Entscheidungsstichwort (Thema)

13. Monatseinkommen ohne tatsächliche Arbeitsleistung

 

Leitsatz (redaktionell)

Bestätigung der Rechtsprechung des 10. Senats vom 5. August 1992 – 10 AZR 88/90 – AP Nr. 143 zu § 611 BGB Gratifikation, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen.

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Urteil vom 17.12.1991; Aktenzeichen 4 Sa 613/90)

ArbG Bayreuth (Urteil vom 16.10.1990; Aktenzeichen 1 Ca 196/90)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 17. Dezember 1991 – 4 Sa 613/90 – aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 16. Oktober 1990 – 1 Ca 196/90 – abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.604,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 20. Februar 1990 zu zahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung eines tariflichen 13. Monatseinkommens.

Der Kläger ist seit 1973 im Betrieb der Beklagten als Betriebsschlosser beschäftigt. Aufgrund beiderseitiger Verbandszugehörigkeit sind die Parteien tarifgebunden. Daher findet auf ihr Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens für die Arbeitnehmer und Auszubildenden der bayerischen feinkeramischen Industrie, Speckstein- und Steatitindustrie, sowie Ofenkachelindustrie vom 18. Mai 1977 (gültig ab 1. Mai 1977) Anwendung. Dieser Tarifvertrag (im folgenden: TV-13. Monatseinkommen) enthält u.a. folgende Regelungen:

㤠2

Arbeitnehmer, die spätestens am 1. Oktober des laufenden Kalenderjahres in den Betrieb eingetreten sind, erhalten jeweils mit der Lohn- bzw. Gehaltsabrechnung für den Monat November, spätestens jedoch bis zum 15.12., ein 13. Monatseinkommen, soweit sie zum Zeitpunkt der Auszahlung in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen.

§ 3

1. Berechnungsgrundlage für vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ist:

  1. Der im Lohn- und Gehaltstarifvertrag ausgewiesene tarifliche Monatslohn bzw. das dort ausgewiesene Monatsgehalt.

Maßgebend sind die am 30. Juni des Auszahlungsjahres geltenden Tarifverträge.

2. …

3. …

4. Von den nach Ziffer 1 a) errechneten Beträgen erhalten die anspruchsberechtigten Arbeitnehmer mit einer Betriebs Zugehörigkeit von:

Betriebszugehörigkeit von:

1977

1978

1979

%

%

%

bis zu 3 Jahren

40

40

40

3 bis 6 Jahren

60

65

70

6 bis 8 Jahren

80

85

90

über 8 Jahre

100

100

100

Betriebszugehörigkeit von:

1980

1981

1982

%

%

%

bis zu 3 Jahren

40

40

40

3 bis 6 Jahren

80

90

100

6 bis 8 Jahren

95

100

100

über 8 Jahre

100

100

100

Stichtag für die Berechnung der Betriebszugehörigkeit ist der 30. Juni des jeweiligen Kalenderjahres.

§ 4

  1. Im Eintrittsjahr erhalten Arbeitnehmer für jeden vollen Kalendermonat ein Zwölftel des jeweiligen 13. Monatseinkommens, soweit sie die Voraussetzungen des § 2 erfüllen.
  2. Scheidet ein Arbeitnehmer nach Erreichen der Altersgrenze nach den Bestimmungen der gesetzlichen Rentenversicherung oder wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit aus, so erhält er für jeden vollen Kalendermonat im Austrittsjahr ein Zwölftel des jeweiligen 13. Monatseinkommens.

    Gleiches gilt für Arbeitnehmer, die vom Arbeitgeber aus Gründen gekündigt werden, die der Arbeitnehmer nicht zu vertreten hat, sowie für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis infolge Einberufung zum Grundwehr- oder Ersatzdienst ruht.

§ 5

Der Anspruch auf das 13. Monatseinkommen setzt voraus, daß sich der Arbeitnehmer am 31.12. des jeweiligen Auszahlungsjahres in ungekündigtem Arbeitsverhältnis befindet; ausgenommen hiervon sind die Fälle nach § 4 Ziffer 2. Im Falle des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis durch außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers oder im Falle des Arbeitsvertragsbruches des Arbeitnehmers ist ein Betrag in Höhe des jeweiligen 13. Monatseinkommens des betreffenden Arbeitnehmers an den Arbeitgeber zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem 1.4. des darauffolgenden Jahres beendet wird.

In den Fällen des Absatzes 1 gilt der bereits gezahlte Betrag als Vorschuß, der mit Restansprüchen verrechnet werden kann, oder zurückzuzahlen ist.”

Außerdem haben die Tarifvertragsparteien folgende Protokollnotiz vom 18. Mai 1977 zu diesem Tarifvertrag vereinbart:

  1. „Bei der Berechnungsgrundlage § 3 Ziffer 1 besteht Einigkeit zwischen den Tarifvertragsparteien darüber, daß

    1. unbezahlter Urlaub
    2. nachweislich unentschuldigtes Fehlen
    3. den Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen anteilmäßig mindern können.
    4. Beim Nachweis über unentschuldigtes Fehlen muß Einigkeit zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat bestehen.
  2. Freistellungen zur Teilnahme an gewerkschaftlichen Veranstaltungen fallen nicht unter Ziffer 1.”

Während des gesamten Jahres 1989 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Aus diesem Grunde zahlte ihm die Beklagte für dieses Jahr das tarifliche 13. Monatseinkommen nicht aus.

Der Kläger ist der Meinung, er habe trotz seiner Arbeitsunfähigkeit während des ganzen Jahres Anspruch auf das 13. Monatseinkommen in Höhe von 2.604,– DM. Voraussetzung für diesen Anspruch sei nicht, daß er im Bezugs Zeitraum eine Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an ihn 2.604,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem entsprechenden Nettobetrag seit 20. Februar 1990 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, der Kläger könne bereits aus dem Wortlaut des § 2 TV-13. Monatseinkommen keinen Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen herleiten, weil er für den Monat November 1989 wegen des Bezuges von Krankengeld keine „Lohn- bzw. Gehaltsabrechnung” im Sinne der tariflichen Vorschrift erhalten habe.

Sinn und Zweck der Gewährung eines 13. Monatseinkommens sei es, sowohl die vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit als auch dessen Betriebstreue zu honorieren. Grundsätzlich hätten alle Sonderzahlungen, gleichgültig wie sie bezeichnet würden, auch Entgeltcharakter. Davon sei auch beim TV-13. Monatseinkommen deshalb auszugehen, weil in dessen § 5 eine Rückzahlungsklausel enthalten sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger den Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist begründet. Der Kläger kann auch für das Jahr 1989 die Zahlung des 13. Monatseinkommens in Höhe von 2.604,00 DM brutto verlangen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat in seinem Urteil ausgeführt, daß im TV-13. Monatseinkommen keine ausdrücklichen Hinweise darauf enthalten sind, daß die Tarifvertragsparteien einem Arbeitnehmer bei dauernder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit während des Bezugs Zeitraumes keinen Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen einräumen wollten. Dieser Fall sei im Tarifvertrag nicht geregelt. Das Landesarbeitsgericht hat darauf abgestellt, welchen Zweck die Tarifvertragsparteien dem 13. Monatseinkommen beilegen wollten. Bei einer Sonderzahlung mit reinem Entgelt- oder Mischcharakter, bei der neben der Dauer der Betriebs Zugehörigkeit und der Erwartung einer zukünftigen Betriebstreue der Entgeltcharakter für geleistete Dienste vorliege, sei im Zweifel davon auszugehen, daß kein Anspruch bestehe, wenn jegliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Bezugszeitraum fehle. Dieses müsse jedenfalls dann gelten, wenn der Tarifvertrag nicht ausdrücklich regele, daß krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit für den Anspruch auf die Sondervergütung unschädlich sei.

II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen. Aus den Regelungen des TV-13. Monatseinkommen ergibt sich nicht, daß eine tatsächliche Arbeitsleistung im Bezugs Zeitraum Voraussetzung für den Anspruch auf das tarifliche 13. Monatseinkommen ist.

Der Kläger erfüllt die tariflichen Voraussetzungen für den Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen für das Jahr 1989 nach § 2 des TV-13. Monatseinkommen.

Eine ausdrückliche Regelung, daß einem Arbeitnehmer dann kein Anspruch auf das 13. Monatseinkommen zustehen soll, wenn er keine oder nur eine unerhebliche Arbeitsleistung infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit während des Bezugs Zeitraumes erbracht hat, enthält der Tarifvertrag nicht.

Da es aber den Tarifvertragsparteien bekannt ist, daß der rechtliche Bestand eines Arbeitsverhältnisses während eines bestimmten Zeitraumes nicht lückenlos mit Zeiten tatsächlicher Arbeit für den Betrieb ausgefüllt ist und daß Zeiten fehlender Arbeitsleistung in diesem Zeitraum für den einzelnen Arbeitnehmer in unterschiedlicher Höhe anfallen (BAG Urteil vom 5. August 1992 – 10 AZR 88/90 – AP Nr. 143 zu § 611 BGB Gratifikation, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen, zu II 2 der Gründe), hätten sie im Tarifvertrag allgemein regeln können, wie sich das Nichterbringen von Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer während des Bezugszeitraumes auf dessen Sonderzahlungsansprüche auswirken soll. Eine solche Regelung ist von den Tarifvertragsparteien in der Protokollnotiz zum TV-13. Monatseinkommen aber nur bezüglich unbezahlten Urlaubs, nachweislich unentschuldigten Fehlens des Arbeitnehmers (vgl. Protokollnotiz vom 18. Mai 1977 Ziff. 1 Buchst. a und Buchst. b) sowie der Freistellung zur Teilnahme an gewerkschaftlichen Veranstaltungen (vgl. Protokollnotiz vom 18. Mai 1977 Ziff. 2) getroffen worden.

Demnach ist davon auszugehen, daß Zeiten fehlender Arbeitsleistung aus anderen Gründen, als den in den Ziff. 1 Buchst. a und Buchst. b der Protokollnotiz zum TV-13. Monatseinkommen aufgeführten, den Anspruch des Arbeitnehmers auf das tarifliche 13. Monatseinkommen nicht berühren. Ein allgemeines Rechtsprinzip, daß der Anspruch auf eine tarifliche Sonderzahlung entfällt, wenn der Arbeitnehmer während des Bezugs Zeitraumes überhaupt keine oder keine nennenswerte Arbeitsleistung erbracht hat, gibt es nicht.

Berechnungsgrundlage für die Höhe des 13. Monatseinkommens für vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ist nach § 3 Ziff. 1 Buchst. a TV-13. Monatseinkommen der im Lohn- und Gehaltstarifvertrag ausgewiesene tarifliche Monatslohn bzw. das dort ausgewiesene Monatsgehalt. Durch diese tarifliche Regelung kommt ebenfalls zum Ausdruck, daß die Höhe des 13. Monatseinkommens vom Normallohn und nicht von dem Verdienst abhängig sein soll, der vom Arbeitnehmer aufgrund der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung erzielt worden ist.

Auch der Umstand, daß nach § 4 Ziff. 2 TV-13. Monatseinkommen Arbeitnehmer, welche wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, im Austrittsjahr für jeden vollen Kalendermonat ein Zwölftel des jeweiligen 13. Monatseinkommens erhalten, spricht dafür, daß die Tarifvertragsparteien nicht davon ausgegangen sind, daß eine tatsächliche Arbeitsleistung im Bezugszeitraum Anspruchsvoraussetzung für das 13. Monatseinkommen ist. In der Regel geht nämlich der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit eines Arbeitnehmers eine längere Arbeitsunfähigkeit voraus; diese soll aber nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien für den Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen unschädlich sein.

Die Regelung in § 2 TV-13. Monatseinkommen, daß die Arbeitnehmer „jeweils mit der Lohn- bzw. Gehaltsabrechnung für den November, spätestens jedoch bis zum 15. Dezember” das 13. Monatseinkommen erhalten sollen, hindert nicht deshalb das Entstehen eines Anspruches des Klägers auf ein solches, weil er für den November 1989 wegen des Bezuges von Krankengeld keine Lohnabrechnung erhalten hat. Aus dem Zusammenhang der tariflichen Regelung ergibt sich nämlich, daß diese von den Tarifvertragsparteien verwendete Formulierung lediglich den Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruches auf ein 13. Monatseinkommen bestimmt, nicht jedoch eine Anspruchsvoraussetzung für dieses begründet.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

 

Unterschriften

Matthes, Hauck, Böck, Plenge, Wolf

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1065090

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