Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbricht weitere Krankheit Fortsetzungszusammenhang?

 

Leitsatz (amtlich)

Der Fortsetzungszusammenhang zwischen mehreren auf demselben nicht ausgeheilten Grundleiden beruhenden Erkrankungen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 LohnFG) wird innerhalb der gesetzlichen Zwölf-Monats-Frist nur dadurch unterbrochen, daß der Arbeiter vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war.

Dagegen wird der Fortsetzungszusammenhang nicht unterbrochen, wenn während einer Kur nach § 7 LohnFG, die wegen des Grundleidens gewährt wurde, eine weitere Krankheit als selbständiger Verhinderungstatbestand bestanden hat.

 

Normenkette

LohnFG § 1 Abs. 1 Sätze 1-2, § 7 Abs. 2 S. 1; RVO § 182 Abs. 10

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 25.09.1981; Aktenzeichen 4 (5) Sa 692/81)

ArbG Wesel (Urteil vom 06.04.1981; Aktenzeichen 3 Ca 319/81)

 

Tenor

  • Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 25. September 1981 – 4 (5) Sa 692/81 – wird zurückgewiesen.
  • Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht (§ 182 Abs. 10 RVO) auf Lohnfortzahlung in Anspruch.

Der bei der Klägerin gegen Krankheit pflichtversicherte Arbeiter B… H… (im folgenden kurz: H…) steht in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten. Er war vom 2. November bis zum 7. Dezember 1979 sowie vom 17. Januar bis zum 19. Februar 1980 wegen derselben Krankheit (Asthma bronchiale bzw. Emphysembronchitis) arbeitsunfähig. Die Beklagte gewährte ihm für die Zeit vom 2. November bis zum 7. Dezember 1979 und vom 17. bis zum 22. Januar 1980 Lohnfortzahlung.

Wegen seines Grundleidens bewilligte der Sozialversicherungsträger Herrn H… eine Heilkur, die dieser in der Zeit vom 13. Mai bis zum 10. Juni 1980 durchführte. Noch vor Antritt der Kur zog H… sich am 17. April 1980 bei einem häuslichen Unfall eine Radiusfraktur am linken Arm zu und war deswegen bis zum 12. August 1980 arbeitsunfähig krank. Die Beklagte zahlte H… den Lohn für die Zeit vom 17. April bis zum 28. Mai 1980 (sechs Wochen) weiter.

Nach Wiederaufnahme seiner Arbeit erkrankte H… am 21. Oktober 1980 erneut an seinem Bronchialleiden und war deswegen durchgehend bis zum 12. Januar 1981 arbeitsunfähig. Die Beklagte gewährte ihm Lohnfortzahlung für die Zeit vom 21. bis zum 31. Oktober 1980 und lehnte dann weitere Leistungen ab. Daraufhin zahlte die Klägerin Herrn H… für die Zeit vom 1. November bis zum 1. Dezember 1980 insgesamt 1.506,91 DM an Krankengeld. Mit ihrer Klage verlangt sie von der Beklagten die Erstattung dieses Betrages.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte sei verpflichtet, Herrn H… für die Zeit ab 21. Oktober 1980 den Lohn wiederum für die Dauer von sechs Wochen – also bis einschließlich zum 1. Dezember 1980 – fortzuzahlen. Zwar handele es sich bei der erneuten Arbeitsverhinderung um eine Fortsetzungserkrankung, dieser Umstand stehe einem Lohnfortzahlungsanspruch aber nicht entgegen, weil Herr H… in den zurückliegenden sechs Monaten nicht infolge seines Grundleidens arbeitsunfähig gewesen sei. Daran ändere auch die Kur vom 13. Mai bis zum 10. Juni 1980 nichts. Diese bleibe vielmehr lohnfortzahlungsrechtlich deswegen ohne Bedeutung, weil H… damals bereits wegen des Armbruchs arbeitsunfähig gewesen sei.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.506,91 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die am 21. Oktober 1980 beginnende Fortsetzungserkrankung des Herrn H… liege noch innerhalb der ab dem 2. November 1979 laufenden Zwölf-Monats-Frist (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 LohnFG). Dies habe zur Folge, daß der Lohnfortzahlungsanspruch des Herrn H… mit der Leistungsgewährung für die Zeit vom 2. November bis zum 7. Dezember 1979 sowie vom 17. bis zum 22. Januar 1980 erschöpft sei. Ein neuer Lohnfortzahlungsanspruch habe wegen der vom 13. Mai bis zum 10. Juni 1980 durchgeführten Kur nicht entstehen können. Die Kur gelte als Krankheit im Rechtssinne. Die Zeit vom Ende der Kur bis zur erneuten Erkrankung des Herrn H… betrage weniger als sechs Monate. Dabei spiele keine Rolle, daß die Kur in eine andere krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit eingebettet gewesen sei. Schon für die Lohnfortzahlung vom 21. bis zum 31. Oktober 1980 habe keine rechtliche Verpflichtung bestanden. Das gelte erst recht für die Folgezeit bis zum 1. Dezember 1980.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat dagegen die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, die ihr Klageziel weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Klägerin steht der geforderte Erstattungsbetrag nicht zu.

I. Die Klägerin könnte von der Beklagten für die Zeit ab 1. November 1980 kraft übergegangenen Rechts (§ 182 Abs. 10 RVO) Lohnfortzahlung verlangen, wenn der letzte Fall einer Bronchienerkrankung des Herrn H… (Fortsetzungskrankheit) am 19. Februar 1980 geendet hätte. Dann wäre die Sechs-Monats-Frist des § 1 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 LohnFG bis zum 21. Oktober 1980 verstrichen, allein durch diesen Zeitablauf der Fortsetzungszusammenhang zwischen alter und neuer Erkrankung aufgehoben und ein neuer Anspruch auf Lohnfortzahlung auch bei wiederholtem Auftreten einer Fortsetzungskrankheit entstanden. Die Zeit der Heilkur (13. Mai bis 10. Juni 1980) hat die Sechs-Monats-Frist jedoch unterbrochen. Deshalb begann die am 21. Oktober 1980 erneut aufgetretene Arbeitsunfähigkeit wegen einer Bronchienerkrankung vor Ablauf des Zwölf-Monats-Zeitraums seit dem 2. November 1979 und löste keinen neuen Lohnfortzahlungsanspruch aus, weil die Beklagte wegen desselben Leidens schon sechs Wochen Krankenbezüge gewährt hatte (vgl. Töns, Die wirtschaftliche Sicherung der Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit, 1970, C 136 f.). Da zugunsten des Arbeiters kein Lohnfortzahlungsanspruch entstanden ist, konnte ein solcher Anspruch auch nicht auf die Klägerin übergehen. Das alles hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg.

II. 1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG behält der Arbeiter bei Arbeitsunfähigkeit infolge unverschuldeter Krankheit den Anspruch auf Arbeitsentgelt jeweils bis zur Verhinderungsdauer von sechs Wochen. Anders ist die Rechtslage bei einer auf einem nicht ausgeheilten Grundleiden beruhenden Fortsetzungskrankheit des Arbeiters. Bei Arbeitsunfähigkeit “infolge derselben Krankheit” behält der Arbeiter den Lohnanspruch innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten nur für die Dauer von insgesamt sechs Wochen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 LohnFG). Wird der Arbeiter innerhalb Jahresfrist wegen derselben Krankheit verschiedentlich arbeitsunfähig, braucht der Arbeitgeber ihm nur für insgesamt sechs Wochen das Arbeitsentgelt weiterzugewähren. Diese auf einer besonderen Zumutbarkeitserwägung des Gesetzgebers beruhende Regelung, die den Arbeitgeber entlasten soll (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 27. Juli 1977 – 5 AZR 318/76 – AP Nr. 43 zu § 1 LohnFG, zu 2b und c der Gründe), wird jedoch für den Ausnahmefall wiederum geändert, daß der Arbeiter vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war. Dann wird der Fortsetzungszusammenhang zwischen der früheren und der erneut auftretenden Arbeitsunfähigkeit als gelöst betrachtet. Die spätere Arbeitsunfähigkeit stellt sich im arbeitsrechtlichen Sinne als neue Krankheit dar und löst einen neuen Lohnfortzahlungsanspruch aus (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 LohnFG; vgl. BAG Urteil vom 6. Oktober 1976 – 5 AZR 500/75 – AP Nr. 41 zu § 1 LohnFG, Bl. 2).

2. Besteht neben einer Fortsetzungserkrankung eine weitere mit Arbeitsunfähigkeit verbundene Krankheit, die einen selbständigen Verhinderungsfall bildet, so wird der Fortsetzungszusammenhang im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 LohnFG dadurch nicht unterbrochen. Denn ob ein Fortsetzungszusammenhang zwischen der neuen und einer früheren Krankheit vorliegt und es sich daher um eine Fortsetzungskrankheit handelt oder nicht, ist eine rein tatsächliche Frage. Für deren Beantwortung bleiben weitere Umstände – wie das gleichzeitige Vorhandensein anderer Krankheitserscheinungen als selbständige Verhinderungstatbestände – außer Betracht. Von rechtlicher Bedeutung kann vielmehr nur die Frage sein, ob zwischen alter und neuer Krankheit eine Frist von mindestens sechs Monaten liegt.

3. Im Streitfall war der Arbeiter H… während seiner Kur aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 7 Abs. 1 Satz 2 LohnFG arbeitsunfähig krank. Diese Arbeitsunfähigkeit bedeutete gegenüber der vorangegangenen, am 19. Februar 1980 beendeten Bronchienerkrankung eine Fortsetzungskrankheit. Der Fortsetzungszusammenhang zwischen beiden Krankheitserscheinungen war nicht durch Ablauf von sechs Monaten unterbrochen. Er wurde auch nicht beseitigt durch die krankheitsbedingte weitere Arbeitsunfähigkeit, die sich Herr H… vor dem Kurantritt durch den Armbruch zugezogen hatte. Die Fraktur bedeutete einen selbständigen Verhinderungstatbestand außerhalb des Fortsetzungszusammenhanges. Denn durch das Auftreten dieses weiteren, eigenständigen Verhinderungstatbestandes änderte sich der Charakter der Fortsetzungskrankheit nicht. Diese blieb vielmehr als solche bestehen mit der Folge, daß für die Zeit ab 21. Oktober 1980, als Herr H… einen weiteren Bronchitisschub erlitt, kein neuer Lohnfortzahlungsanspruch entstanden ist, weil der Fortsetzungszusammenhang zwischen der als Krankheit zählenden Kur und der neuen Fortsetzungserkrankung mangels Ablaufs der Mindestfrist von sechs Monaten nicht unterbrochen war.

4. Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses spricht zusätzlich die folgende Überlegung: Hätte Herr H… sich nicht vor Kurantritt eine mit Arbeitsunfähigkeit verbundene Armfraktur zugezogen, könnte der Fortsetzungszusammenhang zwischen den einzelnen Bronchienerkrankungen im Jahre 1980 überhaupt nicht zweifelhaft sein, so daß die Beklagte für die Zeit ab 21. Oktober 1980 keine Leistungen zu erbringen brauchte. Durch die zusätzliche Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Armbruchs (wofür die Beklagte Lohnfortzahlung gewährt hat) kann sich hieran nichts ändern. Andernfalls wäre der Arbeiter H… und mit ihm die Klägerin durch die zusätzliche Erkrankung ohne überzeugenden Grund bessergestellt, die Beklagte als Arbeitgeber dagegen stärker belastet, weil sie nicht nur für die frakturbedingte Arbeitsunfähigkeit Lohnfortzahlung gewähren müßte, sondern darüber hinaus auch noch für eine innerhalb Jahresfrist ohne Unterbrechung des Fortsetzungszusammenhanges auftretende Fortsetzungskrankheit vollen Lohnausgleich zu erbringen hätte.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Michels-Holl, Schumacher, Dr. Florack

 

Fundstellen

Haufe-Index 1745556

BAGE, 253

NJW 1985, 1359

JR 1986, 220

ZIP 1985, 366

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