Entscheidungsstichwort (Thema)

Verlautbarung über Ende eines Streiks

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Soll ein Streik vor einem Feiertag beendet werden, so muß dies dem Arbeitgeber von der streikführenden Gewerkschaft oder den streikbeteiligten Arbeitnehmern mitgeteilt werden. Im Konflikt um einen Verbandstarifvertrag kann die Mitteilung auch gegenüber dem Arbeitgeberverband erfolgen.

2. Eine öffentliche Verlautbarung über die Medien kann eine unmittelbare Mitteilung nur ersetzen, wenn sie vor dem Feiertag zur Kenntnis des betroffenen Arbeitgebers gelangt. Voraussetzung ist ferner, daß die Meldung a. hinreichend genau darüber informiert, wann, wo und inwieweit der Streik enden soll; b. klar zum Ausdruck bringt, daß der Beschluß von der streikführenden Gewerkschaft stammt.

 

Normenkette

GG Art. 9; LFZG § 1; ZPO § 284

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 31.01.1996; Aktenzeichen 3 Sa 827/95)

ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 01.03.1995; Aktenzeichen 1 Ca 589/94)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger, der in der Woche vor Pfingsten 1994 gestreikt hatte, Anspruch auf Lohnzahlung für den Pfingstmontag hat.

Die Beklagte betreibt in H eine Lagerei und vertreibt im Großhandel über Katalogbestellungen Werkzeuge, Autozubehör und ähnliche Waren. Sie beschäftigt in diesem Betrieb rund 200 Arbeitnehmer. In H besteht eine Tochtergesellschaft, die einen Baumarkt betreibt. Der Kläger ist bei der Beklagten als kaufmännischer Angestellter tätig. Er ist Vorsitzender des Betriebsrats.

Im Rahmen eines von der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen geführten Arbeitskampfes wurden vom 17. Mai 1994 (Dienstag vor Pfingsten) an in H der Betrieb der Beklagten sowie der Baumarkt der Tochtergesellschaft bestreikt. Am Streik beteiligten sich etwa 100 Arbeitnehmer der Beklagten, darunter der Kläger. Am 20. Mai 1994 (Freitag vor Pfingsten) beschloß die Streikleitung gegen 11.00 Uhr, den Streik in den beiden H Betrieben mit diesem Tag zu beenden. Sie unterrichtete die Streikenden am frühen Nachmittag und teilte den Beschluß auch der örtlichen Presse und dem Lokalfunk mit. Der Lokalfunk berichtete in der Sendung "Lokalstenogramm" am 20. Mai 1994 um 17.30 Uhr über den Beschluß wie folgt:

"Die Streikaktionen im H Großhandel werden

mit Beginn des Samstages vorerst beendet. Das

teilt die Gewerkschaft Handel, Banken, Versiche-

rungen HBV mit. Betroffen von den Arbeitskampf-

maßnahmen sind in H die Lagereigesellschaft

sowie die Beschäftigten der H im W -

Baumarkt. Die Gewerkschaft erklärte weiter,

sie habe den beim Amtsgericht H gestellten

Antrag auf einstweilige Verfügung wegen des Ein-

satzes von sogenannten Streikbrechern zurückgezo-

gen. Am Mittwoch kommender Woche werden Arbeitge-

ber und Arbeitnehmer in die 5. Verhandlungsrunde

gehen. Falls die Gespräche nicht zu einer Eini-

gung führen, kündigte die HBV weitere Streiks

an."

In der "H Rundschau", der örtlichen Ausgabe der "Westfälischen Rundschau", erschien am 21. Mai 1994 folgende Meldung:

"HBV setzt den Streik aus

H . Beendet hat die Gewerkschaft Handel, Ban-

ken und Versicherungen zunächst die Streikaktio-

nen bei der Lagereigesellschaft sowie bei

H ("W "-Werkzeug- und

Elektronik-Markt). HBV-Sekretär Jürgen K :

"Die Beschäftigten haben mit ihren Arbeitsnieder-

legungen gezeigt, welche Bedeutung für sie die

Tarifauseinandersetzung im Großhandel hat. Wir

hoffen, daß die Arbeitgeber das Zeichen verstan-

den haben und beim nächsten Verhandlungstermin am

kommenden Mittwoch mit diskutablen Angeboten er-

scheinen." Sollten die Arbeitgeber allerdings auf

ihrer Forderung "zurück in die 50er Jahre" behar-

ren, dann würden zusätzlich weitere Betriebe zum

Streik aufgerufen."

Eine unmittelbare Unterrichtung der Beklagten oder des Arbeitgeberverbandes über die Beendigung des Streiks unterblieb. Am Dienstag nach Pfingsten, dem 24. Mai 1994, erschienen alle Arbeitnehmer wieder zur Arbeit. Die Beklagte zahlte dem Kläger wie auch den übrigen Streikteilnehmern für den Pfingstmontag (23. Mai 1994) kein Arbeitsentgelt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe für den Pfingstmontag noch Arbeitsentgelt in der - rechnerisch unstreitigen - Höhe von 228,58 DM brutto zu. Die Arbeit sei an diesem Tag nur wegen des Feiertags ausgefallen. Der Streik sei schon am Freitag vor Pfingsten beendet worden. Diesen Beschluß habe die Streikleitung auch öffentlich verlautbart. Einer besonderen Unterrichtung der Arbeitgeberin habe es infolgedessen nicht bedurft. Die Gewerkschaft könne davon ausgehen, daß solche Meldungen der örtlichen Medien auch die Geschäftsführung der Beklagten erreichten. Im übrigen habe der Geschäftsführer tatsächlich bereits vor dem Feiertag Kenntnis von der Medienberichterstattung gehabt. Außerdem habe er gewußt, daß die streikenden Arbeitnehmer des Baumarkts am Samstag vor Pfingsten wieder gearbeitet hätten. Für beide Behauptungen hat der Kläger Beweis durch Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten angeboten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 228,58 DM

brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit

Rechtshängigkeit (10. Oktober 1994) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach ihrer Meinung hat der Kläger für den Pfingstmontag keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt, denn der Arbeitsausfall an diesem Tag sei nicht allein durch den Feiertag bedingt gewesen. Der Streik sei erst mit der Arbeitsaufnahme am 24. Mai 1994 beendet worden. Daß die Gewerkschaft schon am 20. Mai die Beendigung beschlossen hatte, sei unerheblich. Der Beschluß sei ihr, der Beklagten, nämlich nicht mitgeteilt worden. Die Verlautbarung gegenüber den Medien habe nicht ausgereicht, weil sie lediglich der Unterrichtung der Allgemeinheit gedient habe. Auf eine tatsächliche Kenntnis von Vertretern der Beklagten komme es nicht an. Im übrigen habe sie von der Beendigung des Streiks auch erst durch die Arbeitsaufnahme am 24. Mai 1994 erfahren. Der vom Kläger für das Gegenteil angebotene Beweis sei als Ausforschungsbeweis unzulässig. Auch die Wiederaufnahme der Arbeit im Baumarkt am 21. Mai sei ihr vor dem 24. Mai 1994 nicht zur Kenntnis gelangt; außerdem ergebe sich aus ihr nichts für die Streikbeendigung im Betrieb der Beklagten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Arbeit sei am Pfingstmontag nicht ausschließlich wegen des Feiertags ausgefallen, denn an diesem Tag sei der Streik noch nicht beendet gewesen. Die Verlautbarung des gewerkschaftlichen Beendigungsbeschlusses gegenüber den Medien reiche insoweit nicht aus. Das Landesarbeitsgericht ist dieser Begründung gefolgt und hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hat Erfolg. Die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung trägt die Abweisung der Klage nicht.

I. Dem Landesarbeitsgericht ist allerdings darin zu folgen, daß hier als Anspruchsgrundlage allein § 1 Abs. 1 FeiertagslohnzahlungsG in Betracht kommt. Das EntgeltfortzahlungsG, durch dessen § 2 diese Vorschrift abgelöst wurde, ist erst am 1. Juni 1994 in Kraft getreten (Art. 53 des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26. Mai 1994 - BGBl. I S. 1014). Wenn der Kläger einen Anspruch auf Feiertagslohnzahlung haben sollte, dann wäre er zu diesem Zeitpunkt bereits entstanden.

Die Entscheidung erweist sich auch insoweit als zutreffend, als das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen ist, ein Anspruch des Klägers auf Entgeltzahlung nach § 1 Abs. 1 FeiertagslohnzahlungsG setze voraus, daß der Streik bereits vor dem Pfingstmontag 1994 beendet war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt Senatsurteil vom 1. März 1995 - 1 AZR 786/94 - AP Nr. 68 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu I 2 der Gründe, m.w.N.) hat der Arbeitgeber für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, den Arbeitnehmern den Arbeitsverdienst zu zahlen, den sie ohne den Arbeitsausfall erhalten hätten. Der Arbeitgeber ist also verpflichtet, die Arbeitnehmer so zu stellen, wie sie gestanden hätten, wenn die Arbeit nicht infolge des Feiertags ausgefallen wäre. "Infolge" eines gesetzlichen Feiertags ist die Arbeit nur dann ausgefallen, wenn der Feiertag die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall war. Dagegen entsteht der Anspruch nicht, wenn die Arbeit auch aus anderen Gründen ausgefallen ist, z.B. wegen eines Arbeitskampfs. Fällt ein gesetzlicher Feiertag in die Zeit eines Streiks, so ist der Arbeitsausfall an diesem Feiertag durch den Arbeitskampf verursacht, ein Anspruch auf Feiertagslohnzahlung besteht nicht. Dagegen muß Feiertagslohn gezahlt werden, wenn der Arbeitskampf unmittelbar vor dem Feiertag endet, denn dann ist der gesetzliche Feiertag als alleinige Ursache für den Arbeitsausfall anzusehen.

II. Das Landesarbeitsgericht hat seine Annahme, hier sei der Streik trotz des Beendigungsbeschlusses nicht vor dem Pfingstmontag 1994 beendet worden, damit begründet, daß eine entsprechende Erklärung der Gewerkschaft oder der Streikenden gegenüber der Beklagten oder deren Verband nicht vor dem Feiertag abgegeben worden sei. Insoweit ist das angefochtene Urteil fehlerhaft.

1. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt, daß es für die Beendigung einer streikbedingten Arbeitsunterbrechung nicht genügt, daß die streikführende Gewerkschaft einen entsprechenden Beschluß faßt und den Streikenden mitteilt. Vielmehr bedarf es, um die streikbedingte Suspendierung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis rückgängig zu machen, einer entsprechenden Erklärung der Gewerkschaft oder der Streikenden (BAGE 58, 320, 324 = AP Nr. 56 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu II 2 der Gründe; BAGE 73, 141, 146 f. = AP Nr. 63 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu I 2 der Gründe). Insoweit gilt für die Beendigung eines Arbeitskampfs nichts anderes als für dessen Beginn. Die jeweilige Gegenseite muß wissen, ob sie einer Kampfmaßnahme (noch) ausgesetzt ist, damit sie ihr eigenes Verhalten entsprechend einrichten und beispielsweise von ihren arbeitskampfrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten Gebrauch machen kann. So hat der Senat erst kürzlich darauf hingewiesen, daß der Arbeitgeber, wenn er die Arbeitnehmer zum Verlassen ihrer Arbeitsplätze auffordere, zum Ausdruck bringen müsse, ob er damit zum Kampfmittel der Aussperrung greifen oder nur auf eine streikbedingte Betriebsstörung reagieren wolle; ebenso müsse der von einer Arbeitskampfmaßnahme Betroffene darüber in Kenntnis gesetzt werden, ob die Maßnahme vom kampfführenden Verband getragen sei oder nicht (Urteil vom 31. Oktober 1995 - 1 AZR 217/95 - AP Nr. 140 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu I 2 der Gründe, m.w.N.).

2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, hier sei der Streik erst mit der Arbeitsaufnahme am Dienstag nach Pfingsten, dem 24. Mai 1994, zu Ende gegangen. Vorher sei gegenüber der Beklagten die Beendigung des Streiks nicht erklärt worden. Es sei aber eine an den Arbeitgeber oder dessen Verband gerichtete Beendigungserklärung erforderlich. Eine Erklärung gegenüber der Öffentlichkeit, wie sie hier über die lokalen Medien erfolgt sei, könne zur Beendigung des Streiks nicht ausreichen. Sie diene nicht der Unterrichtung des Kampfgegners, sondern lediglich dem Informationsbedürfnis der Allgemeinheit. Daher sei es unerheblich, ob die Beklagte hier von der Erklärung der Gewerkschaft tatsächlich Kenntnis erlangt habe.

3. Damit hat das Landesarbeitsgericht die an eine Beendigungserklärung zu stellenden Anforderungen überspannt.

a) Der Senat ist in seinem Urteil vom 31. Oktober 1995 (- 1 AZR 217/95 - AP Nr. 140 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu I 2 b bb der Gründe; zustimmend Löwisch, AR-Blattei ES 170.1 Nr. 42) von dem Grundsatz ausgegangen, daß sich das Arbeitskampfgeschehen seiner Natur nach einer Formalisierung weitgehend entzieht. An Form und Umfang der erforderlichen Unterrichtung der Arbeitnehmerseite über einen Beschluß des Arbeitgeberverbandes, der die Mitgliedsunternehmen zur Aussperrung ermächtige, dürften daher keine hohen Anforderungen gestellt werden. Der Arbeitnehmerseite müsse nicht förmlich mitgeteilt werden, daß eine Aussperrung durch den Verband veranlaßt oder gebilligt sei. Vielmehr reiche es aus, wenn sich dies rechtzeitig aus den Umständen ergebe. So erübrige sich beispielsweise ein besonderer Hinweis dann, wenn der Arbeitgeberverband schon vorsorglich für den Fall von Kurzstreiks öffentlich Aussperrungen in den etwa betroffenen Unternehmen angekündigt habe.

Entsprechende Erwägungen gelten für eine Erklärung, die den Beginn oder die Beendigung einer Kampfmaßnahme betrifft. Zwar mögen sich hier Besonderheiten daraus ergeben, daß sich der Beginn oder das Ende einer Kampfmaßnahme in der Praxis weniger deutlich aus Begleitumständen der Erklärung ersehen lassen als etwa die Billigung eines Streiks oder einer Aussperrung durch den Verband. Auch ist nicht zu verkennen, daß für den tariflichen Gegenspieler die Frage, ob er überhaupt einer Arbeitskampfmaßnahme ausgesetzt ist, weitaus größere Bedeutung hat als deren koalitionsrechtliche Modalitäten. Das ändert aber nichts daran, daß auch hier das Gebot der fairen Kampfführung (Senatsurteil vom 31. Oktober 1995, AP, aaO, zu I 2 b der Gründe) schon dann erfüllt ist, wenn der Gegner seine Reaktionsmöglichkeiten erkennen und angemessen reagieren kann.

Hierbei ist von der Regel auszugehen, daß die erforderliche Mitteilung ihren Zweck immer dann erfüllt, wenn sie unmittelbar an den Kampfgegner, also an den von einem Streik betroffenen Arbeitgeber oder an die von einer Aussperrung betroffenen Arbeitnehmer gerichtet ist. Eine Erklärung, die statt dessen den zuständigen Arbeitgeberverband oder die Gewerkschaft zum Adressaten hat, genügt dem Unterrichtungserfordernis freilich ebenso. Das folgt schon aus dem kollektiven Charakter des Tarifkonflikts. Einschränkungen, die sich insoweit bei Arbeitskämpfen um Firmentarifverträge ergeben können, sind im vorliegenden Fall ohne Bedeutung, weil es hier um einen Verbandstarifvertrag ging.

b) Die unmittelbar an den Kampfgegner oder an dessen Verband gerichtete Erklärung ist jedoch nicht der einzige Weg, auf dem der Gegenseite zulässigerweise der Beginn oder das Ende einer Kampfmaßnahme mitgeteilt werden kann. Es ist gleichgültig, ob dem Arbeitgeber eine förmliche Beendigungserklärung zugestellt wird - ggf. über seinen Arbeitgeberverband - oder ob er durch eine öffentliche Verlautbarung der kampfführenden Gewerkschaft über den Beendigungsbeschluß und dessen Inhalt unterrichtet wird. Eine öffentliche Verlautbarung, die tatsächlich zur Kenntnis des Arbeitgebers gelangt, genügt dem Gebot der fairen Kampfführung ebenso wie ein an ihn adressiertes Schreiben. In beiden Fällen kann sich der Arbeitgeber auf die Beendigung des Streiks einstellen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Umstand, daß Erklärungen der Gewerkschaft gegenüber den Medien zugleich und vor allem das Informationsbedürfnis der Allgemeinheit befriedigen sollen, in diesem Zusammenhang bedeutungslos.

Es genügt allerdings nicht, wie der Kläger offenbar meint, wenn eine öffentliche Verlautbarung, etwa in Form einer Presseerklärung, zwar vorliegt, aber dann nicht zur Kenntnis des Arbeitgebers gelangt. Dem Arbeitgeber kann nicht zugemutet werden, alle am Ort verfügbaren Medien ständig daraufhin zu verfolgen, ob sie eine Erklärung der Gegenseite über Kampfmaßnahmen enthalten. Bedient sich eine Kampfpartei der Medien, um den Gegner von ihren Maßnahmen in Kenntnis zu setzen, dann trägt sie das Risiko, daß ihn diese Information nicht erreicht.

Es kommt hinzu, daß eine öffentliche Verlautbarung nur dann zur Unterrichtung der Gegenseite genügt, wenn sie hinreichend genau und vollständig darüber informiert, wann, wo und inwieweit die Kampfmaßnahme beginnen oder enden soll, und wer Urheber des Beschlusses ist. Hieraus folgt, daß z.B. Pressemeldungen, die sich lediglich auf "Informationen aus gut unterrichteten Kreisen" berufen, nicht ausreichen können. Auch alle Ungenauigkeiten gehen zu Lasten derjenigen Kampfpartei, die sich für ihre Mitteilungen öffentlicher Medien bedient.

c) Die vorstehenden Erwägungen stehen nicht in Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des Senats zu den Anforderungen, die an eine Erklärung der Streikbeendigung zu stellen sind (BAGE 58, 320, 324 = AP Nr. 56 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu II 2 der Gründe; BAGE 73, 141, 146 f. = AP Nr. 63 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu I 2 der Gründe). Soweit in diesen Urteilen von Erklärungen gegenüber dem Arbeitgeber die Rede ist, kann hieraus nicht geschlossen werden, die Beendigungserklärung müsse immer den Arbeitgeber oder dessen Verband zum Adressaten haben. In keinem der entschiedenen Fälle spielte die Frage eine Rolle, ob eine gegenüber der Öffentlichkeit abgegebene Erklärung ausreicht.

III. Aus den dargestellten Grundsätzen ergibt sich, daß der Sachverhalt noch nicht ausreichend geklärt ist. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen kommt es darauf an, ob die Beklagte vor dem Pfingstmontag vom Beendigungsbeschluß der kampfführenden Gewerkschaft Kenntnis erlangt hat.

1. Erweist sich die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe spätestens durch die Pressemeldung am 21. Mai 1994 vom Beendigungsbeschluß erfahren, als zutreffend, so war der Streik vor dem Pfingstmontag beendet. In diesem Fall ist der Klageanspruch begründet, anderenfalls nicht.

Hat der Geschäftsführer der Beklagten tatsächlich die Meldung im Lokalfunk oder in der H Rundschau zu Kenntnis genommen, so war die Beklagte damit hinreichend über den Beschluß der Gewerkschaft unterrichtet, den Streik mit Ablauf des 20. Mai 1994 zu beenden. Zu Zweifeln bestand dann kein Anlaß. In beiden Meldungen wurden der Zeitpunkt für die Beendigung des Streiks, die betroffenen Betriebe und eine öffentliche Bekanntgabe der streikführenden Gewerkschaft als Quelle genannt. Überdies wurden Äußerungen über die weiteren Verhandlungen wiedergegeben, die im Namen der kampfführenden Gewerkschaft abgegeben worden waren und den vorläufigen Abschluß der Streikmaßnahme vor Pfingsten als schlüssig erscheinen ließen.

2. Der Kläger hat für seine Behauptung, die Beklagte sei vor dem Pfingstmontag über die Beendigung des Streiks informiert gewesen, hinreichend Beweis angetreten. Die von ihm angebotene Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten ist ein geeignetes Beweismittel. Der Einwand der Beklagten, es handele sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis, verfängt nicht.

Ein Beweisantrag wird allgemein dann als sogenannter Ausforschungsbeweis für unzulässig gehalten, wenn er sich als Beweisermittlungsantrag darstellt, durch den die beweispflichtige Partei erst Hinweise für weiteren tatsächlichen Vortrag erlangen will (z.B. MünchKomm-ZPO/Prütting, § 284 Rz 73; Zöller/Greger, ZPO, 19. Aufl., Vor §284 Rz 5 f.). Darum geht es hier indessen nicht. Der Kläger hat die ihm günstige Tatsache, nämlich die Kenntnis des Geschäftsführers der Beklagten aufgrund bestimmter Meldungen in den Medien, abschließend und substantiiert behauptet. Weiteren Tatsachenvortrags bedarf es hierzu nicht.

Auch soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang geltend macht, der Kläger habe lediglich Vermutungen vorgetragen, ist ihr nicht zu folgen. Zwar kann eine Behauptung, die aus der Luft gegriffen und gleichsam "ins Blaue" hinein aufgestellt wird, als Rechtsmißbrauch unbeachtlich sein; dies ist aber nur dann anzunehmen, wenn jegliche tatsächlichen Anhaltspunkte für den behaupteten Sachverhalt fehlen (BGH Urteil vom 23. April 1991 - X ZR 77/89 - NJW 1991, 2707, 2709; MünchKomm-ZPO/Prütting, aaO; Zöller/Greger, aaO). So substanzlos war der Vortrag des Klägers keineswegs. Im Gegenteil hat er mit den Meldungen im Lokalfunk und in der H Rundschau, also dem örtlichen Kopfblatt einer bedeutenden Regionalzeitung, hinreichende Tatsachen dargelegt, die eine Kenntnis des Geschäftsführers angesichts des Tarifkonflikts nahelegen. Es kommt hinzu, daß nach der Behauptung des Klägers die Arbeitnehmer des gleichzeitig bestreikten Baumarkts der Tochtergesellschaft der Beklagten am Samstag vor Pfingsten (21. Mai 1994) die Arbeit wieder aufgenommen haben sollen. Es ist kaum vorstellbar, daß der Geschäftsführer der an demselben Ort ansässigen Muttergesellschaft von einem so wichtigen Vorgang nichts erfahren haben soll. Weitergehender Vortrag zur Kenntnis der Beklagten kann vom Kläger schon deshalb nicht verlangt werden, weil es um eine innere Tatsache im Bereich der Beklagten geht.

Dieterich Rost Wißmann

Muhr Bayer

 

Fundstellen

Haufe-Index 437223

BB 1997, 424 (Leitsatz 1-2)

DB 1997, 479-480 (Leitsatz 1-2 und Gründe)

NJW 1997, 1799

NJW 1997, 1799-1801 (Leitsatz 1-2 und Gründe)

EBE/BAG 1997, 34-36 (Leitsatz 1-2 und Gründe)

EBE/BAG Beilage 1997, Ls 41/97 (Leitsatz 1-2)

ARST 1997, 87-90 (Leitsatz 1-2 und Gründe)

NZA 1997, 397

NZA 1997, 397-399 (Leitsatz 1-2 und Gründe)

Quelle 1997, Nr 5, 24 (Leitsatz 1-2)

RdA 1997, 188 (Leitsatz 1-2)

SAE 1998, 121

SAE 1998, 121 (Leitsatz 1-2)

ZTR 1997, 171-172 (Leitsatz 1-2 und Gründe)

AP § 2 EntgeltFG (Leitsatz 1-2), Nr 4

AP, Arbeitskampf (Leitsatz 1-2 und Gründe)

AR-Blattei, ES 170.1 Nr 44 (Leitsatz 1-2 und Gründe)

ArbuR 1996, 500-501 (Kurzwiedergabe)

ArbuR 1997, 218-219 (Leitsatz 1-2 und Gründe)

EzA-SD 1997, Nr 3, 14 (Leitsatz 1-2)

EzA § 1 FeiertagslohnzahlungsG, Nr 10 (Leitsatz 1-2)

EzA, Arbeitskampf Nr 126 (Leitsatz 1-2 und Gründe)

EzBAT § 8 BAT Arbeitskampf, Nr 45 (Leitsatz 1-2 und Gründe)

PERSONAL 1997, 483 (Leitsatz 1-2)

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