Entscheidungsstichwort (Thema)

Feuerwehrleitstelle. Überstundenvergütung

 

Normenkette

BAT SR 2x; BBesG § 48 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 22.04.1988; Aktenzeichen 17 Sa 2000/87)

ArbG Paderborn (Urteil vom 02.09.1987; Aktenzeichen 2 Ca 437/87)

 

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22. April 1988 – 17 Sa 2000/87 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Revision hat der Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten nur noch über die Vergütung der tatsächlichen Einsatzzeit des Klägers in der Feuerwehrleitstelle B. soweit sie über acht Stunden täglich hinausgeht.

Der Kläger war seit dem 1. Januar 1981 bis 31. Dezember 1986 als Angestellter in der Feuerwehrleitstelle des Beklagten in B. tätig.

Nach dem Arbeitsvertrag vom 19. Januar 1981 und der dazu am 5./15. April 1982 abgeschlossenen Nebenabrede ist die wöchentliche Arbeitszeit auf 56 Stunden festgelegt worden. Im übrigen finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sowohl kraft Vereinbarung im Arbeitsvertrag wie aufgrund Organisationszugehörigkeit der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961, die Bezirkszusatztarifverträge (BZT-A/NRW) und die diese Tarifverträge ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung.

Nachdem der Kläger zunächst in einer 24-Stunden-Schicht gearbeitet hatte, wurde er ab 1. März 1985 – mit einer Unterbrechung durch eine Lehrgangsteilnahme vom 2. März 1985 bis einschließlich 5. Juni 1985 – in einer 12-Stunden-Schicht beschäftigt.

Durch das Gesetz über den Rettungsdienst (RettG NW) vom 26. November 1974 (GV NW S. 1481) wurde erstmals für die Kreise und kreisfreien Städte als Träger des Rettungsdienstes in § 5 RettG NW die Errichtung und Unterhaltung einer Leitstelle vorgeschrieben. Nach § 6 Abs. 1 RettG NW hat die Leitstelle alle Einsätze des Rettungsdienstes zu lenken, sie muß ständig besetzt und erreichbar sein. Sie hat mit den Krankenhäusern, den Einrichtungen der ärztlichen Selbstverwaltungskörperschaften für den Bereitschaftsdienst (Arztnotrufzentralen) sowie der Polizei, den Einrichtungen der Feuerwehren und dem Katastrophenschutz zusammenzuarbeiten. Nach § 6 Abs. 3 RettG NW hat sie einen Zentralen Krankenbettennachweis zu führen und über die freien Betten bei Bedarf Auskunft zu geben. Kann sie selbst kein freies Bett nachweisen, hat sie die bei den benachbarten Leitstellen als frei gemeldeten Betten zu ermitteln.

Am 1. März 1975 trat das neue Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung bei Unglücksfällen und öffentlichen Notständen (FSHG NW) vom 25. Februar 1975 (GV MW S. 182) in Kraft. Dort ist unter dem II. Abschnitt mit dem Oberbegriff „Die Feuerwehren” in § 19 aufgenommen, daß die Feuerwehren nach Maßgabe des RettG im Rettungsdienst mitzuwirken haben. Bei Einsatz im Katastrophenfall nach dem KatSG NW unterstehen die Feuerwehren dem zuständigen Leiter der Katastrophenabwehr. Nach § 20 FSHG NW haben die kreisfreien Städte und die Kreise eine ständig besetzte Leitstelle zu unterhalten, der alle Einsätze öffentlicher Feuerwehren zu melden sind und über die im Bedarfsfall Einsätze gelenkt werden.

Im Eingang des zum FSHG NW ergangenen Runderlasses des Innenministers NW vom 3. Oktober 1975 – VIII B 1 – 4.429 – 51 (MBl NW S. 1874) heißt es, zur Gewährleistung einer zentralen Einsatzlenkung und aus Gründen wirtschaftlichen Verwaltungshandelns sei die Leitstelle für Feuerschutz- und Katastrophenschutzaufgaben nach dem KatSG NW mit der Leitstelle für den Rettungsdienst nach § 6 RettG zusammenzufassen.

Beim Beklagten wurde die Leitstelle für den Rettungsdienst, Feuerschutz und Katastrophenschutz in den Jahren 1979 bis 1982 in B. baulich und technisch eingerichtet. Der Dienstbetrieb wurde am 15. April 1982 mit ständiger Besetzung rund um die Uhr aufgenommen. Dabei setzte der Beklagte zunächst fünf Mitarbeiter, nämlich den Kläger und die Herren B., Kr., S. und M. ein. Sie arbeiteten bis zum 28. Februar 1985 im Normalfall im Schichtdienst von 24 Stunden mit anschließender 48-stündiger Freizeit. Ausnahmsweise war eine Tagschicht von 11 Stunden zu erbringen. Der 24-Stunden-Schichtdienst wurde zum Teil auch von einem Mitarbeiter allein ausgeübt, da z.B. für Urlaubs- und Krankheitszeiten keine Aushilfskräfte vorgesehen waren. Alle fünf Mitarbeiter wurden vom Beklagten im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Mit ihnen schloß der Beklagte am 5. April 1982 gleichlautende schriftliche Nebenabreden zu den bereits schriftlich vorhandenen Hauptarbeitsverträgen mit folgendem Wortlaut:

  1. „Herr K. wird in der Leitstelle für den Rettungsdienst des Kreises H. in B. eingesetzt. Zur Arbeitszeit und Vergütung finden die tarifvertraglichen Bestimmungen für Angestellte im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst Anwendung.
  2. Beginn der Dienstzeit für die Bemessung der Zulage für Angestellte im Einsatzdienst der Feuerwehr ist der 1.1.1981.
  3. Die wöchentliche Arbeitszeit wird auf 56 Stunden festgesetzt.
  4. Diese Vereinbarung tritt mit Schaltung des zentralen Notrufs 112 in Kraft.”

Der Beklagte gruppierte alle fünf Angestellten vereinbarungsgemäß zunächst in die VergGr. VIII des Tarifvertrages für Angestellte im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst vom 15. Januar 1961 ein. Daneben zahlte der Beklagte diesen Angestellten von Beginn ihrer Tätigkeit in der Leitstelle an die Feuerwehrzulage nach Nr. 10 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B.

Zum 1. März 1985 ordnete der Beklagte für die in der Leitstelle Beschäftigten unter Beibehaltung der vertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit von 56 Stunden einen 12-Stunden-Schichtdienst an, und zwar jeweils von 7.30 Uhr bis 19.30 Uhr und von 19.30 Uhr bis 7.30 Uhr. Dieser Schichtdienständerung hatte zuvor der Personal rat mit Schreiben vom 13. Februar 1985 nach § 72 Abs. 4 Nr. 1 LPVG NW zugestimmt. In der Tagschicht von Montag bis Freitag waren überwiegend zwei Beschäftigte eingesetzt, in den Nacht- und Wochenendschichten überwiegend ein Beschäftigter.

Zum 1. Juli 1986 wurde zusätzlich der beamtete Hauptbrandmeister G. in der Leitstelle im Schichtdienst eingesetzt.

In den tariflichen und einschlägigen beamtenrechtlichen Regelungen war in dem hier fraglichen Zeitraum, soweit hier von Bedeutung, bestimmt:

„Anlage 2 × zum BAT

Sonderregelungen für Angestellte im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst (SR 2 × BAT)

Nr. 1

Zu §§ 1 und 2 – Geltungsbereich

Diese Sonderregelungen gelten für Angestellte, die hauptamtlich im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst beschäftigt werden.

Nr. 2

Zu §§ 15 bis 17 und 35 – Arbeitszeit – Zeitzuschläge, Überstundenvergütung

Die §§ 15 bis 17 und 35 finden keine Anwendung. Es gelten die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten.

Nrn. 3–4 …

Nr. 5 … Protokollerklärung zu Satz 1:

Zu den Angestellten im Einsatzdienst rechnen nicht die nicht zum feuerwehrtechnischen Dienst gehörenden Angestellten, wie z.B. Angestellte im Verwaltungsdienst, im Telefondienst, im Krankentransportdienst, sowie die mit der Wartung von Fahrzeugen und Geräten betrauten Angestellten.

Nr. 6 …

Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Nordrhein-Westfalen (AZVOFeu NW) vom 02.12.1972 (GV NW S. 401) unter Berücksichtigung der Änderungsverordnung vom 25.04.1985 (GV NW S. 343):

§ 1

(1) Die regelmäßige Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes, die in Wechselschichten Dienst leisten, beträgt wöchentlich im Durchschnitt 56 Stunden. Davon sollen in der Regel nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich auf den Arbeits- und Ausbildungsdienst entfallen. Die Beamten sind verpflichtet, über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst zu leisten, wenn zwingende dienstliche Gründe dies erfordern.

(2) Die durchschnittliche Arbeitszeit ermäßigt sich für gesetzliche Feiertage, die auf Werktage fallen, um einen pauschalen Freizeitausgleich von vier Dienstschichten im Kalenderjahr. Leisten Beamte in einem zusammenhangenden Zeitraum von mehr als drei Monaten keinen Dienst in Wechselschichten, so vermindert sich der Freizeitausgleich für jeweils drei Monate um eine Dienstschicht.

(3) – (6) …”

Die Angestellten der Leitstelle haben unstreitig folgende rund um die Uhr anfallende Aufgaben zu erledigen:

„Entgegennahme von Telefonanrufen betr. Informationen und Auskünfte, ggfls. Weiterleitung,

Annahme von Hilfe- und Auskunftsersuchen im Feuerschutz und Rettungsdienst über die Notrufleitung,

Überwachung der Notrufleitungen auf Betriebsbereitschaft,

Alarmierung von Feuerwehr und Rettungsdienst,

Anforderung von überörtlicher Hilfe,

Überwachung der laufenden Einsätze, Hilfestellung,

Heranführung von fremden Feuerwehr- und Rettungseinheiten,

Einsatz von Rettungshubschraubern,

Registrierung der Einsätze im Feuerschutz und Rettungsdienst (Aufnahme, Bearbeitung, Abschluß),

Führung des zentralen Krankenbettennachweises,

Führung der Statistik im Feuerschutz und Rettungsdienst und

Entgegennahme bzw. Herausgabe von Schläuchen sowie Füllung und Ausgabe von Atemluftflaschen – nur im Vertretungsfall für einen Angestellten –.”

Streitig ist nur der zeitliche Umfang, in dem diese Aufgaben von den jeweils diensthabenden Angestellten regelmäßig auszuführen sind.

Im gesamten Kreisgebiet des Beklagten sind keine Notrufsäulen der Feuerwehr vorhanden. Vielmehr besteht für Privatleute nur die Möglichkeit, über die Telefonnummer 112 die Leitstelle anzurufen. Die eingehenden Telefonate sind in der Leitstelle so geschaltet, daß 16 Kontrolleuchten für jeweils ein Vorwahlgebiet im Schaltpult vorhanden sind und dann bei einem Anruf die Kontrolllampe für das Vorwahlgebiet aufblinkt, aus dem der Anruf kommt. Bei jeder Kontrollampe ist der Name des Ortes vermerkt, der die entsprechende Vorwahlnummer hat. Bei einem Anruf über die Telefonnummer 112 wird zusätzlich zum Aufblinken der Kontrolleuchten ein Surrton ausgelöst. Das Aufblinken der Kontrolleuchten und der Surrton halten bei einem Anruf 50 Sekunden an. Danach ist der Anrufer bei Abnahme des Telefonhörers durch die Bediensteten der Leitstelle nicht mehr in der Leitung. Über den Telefonanschluß 112 können von den Bediensteten der Leitstelle nur Anrufe entgegengenommen werden. Neben der Telefonleitung 112 gibt es noch drei weitere Amtsleitungen, über die Anrufe von Privatleuten zur Leitstelle getätigt werden können.

Die Funkkanäle 463 und 497 sind rund um die Uhr in der Leitstelle eingeschaltet und werden von den dort Beschäftigten ständig über im Schaltpult befindliche Lautsprecher abgehört. Bei Funktätigkeit hört man nur die Sprache, sonstige akustische Signale entstehen nicht. Über den Kanal 463 sind die Feuerwehren des Kreisgebietes des Beklagten und die der Kreise D. und II zu hören. Die Funkgespräche im Katastrophenfall und bei Übungen bezüglich der hierfür zuständigen Hilfsorganisationen werden über den Funkkanal 497 geführt. Dabei wird auch der Einsatz über die Leitstelle koordiniert. Sofern der Funkkanal 463 gestört ist, erfolgt über den Funkkanal 497 auch der Einsatz der Feuerwehren. Zur Leitstelle sind des weiteren direkte Brandmeldeanschlüsse von Einzelbetrieben im Kreisgebiet des Beklagten geschaltet, und zwar während der Beschäftigung des Klägers von 15 Betrieben. Bei einem Brandfall ist anhand der aufleuchtenden Kontrollampe sofort feststellbar, in welchem Betrieb es brennt, wobei gleichzeitig ein Surrton ausgelöst wird.

Der Beklagte hat für den Zeitraum vom 1. bis 31. Januar 1988 das zeitliche Ausmaß des Anfalls von Abfraßen von Notrufleitung

und Amtsleitungen, von Alarmierung der Feuerwehren und Katastrophenschutzorganisationen, Funkgespräche führen, Telefonauskünfte erteilen, Bettennachweis führen, Statistik führen u.a. in der Leitstelle durch seine Mitarbeiter tagebuchmäßig aufzeichnen lassen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die gesamte tägliche Dienstzeit sei als Vollarbeit zu bewerten. Denn auch in den Zeiten, in denen keine der vorstehend beschriebenen Aufgaben zu erledigen seien, müßten die Funkkanäle ständig abgehört werden, so daß als Arbeitsbereitschaft zu bewertende Zeiten nicht anfielen. Deshalb sei die gesamte über acht Stunden täglich bzw. vierzig Stunden wöchentlich anfallende Arbeitszeit mit der für Beamte vorgesehenen Mehrarbeitsvergütung zu bezahlen; denn er sei als Angestellter des feuerwehrtechnischen Dienstes im Sinne der SR 2 × BAT anzusehen.

Zumindest bestehe jedoch ein Anspruch auf Überstundenvergütung nach §§ 15 bis 17 und 35 BAT, der sogar noch höher sei, da die tarifliche Überstundenvergütung in 1985 und 1986 über der Mehrarbeitsvergütung nach den beamtenrechtlichen Regelungen gelegen habe.

Entsprechend seiner ab 1. März 1985 unstreitig geleisteten 111 Dienstschichten (68 Schichten zu zweit und 43 Schichten allein) und 197 Schichten im Jahre 1986 (141 zu zweit und 56 allein) habe er somit rechnerisch einen Gesamtüberstundenvergütungsanspruch für 1985 und 1986 in Höhe von 15.670,80 DM brutto, wovon für den 1. März 1985 ein Betrag von 49,60 DM brutto wegen Verfalls nach § 70 BAT in Abzug zu bringen sei.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 15.621,20 DM brutto zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und die Auffassung vertreten, die Tätigkeit in der Leitstelle stelle keinen feuerwehrtechnischen Dienst im Sinne der SR 2 × BAT dar. Darüber hinaus sei das Abhören der Funkkanäle und das Oberwachen der sonstigen Kontrolleinrichtungen nur als Arbeitsbereitschaft zu werten, so daß ein Anspruch auf Überstundenvergütung auch nach §§ 15 ff. BAT nicht begründet sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, da der Kläger evtl. bestehende Ansprüche nicht innerhalb der Frist des § 70 BAT geltend gemacht habe. Das Landesarbeitsgericht hat dem zuletzt gestellten Antrag auf die Berufung des Klägers entsprochen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat Anspruch auf restliche Vergütung in der geltend gemachten Höhe.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob die Tätigkeit in der Leitstelle des Beklagten als feuerwehrtechnischer Dienst im Sinne der SR 2 × RAT anzusehen sei und die Überstundenvergütung sich deshalb nach beamtenrechtlichen Grundsätzen ausrichte. Denn auch nach §§ 15, 17 BAT habe der Kläger Anspruch auf die geltend gemachte Überstundenvergütung, die nach § 35 Abs. 3 Unterabs. 2 BAT sogar noch höher sei als die vom Kläger verlangte beamtenrechtliche Mehrarbeitsvergütung. Weiter könne dahingestellt bleiben, ob die Tätigkeit des Klägers insgesamt als Vollarbeit oder teilweise als Arbeitsbereitschaft anzusehen sei. Denn die regelmäßige Arbeitszeit des feuerwehrtechnischen Dienstes, zu dem der Einsatz in der Leitstelle gehöre, dürfe nach § 1 Abs. 1 AZVOFeu NW nur dann durchschnittlich 56 Stunden wöchentlich in Wechselschicht betragen, wenn in der Regel nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich Arbeitszeit anfallen. Der Beklagte habe jedoch selbst zugestanden, bereits die reine Arbeitszeit in der Leitstelle ohne die Zeiten des Abhörens der Funkkanäle und des Überwachens der sonstigen Kontrolleinrichtungen mache 50 % der Gesamtarbeitszeit und damit 28 Stunden wöchentlich aus. Dann sei aber die gesamte Arbeitszeit des Klägers als Vollarbeitszeit zu bezahlen, weil keine genügenden Erholzeiten innerhalb der Wochenarbeitszeit von 56 Stunden angefallen seien.

Der Kläger habe seine Ansprüche auch mit Schreiben vom 29. Januar 1986 innerhalb der Ausschlußfrist des § 70 RAT formgerecht gegenüber dem Beklagten geltend gemacht. Denn die Vergütungsansprüche für im Juni 1985 geleistete Mehrarbeit seien wegen des Ausgleichszeitraums von drei Monaten nach § 78 a Abs. 1 Satz 2 LBG NW erst mit Ablauf des 30. September 1985 fällig geworden; die tarifliche Ausschlußfrist sei damit erst am 30. März 1986 abgelaufen. Aber auch wenn die allgemeinen Bestimmungen des BAT anwendbar seien, sei wegen des Ausgleichszeitraums von einem Monat nach § 17 Abs. 5 BAT a.F. Fälligkeit erst mit Ablauf des 31. Juli 1985 und damit Verfall erst mit Ablauf des 31. Januar 1986 eingetreten.

II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten den Angriffen der Revision stand.

1. Der Kläger gehört zum kommunalen feuertechnischen Dienst im Sinne der SR 2 × BAT.

Der Tarifvertrag enthält keine ausdrückliche Bestimmung darüber, was unter feuerwehrtechnischem Dienst zu verstehen ist. Vom Zweck einer Feuerwehr her gesehen, liegt feuerwehrtechnischer Dienst immer dann vor, wenn die zu beurteilende Tätigkeit unmittelbar dem Brandschutz dient (BAG Urteil vom 6. Oktober 1965 – 4 AZR 189/64 – AP Nr. 1 zu §§ 22, 23 BAT). Mit der unmittelbaren Brandbekämpfung sind aber nicht nur die Angestellten beschäftigt, die unmittelbar vor Ort ein Feuer bekämpfen, sondern auch die, die bei der Bekämpfung von Bränden oder zur Beseitung sonstiger Notstände lediglich Hilfsdienste leisten und damit durch ihre Tätigkeit die eigentliche Brandbekämpfung oder Hilfsleistung erst ermöglichen oder zumindest unterstützen (BAG Urteil vom 11. September 1959 – 1 AZR 56/59 – nicht veröffentlicht). Diese Auslegung folgt auch aus der Protokollnotiz zu Satz 1 der Nr. 5 SR 2 × BAT. Dort haben die Tarifvertragsparteien nämlich ausdrücklich vereinbart, daß zu den Angestellten im Einsatzdienst nicht die nicht zum feuerwehrtechnischen Dienst gehörenden Angestellten zählen, wie z.B. die zum Verwaltungsdienst, zum Telefondienst, zum Krankentransportdienst gehörenden sowie die mit der Wartung von Fahrzeugen und Geräten betrauten Angestellten. Zu diesem in der Protokollnotiz aufgeführten Personenkreis gehörte der Kläger nicht. Der Kläger war vielmehr in einer Feuerwehrleitstelle des Beklagten nach § 20 FSHG NW tätig. Diese dienen der zentralen Lenkung von Einsätzen der öffentlichen Feuerwehren, sie sind Teil der öffentlichen Feuerwehrorganisation im Kreisgebiet und stehen im Verbund mit den Berufsfeuerwehren, Freiwilligen Feuerwehren und Pflichtfeuerwehren (§ 5 Abs. 1 FSHG NW: Öffentliche Feuerwehren; Runderlaß des Innenministers NRW vom 31. Juli 1987 – III A 4 – 37.32.60 – 608/87 –). Der Kläger war auch allein in dieser Leitstelle und damit dort hauptamtlich im Sinne der SR 2 × BAT tätig (Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Februar 1990, SR 2 × Nr. 1 Rz 8, 9).

2. Nach der auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden SR 2 × BAT Nr. 2 finden die §§ 15 bis 17 und 35 BAT keine Anwendung, es gelten vielmehr Insoweit die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten, und zwar nicht nur „sinngemäß” (vgl. § 11 BAT) oder „entsprechend” (vgl. § 42 BAT), sondern in vollem Umfang. Diese Verweisung auf die beamtenrechtlichen Bestimmungen ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch zulässig (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 16. November 1989 – 6 AZR 168/89 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt; BAG Urteil vom 16. Februar 1989 – 6 AZR 289/87 – AP Nr. 9 zu § 42 BAT; BAGE 41, 47, 50 f. = AP Nr. 7 zu § 44 BAT). Die Verweisung umfaßt dabei nicht nur die einschlägigen Gesetze, sondern auch hierzu ergangene Erlasse und Rechtsverordnungen (BAG Urteil vom 16. November 1989, a.a.O.; Keymer, Das Nebentätigkeitsrecht der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, ZTR 1988, 193, 195).

3. Nach § 1 Abs. 1 der danach anzuwendenen Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Nordrhein-Westfalen (AZVOFeu NW) vom 2. Dezember 1972 (GV NW S. 401) i.d.F. der Änderungsverordnung vom 25. April 1985 (GV NW S. 343) beträgt deren regelmäßige Arbeitszeit, soweit sie in Wechselschicht Dienst leisten, wöchentlich im Durchschnitt 56 Stunden. Davon sollen in der Regel nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich auf den Arbeits- und Ausbildungsdienst entfallen.

a) Das Landesarbeitsgericht hat offengelassen, ob das Abhören der Funkkanäle und die Überwachung der sonstigen Kontrolleinrichtungen durch den Kläger Vollarbeit ist oder Arbeitsbereitschaft, weil der Beklagte selbst zugestanden habe, wöchentlich fielen nicht nur 20, sondern 28 Stunden Vollarbeit beim Einsatz der Mitarbeiter in der Leistelle an. Deshalb seien die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 AZVOFeu NW über die Verlängerung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf 56 Stunden nicht gegeben. Es begründet diese Feststellung mit der zu Protokoll vom 22. April 1988 gegebenen Erklärung des Beklagten. Dieser hat dort erklärt, „der Umfang der tatsächlichen Arbeitsleistung wie Funken, Schreiben, Telefonieren u.a.” mache „50 % der Wochenarbeitszeit von 56 Stunden” aus.

b) Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts ist durch das Revisionsgericht nur beschränkt überprüfbar. Der erkennende Senat kann deshalb nur überprüfen, ob von dem Berufungsgericht der gesamte Inhalt der Verhandlung berücksichtigt worden ist, ob eine Würdigung aller Beweise stattgefunden hat und ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen die Denkgesetze und allgemeinen Erfahrungssätze ist (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. zuletzt BAGE 55, 78, 87 = AP Nr. 81 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Derartige Mängel hat weder die Revision aufgezeigt, noch sind sie aus den Akten ersichtlich. Insbesondere bleibt die Wertung des Landesarbeitsgerichts auch unter Berücksichtigung der weiteren Erklärung des Beklagten zu Protokoll, „dieser Umfang an Arbeitsleistung falle auch gleichmäßig im Regelfall bei Ein-Mann-Besetzung an” in sich geschlossen und zutreffend.

c) Auch die übrige Tätigkeit, nämlich das Abhören der Funkkanäle und die Überwachung der sonstigen Kontrolleinrichtungen ist im Sinne der AZVOFeu NW Arbeit. Die AZVOFeu NW hat allerdings nicht geregelt, was unter „Arbeitsdienst” in diesem Sinne zu verstehen ist. Es ist deshalb auf die allgemeinen Begriffe Arbeitszeit und Arbeitsbereitschaft zurückzugreifen (BAGE 18, 256 = AP Nr. 3 zu § 13 AZO; BVerwG Beschluß vom 8. März 1967 – RVerwG VI C 79.63 – AP Nr. 4 zu § 13 AZO, m.w.N.).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind als Arbeitsbereitschaft solche innerhalb der Arbeitszeit liegende Zeiten anzusehen, die für den Arbeitnehmer ohne körperliche und geistige Beanspruchung zur Entspannung geeignet sind (BAG Urteil vom 28. Januar 1981 – 4 AZR 892/78 – AP Nr. 1 zu § 1, 8 MTL II; BAGE 51, 131, 137 ff. = AP Nr. 7 zu § 15 BAT; BAG Urteil vom 30. Januar 1985 – 7 AZR 446/82 – AP Nr. 2 zu § 35 BAT). Dabei ist von der jeweils vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung auszugehen und nach dem Grad der Beanspruchung zu fragen. Arbeitsbereitschaft ist eine mindere Leistung und die Unterscheidung zur Vollarbeit ergibt sich aus dem Grad der Beanspruchung, d.h. aus der Möglichkeit, ob und in welchem Umfang Zeiten der Entspannung anfallen (BAG Urteil vom 28. Januar 1981, a.a.O., mit zustimmender Anm. von Zmarzlik; Denecke/Neumann, AZO, 10. Aufl., § 7 Rz 26; Röhsler, Die Arbeitszeit, S. 31). Auf jeden Fall gehört zur Arbeitsbereitschaft, daß der Arbeitnehmer an seiner Arbeitsstelle anwesend ist und sich dort dafür bereithält, seine Arbeit aufzunehmen, jedoch im übrigen keine Arbeit leistet. Braucht der Arbeitnehmer bei der Überwachung automatischer Anlagen lediglich anwesend zu sein, um auf ein Klingelsignal hin tätig zu werden, ist die Zeit ohne Tätigkeit lediglich Arbeitsbereitschaft (Denecke/Neumann, a.a.O., § 7 Rz 26).

Im vorliegenden Fall haben die Angestellten während der Schicht auf akustische Signale bei Funksprüchen und auf Notanrufe, bei denen ein Surrton ertönt und Kontrolleuchten aufblinken zu reagieren und im übrigen darauf zu achten, ob die Kontrollampen der Notrufanlagen leuchten. Dies stellt aber nicht nur Arbeitsbereitschaft dar, sondern ist als volle Arbeitsleistung zu werten. Das ständige Beobachten und die unmittelbare Beaufsichtigung der technischen Anlagen auf Funktionstüchtigkeit ist nicht nur Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme, sondern vom Inhalt der Beschuldeten Leistung eines Angestellten der Leitstelle her gesehen bereits unmittelbare Arbeitsleistung (vgl. auch BAGE 12, 199 = AP Nr. 8 zu § 7 AZO). Der Kläger hat somit während der gesamten Schicht Arbeit geleistet, die daher auch entsprechend zu vergüten ist.

III. Die ab Juni 1985 verlangten und vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Ansprüche sind auch rechtzeitig geltend gemacht worden (§ 70 Abs. 2 BAT). Denn die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung beruhen auf dem gleichen rechtlichen und tatsächlichen Tatbestand. Die einmalige Geltendmachung mit den Schreiben vom 17. Dezember 1985/29. Januar 1986 reichte daher aus, um auch die zu diesem Zeitpunkt noch nicht fälligen Ansprüche aus den Jahren 1985/1986 fristgerecht geltend zu machen.

IV. Nachdem das Rechenwerk zwischen den Parteien unstreitig ist, war die Revision in vollem Umfang zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Röhsler, Dr. Jobs, Schneider, Mergenthaler, Stenzel

 

Fundstellen

Dokument-Index HI988664

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