weg ist maßvoll und vermeidet Härtefälle. Der Senat hat ihn bei der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst gebilligt (vgl. BAGE 64, 327, auch zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Auch der Bundesgerichtshof hat die Einführung der Nettogesamtversorgung durch die VBL aufgrund der 19. Satzungsänderung vom 10. November 1983 für rechtswirksam erklärt (BGH Urteil vom 16. März 1988 - IV a ZR 142/87 - AP Nr. 25 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen). Die von der Freien und Hansestadt Hamburg in privater Rechtsform betriebene Beklagte kann in der gleichen Weise die entstandene Überversorgung abbauen. Sie folgt damit auf tariflichem Wege im wesentlichen der gesetzlichen Änderung des Hamburger Ruhegeldgesetzes durch das 9. Änderungsgesetz vom 5. Dezember 1984 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt, Teil I, S. 255).

3. Damit erweist es sich als unerheblich, ob die Schmälerung der Versorgung des Klägers wegen wirtschaftlicher Notlage der Beklagten gerechtfertigt gewesen wäre.

4. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß er als Rentner mit den gesetzlichen Krankenversicherungsbeiträgen belastet wird. Die Beitragspflicht ist eine gesetzliche Verpflichtung, die jeden Rentner in gleicher Weise trifft. Die Beklagte ist berechtigt, die gesetzliche Rente des Klägers in voller Höhe ohne Rücksicht auf den Krankenversicherungsbeitrag, der dem Kläger von diesen Ruhestandsbezügen einbehalten wird, anzurechnen (vgl. Urteil des Senats vom 10. März 1992 - 3 AZR 352/91 - AP Nr. 39 zu § 5 BetrAVG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen).

5. Schließlich steht der Wirksamkeit der neuen Gesamtversorgungsobergrenze durch den BR-TV 1985 nicht entgegen, daß die Tarifvertragsparteien für schwerbehinderte Arbeitnehmer die gleiche fiktive Nettoversorgungsobergrenze vorgesehen haben wie für sonstige Arbeitnehmer. Es trifft zu, daß Steuervergünstigungen Schwerbehinderter im aktiven Arbeitsleben bei der Festsetzung einer pauschalierten Nettoobergrenze nicht berücksichtigt werden. Diese Besonderheit kann aber nicht ausschlaggebend sein. Sinn und Zweck der tariflichen Nettoversorgungsregelung ist es, einen gleich hohen Versorgungsgrad für alle vergleichbaren Versorgungsberechtigten zu gewährleisten; der nach der Ausgangsversorgung des Jahres 1976 entstandene Abstand zwischen den Versorgungsbezügen und den Bezügen der aktiven Arbeitnehmer soll beseitigt werden. Das muß nicht in der Weise geschehen, daß die Nettoeinkünfte des aktiven Arbeitnehmers und des Rentners in jedem Einzelfall, etwa nach der persönlichen Steuerklasse oder individueller Steuervergünstigungen verglichen werden. Eine pauschalierende Betrachtung ist zulässig. Eine solche Regelung ist sachgemäß und angemessen. Sie verstößt nicht gegen § 45 SchwbG (BAGE 64, 327, 336, auch zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

Griebeling Dr. Wittek Hauck

Gnade Dr. Bächle

 

Fundstellen

Haufe-Index 438508

BB 1994, 1076

BB 1994, 1076-1078 (LT1-6)

BB 1994, 724

DB 1994, 891-892 (LT1-6)

BetrAV 1994, 192-193 (LT1-6)

EWiR 1994, 323 (S1-3)

NZA 1994, 807

NZA 1994, 807-809 (LT1-6)

ZTR 1994, 201-202 (LT1-6)

AP § 1 BetrAVG Ablösung (LT1-6), Nr 19

EzA § 1 BetrAVG Ablösung, Nr 10 (LT1-6)

VersR 1994, 707 (L)

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