Entscheidungsstichwort (Thema)

Gefährdungshaftung des Arbeitgebers

 

Normenkette

BGB §§ 611, 670

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 23.04.1991; Aktenzeichen 7 Sa 161/91)

ArbG Iserlohn (Urteil vom 11.12.1990; Aktenzeichen 2 Ca 282/91)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 23. April 1991 – 7 Sa 161/91 – aufgehoben.

2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit 1975 als Heilerziehungshelfer in der Einrichtung „Waldheimat” des Beklagten tätig. Am 8. Mai 1989 beschädigte ein haftungsrechtlich nicht verantwortlicher Heimbewohner den auf dem Besucherparkplatz in der Nähe der Zufahrt zur „Waldheimat” abgestellten Pkw des Klägers, indem er die Antenne abbrach. Der dadurch entstandene Sachschaden betrug 665.98 DM.

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Ersatz dieses Schadens. Er ist der Auffassung, der Beklagte hätte dafür Sorge tragen müssen, daß das Fahrzeug nicht durch behinderte Heimbewohner beschädigt werde.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 665,98 DM

nebst 4 % Zinsen seit dem 30. Juni 1990 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, der Heimbewohner habe das Fahrzeug in einem unkontrollierten, nicht vorhersehbaren Affektausbruch beschädigt. Da das vom Kläger geparkte Fahrzeug nur mittelbar der Arbeitsverrichtung diene, habe er, der Beklagte, lediglich solche Obhuts- und Verwahrungspflichten, die ihm nach Treu und Glauben zuzumuten seien. Hierunter falle nicht die Pflicht, alle möglichen Maßnahmen zu treffen, um Beschädigungen auf dem Parkplatz zu verhindern. Ebenso sei er nicht gehalten, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, um Zufallsschäden abzudecken. Der Abschluß einer solchen Versicherung sei unverhältnismäßig, zumal Kosten von rund 100.000,– DM entstünden. Dem Kläger sei außerdem entgegenzuhalten, daß ihm das pädagogische Konzept der offenen Wohngruppe bekannt gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Das Landesarbeitsgericht wird zu prüfen haben, ob dem Kläger der geltend gemachte Anspruch in entsprechender Anwendung des § 670 BGB zusteht.

1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, der beklagte Verein hafte für den eingetretenen Schaden nicht nach § 832 Abs. 1, 2 BGB. Zwar hat der Beklagte zumindest stillschweigend die Aufsicht über die Heimbewohner vertraglich übernommen. Der Beklagte hat jedoch nach den rechts fehler freien Ausführungen des Berufungsgerichts der ihm obliegenden Aufsichtspflicht genügt.

2. Ebenso hat das Landesarbeitsgericht zu Recht einen Anspruch des Klägers wegen einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verneint (vgl. dazu BAGE 18, 190 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Parkplatz; BAG Urteil vom 25. Juni 1975 – 5 AZR 260/74 – AP Nr. 4 zu § 611 BGB Parkplatz; erkennender Senat Urteil vom 12. Dezember 1990 – 8 AZR 605/89 – n.v.; LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 15. Januar 1990 – 7 Sa 792/89 – LAGE § 611, 1 BGB Parkplatz).

Der vom Kläger geltend gemachte Schaden ist nicht durch solche Gefahren verursacht worden, die von dem Parkplatz selbst oder der Art seiner Benutzung ausgehen.

3. Des weiteren war der Beklagte nicht aufgrund seiner allgemeinen Fürsorgepflicht gehalten, den Kläger vor Beschädigungen seines Fahrzeugs zu schützen.

Es ist anerkannt, daß den Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht hinsichtlich des Eigentums seiner Arbeitnehmer trifft, das diese notwendig oder berechtigt zur Arbeit mitbringen (BAG GS BAGE 12, 15 = AP Nr. 2 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers). Diese Fürsorgepflicht kann – je nach der Üblichkeit und den räumlichen Möglichkeiten – gebieten, daß der Arbeitgeber einen Parkplatz zur Verfügung hält (BAGE 10, 190 = AP, a.a.O.; BAG Urteil vom 25. Juni 1975 – 5 AZR 260/74 – AP, a.a.O.). Eine Haftung scheitert hier den Feststellungen des Berufungsgerichts vorliegend jedoch daran, daß der Beklagte sich mit Erfolg darauf berufen kann, anhand konkreter Vorkommnisse in der Vergangenheit seien besondere Maßnahmen nicht angebracht gewesen.

4.a) Das Landesarbeitsgericht hat jedoch nicht geprüft, ob der Anspruch nicht in entsprechender Anwendung des § 670 BGB begründet ist.

Ein Arbeitnehmer hat in entsprechender Anwendung des § 670 BGB Anspruch auf Ersatz von Schäden, die ihm bei Erbringung der Arbeitsleistung ohne Verschulden des Arbeitgebers entstehen. Voraussetzung ist, daß der Schaden nicht dem Lebensbereich des Arbeitnehmers, sondern dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen ist und der Arbeitnehmer ihn selbst nicht tragen muß, weil er dafür keine besondere Vergütung erhält (BAGE 12, 15 = AP, a.a.O.; BAGE 33, 108 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers).

Sachschäden des Arbeitnehmers, mit denen nach Art und Natur des Betriebes oder der Arbeit zu rechnen ist, insbesondere Schäden, die notwendig oder regelmäßig entstehen, sind arbeitsadäquat und im Arbeitsverhältnis keine Aufwendungen im Sinne des § 670 BGB (BAGE 12, 15, 27 = AP, a.a.O., zu VII der Gründe a.E.). Handelt es sich dagegen um Sachschäden, die bei Ausübung einer gefährlichen Arbeit entstehen und dadurch außergewöhnlich sind, mit denen also der Arbeitnehmer nach der Art des Betriebes oder der Arbeit nicht ohne weiteres zu rechnen hat, liegt eine Aufwendung nach § 670 BGB vor, da die Einsatzpflicht nicht arbeitsadäquat ist (BAGE 12, 15, 27, 28 = AP, a.a.O., zu VII der Gründe a.E.; BAG Urteil vom 20. April 1989 – 8 AZR 632/87 – AP Nr. 9 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers).

b) Die Frage, ob diese Voraussetzungen tatsächlich erfüllt sind, bedarf noch weiterer Feststellungen. Das Landesarbeitsgericht hat bisher lediglich festgestellt, daß Schäden der vorliegenden Art nicht regelmäßig entstehen. Die Entscheidung hängt einmal davon ab, ob der Kläger zu seiner Arbeitsstelle nur mit Hilfe seines Fahrzeugs gelangen konnte. Dies wäre dann der Fall, wenn der Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln, bezogen auf die Arbeitszeit des Klägers, nicht angemessen erreichbar wäre. Zum anderen wird zu prüfen sein, ob nach der Persönlichkeitsstruktur der Heimbewohner, nicht des konkreten Schädigers, mit unkontrollierbaren Aggressivitäten gerechnet werden muß. Der Kläger hätte dann durch die Schadenserleidung im Interesse seines Arbeitgebers durch das pädagogische Konzept erzwungene Aufwendungen erbracht.

 

Unterschriften

Michels-Holl, Dr. Ascheid, Dr. Müller-Glöge, R. Schmidt, Dr. Gaber

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1065168

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