Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilzeitbeschäftigte Lehrkraft mit Hauptberuf

 

Normenkette

BeschFG 1985 § 2 Abs. 1; BGB §§ 134, 305, 611, 612 Abs. 2, § 242; GG Art. 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 30.09.1991; Aktenzeichen 14 (2) Sa 107/91)

ArbG Köln (Urteil vom 08.11.1990; Aktenzeichen 6 Ca 3256/90)

 

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 30. September 1991 – 14 (2) Sa 107/91 – aufgehoben.

2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit ab 1. August 1989 anteilige Vergütung nach der VergGr. II a BAT zu zahlen.

Der Kläger praktiziert seit 1976 als selbständiger Rechtsanwalt in einer Sozietät zusammen mit einem Kollegen. Weiter ist er seit 1982 als „nebenberufliche Lehrkraft” an einer berufsbildenden Schule des beklagten Landes tätig. Er unterrichtet dort neun Wochenstunden „Fachkunde für Rechtsanwaltsgehilfinnen”. Vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte mit vergleichbarer Tätigkeit haben 25 Wochenstunden zu erteilen. Die Rechtsbeziehungen der Parteien sind zuletzt geregelt im Vertrag vom 12./26. Juni 1989. Soweit darin die Stundenaufstockung von zwei auf neun Stunden befristet war, steht durch rechtskräftiges Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22. August 1990 – 2/14 Ca 4994/90 – fest, daß die Befristung unwirksam ist und der Vertrag in vollem Umfang über den 31. Juli 1990 hinaus fortbesteht.

Der Kläger erhält seit dem 1. August 1989 pro Unterrichtsstunde eine Vergütung von 36,20 DM. Sie liegt erheblich niedriger als der anteilige Stundensatz vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Lehrer im Angestelltenverhältnis. Der Kläger hält die Vergütungsregelung der Parteien für rechtsunwirksam. Mit seiner Klage verlangt er anteilige Vergütung nach der VergGr. II a BAT.

Neben den Unterrichtsstunden wendet der Kläger für seine Lehrtätigkeit mindestens zwei bis drei Stunden die Woche an Vorbereitungszeit auf sowie durchschnittlich mindestens eine Wochenstunde für das Korrigieren von Klassenarbeiten. Die Fahrzeit vom Wohnort zum Schulort beträgt pro Woche dreimal 70 Minuten. Insgesamt entfällt auf die Lehrtätigkeit 1/3 bis 1/4 der Arbeitszeit des Klägers.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Vergütungsregelung der Parteien verstoße gegen § 2 Abs. 1 BeschFG. Es bestehe kein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung gegenüber den vollzeitbeschäftigten Lehrern. Er übe seine Tätigkeit als Rechtsanwalt nur zu einem Teil der üblichen Arbeitszeit aus. Sie biete ihm auch keinerlei soziale Absicherung. Er müsse sämtliche Kosten für seine soziale Sicherheit, wie Altersversorgung und Krankenversicherung, aus seinem Bruttoeinkommen finanzieren. Die Einkünfte aus seiner selbständigen Tätigkeit lägen unter denen eines Lehrers der Vergütungsgruppe II a BAT. Daher habe seine Lehrtätigkeit für ihn eine wesentliche berufliche Bedeutung und bilde mit eine Grundlage für seine wirtschaftliche Existenz.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihm ab 1. August 1989 eine anteilige 9/25 Vergütung eines Gehaltes der Gruppe II a BAT zu gewähren.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, die unterschiedliche Behandlung des Klägers sei aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Der Kläger sei durch seinen Hauptberuf als Rechtsanwalt hinreichend abgesichert. Er finde in seiner selbständigen Tätigkeit für sich und seine Familie eine auskömmliche und gesicherte Existenzgrundlage. Der Verdienst aus der Lehrtätigkeit habe demgegenüber nur geringe Bedeutung und sichere seine wirtschaftliche Existenz nicht wesentlich.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das. Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Es kann gegenwärtig noch nicht abschließend beurteilt werden, ob dem Kläger der erhobene Anspruch zusteht. Die Sache bedarf weiterer Aufklärung.

I. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger eine anteilige Vergütung nach VergGr. II a BAT zuerkannt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die soziale Lage eines teilzeitbeschäftigten Lehrers, der neben seiner Teilzeitbeschäftigung einer Haupttätigkeit nachgehe, stelle keinen sachlichen Grund im Sinne des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 für eine unterschiedliche vergütungsrechtliche Behandlung dar. Dem stünden methodische und rein praktische Argumente entgegen. Man könne im einzelnen Fall nicht genau festlegen, welche Art von Einkommen berücksichtigt werden müsse und ab welcher Einkommenshöhe eine soziale Absicherung gegeben sei. Es sei zweifelhaft, ob die Einkünfte des Klägers als auskömmliche und gesicherte Existenzgrundlage angesehen werden könnten. Unter Berücksichtigung der typischen Risiken eines Selbständigen sowie der Tatsache, daß der Kläger von seinem Einkommen aus anwaltlicher Tätigkeit noch sämtliche Kosten der Rentenversicherung, der Krankenversicherung und der Absicherung für Arbeitslosigkeit zu tragen habe, liege sein Lebensstandard aufgrund seines Einkommens deutlich unter dem eines vergleichbaren Lehrers. Ihm stehe daher die verlangte Vergütung zu.

Dieser Begründung kann nicht gefolgt werden.

II.1. Nach § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, daß sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, die Schaffung weiterer Teilzeitarbeitsplätze zu fördern, aber auch, die Teilzeitbeschäftigten, deren Zahl in den Jahren vor Erlaß des Beschäftigungsförderungsgesetzes insbesondere wegen der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt stark zugenommen hatte, zu schützen und zu verhindern, daß sie zusätzlich zu ihrer geringeren Verdienstmöglichkeit auch noch weitere Schlechterstellungen im Vergleich zu den Vollzeitbeschäftigten hinnehmen müssen. Dieser Schutzzweck der Norm entfällt aber bei denjenigen Teilzeitbeschäftigten, die ihre Tätigkeit nur nebenberuflich ausüben, in erster Linie aber einem Vollzeitberuf nachgehen.

In dieser Hinsicht kann die hauptberufliche Tätigkeit einen sachlichen Grund im Sinne des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 darstellen, der die unterschiedliche vergütungsmäßige Behandlung eines Teilzeitbeschäftigten mit Hauptberuf nicht als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot der Vorschrift erscheinen läßt. Das hat der Senat unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Beschäftigungsförderungsgesetzes und weiter auf Hanau (NZA 1984, 345, 347) im Urteil vom 22. August 1990 (BAGE 66, 17 = AP Nr. 8 zu § 2 BeschFG 1985) im tatbestandlich besonders gelagerten Falle eines im landeskirchlichen Dienst stehenden Pfarrers, der sechs Wochenstunden Religionsunterricht erteilte, näher ausgeführt und in weiteren Urteilen vom 11. März 1992 (– 5 AZR 237/91 –, zur Veröffentlichung bestimmt, selbständiger Bäckermeister mit eigenem Betrieb) und vom 19. August 1992 (– 5 AZR 95/92 – nicht veröffentlicht, Notar mit eigener Praxis) bestätigt. In den beiden letztgenannten Urteilen ist ferner hervorgehoben, es sei nicht entscheidend, welche Einkünfte der Betreffende im Hauptberuf jeweils erziele und welche soziale Absicherung er sich tatsächlich geschaffen habe oder hätte schaffen können, vielmehr sei darauf abzustellen, ob er als hauptberuflich Tätiger über eine dauerhafte Existenzgrundlage verfüge.

2. Auf der anderen Seite hat der Senat jedoch entschieden, daß eine anderweitige Teilzeittätigkeit des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers keinen sachlichen Grund i. S. des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 darstellt, der wegen der sozialen Lage des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers eine niedrigere Vergütung rechtfertigen könnte (vgl. Senatsurteile vom 12. Dezember 1990 – 5 AZR 546/89 –, nicht veröffentlicht, zu III der Gründe; sowie vom 21. August 1991 – 5 AZR 634/90 – ZTR 1992, 73, zu II 2 der Gründe). Diese Grundsätze müssen auch für den in Teilzeit tätigen Selbständigen gelten, der einen Vollzeitberuf erst durch die Kombination aus einer Teilzeittätigkeit als Arbeitnehmer und einer Teilzeittätigkeit als Selbständiger erlangt. Zu fordern ist aber, daß die zeitliche Beschränkung der Teilzeittätigkeit des Selbständigen auf dessen freier Entscheidung beruht, daß er gleichsam seinen beruflichen Lebensweg von Anfang an oder erst später zweigleisig angelegt hat. Als Anhaltspunkt für die Abgrenzung zwischen hauptberuflicher und nebenberuflicher Tätigkeit kann die Protokollnotiz der Tarifvertragsparteien des BAT zu Buchst. n) des § 3 BAT n. F. dienen, wonach eine hauptberufliche Erwerbstätigkeit vorliegt, wenn – bei einer selbständigen Tätigkeit – die Arbeitszeit ungefähr 3/4 der regelmäßigen (üblichen) Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Selbständigen der betreffenden Berufsrichtung beträgt. Bei der sehr unterschiedlichen Belastung im Anwaltsberuf müßte durch Schätzung eine Grundlage gefunden werden.

3. Wendet man diese Überlegungen auf den Streitfall an, so ergibt sich, daß die von den Parteien getroffene Vergütungsvereinbarung einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 darstellen kann. Zwar war der Kläger im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in seinem durch Studium und weitere Ausbildung eröffneten Beruf als Rechtsanwalt in einer Sozietätspraxis selbständig tätig. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wendet der Kläger jedoch ein Drittel bis ein Viertel seiner gesamten Arbeitszeit für die Teilzeittätigkeit bei dem beklagten Land auf, während der Kläger zusätzlich vorgetragen hat, er hole die durch Unterricht in Anspruch genommene Zeit nicht etwa abends, nachts oder am Wochenende nach.

Den Parteien muß Gelegenheit gegeben werden, zu den oben dargelegten Überlegungen des Senats Stellung zu nehmen. Das Landesarbeitsgericht wird die Sache sodann noch einmal untersuchen und die Frage der zeitlichen Belastung des Klägers im Hauptberuf aufklären.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog ist dienstunfähig erkrankt und deshalb an der Unterschrift verhindert., Liebsch, Werner, Dr. Thomas

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1081339

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