Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung einer Lehrerin nach den TdL-Richtlinien. Eingruppierung einer Lehrerin, die in der Türkei Germanistik studiert hat und nun u.a. Türkisch für türkische Migrantenkinder unterrichtet. zum Begriff des Faches i. S. der TdL-Richtlinien

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Lehrkraft hat dann aufgrund ihres Studiums die Fähigkeit zum Unterrichten in einem Fach i.S. der TdL-Richtlinien, wenn sie die Kenntnisse für alle wesentlichen Elemente des Unterrichtsfaches in diesem Studium erworben hat. Sie muß ohne weitere fachliche Ausbildung in wesentlichen Teilen des Unterrichtsangebotes in der Lage sein, das entsprechende Fach zu unterrichten.

 

Normenkette

BAT § 22 Lehrer, § 23 Lehrer; Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte; BAT Anlage 1a VergGr. IVa, III

 

Verfahrensgang

LAG Bremen (Urteil vom 30.07.1992; Aktenzeichen 3 Sa 106/90)

ArbG Bremen (Urteil vom 15.02.1990; Aktenzeichen 1 Ca 1135/88)

 

Tenor

  • Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 30. Juli 1992 – 3 Sa 106/90 – aufgehoben.
  • Das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 15. Februar 1990 – 1 Ca 1135/88 – wird auf die Berufung des beklagten Landes abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.
  • Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die richtige Eingruppierung der Klägerin.

Die Klägerin ist seit dem 3. November 1980 beim beklagten Land als Lehrerin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 30. Oktober 1980 ist eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IVa BAT und die Geltung des BAT und der diesen Tarifvertrag ergänzenden und ändernden Tarifverträge mit der Maßgabe vereinbart, daß für die Eingruppierung die Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder über die Einreihung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte vom 18. Mai 1971 und die diese ergänzenden oder ändernden Fassungen gelten.

Die Klägerin ist an einem Schulzentrum in B… beschäftigt. Sie wird dort überwiegend in Realschulklassen eingesetzt und unterrichtet im wesentlichen Deutsch für Ausländerkinder und Türkisch für türkische Migrantenkinder (sog. muttersprachlicher Unterricht).

Für den muttersprachlichen Unterricht gibt es weder in der Türkei noch in Deutschland einen eigenen Studienausbildungsgang. Der Unterricht in diesem Fach beruht auf Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitern und auf einer Vereinbarung zwischen vier Bundesländern, der sich das Land Bremen angeschlossen hat. Einen Lehrplan für dieses Unterrichtsfach gibt es in Bremen nicht. Die Lehrkräfte orientieren sich an den Lehrplänen anderer Bundesländer, u. a. auch an dem “Vorläufigen Lehrplan für Türkisch in der Sekundarstufe I” des Landes Nordrhein-Westfalen. Dort wird das Fach wie folgt beschrieben:

“Der muttersprachliche Unterricht für ausländische Schülerinnen und Schüler ist ein Fach bzw. Lernbereich eigener Art: Weder ist er ganz und gar mit dem Fremdsprachenunterricht vergleichbar noch mit einem Muttersprachenunterricht, wie er Kindern und Jugendlichen erteilt wird, die im “eigenen” Land bzw. in einer eigensprachigen Umgebung aufwachsen. Er integriert außerdem soziokulturelle Inhalte und Ziele, für die sonst andere Fächer und Lernbereiche verantwortlich sind. Da aus Sicht der jungen Menschen schulisches Lernen unteilbar ist und von ihnen Neues immer in Beziehung zu Erfahrungen mit anderen Sprachen und Lernprozessen in anderen Fächern gesetzt wird, sollte sich der muttersprachliche Unterricht für ausländische Schüler trotz der Eigenständigkeit seines Bildungs- und Erziehungsauftrages an den didaktischen Strukturen und Prinzipien der anderen Fächer, vornehmlich an denen des Deutsch- und Fremdsprachenunterrichts, orientieren.”

In der Vier-Länder-Vereinbarung heißt es zur gewünschten Qualifikation der Lehrer:

“Der muttersprachliche Unterricht wird von Lehrern aus dem Herkunftsland erteilt, die über eine abgeschlossene Ausbildung für eine entsprechende Lehrtätigkeit sowie über praktische Unterrichtserfahrungen verfügen. Eine weitere Voraussetzung für ihre Tätigkeit sind gute Deutschkenntnisse.”

Die Klägerin hatte im Jahre 1970 in Ankara ein wissenschaftliches Studium mit dem Hauptfach Germanistik und den Nebenfächern Griechische und Römische Literaturgeschichte sowie Allgemeine Linguistik mit einem Diplom abgeschlossen. Dieses Diplom berechtigte sie zur Lehrtätigkeit in der Türkei. Mit Schreiben vom 23. Dezember 1987 bescheinigte das beklagte Land der Klägerin, daß sie damit ein Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule abgeschlossen habe; dies sei jedoch nicht mit der Anerkennung als Erste Staatsprüfung für den Unterricht an öffentlichen Schulen gleichzusetzen. Dabei sei, so die Beklagte mit Schreiben vom 20. Juli 1988, der Abschluß in einem Hauptfach, nämlich in Germanistik, erfolgt.

Mit Schreiben vom 27. Januar 1987 hat die Klägerin gegenüber dem beklagten Land erfolglos ihre Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe III BAT verlangt. Sie verfolgt dieses Ziel mit der vorliegenden Klage weiter.

Die Klägerin hat ihr Eingruppierungsbegehren zuletzt in erster Linie auf die Fallgruppe 2 des Abschnitts B II (Lehrkräfte an Realschulen) der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL-Richtlinien) gestützt. Die Anmerkung der Senatskommission für das Personalwesen des beklagten Landes, wonach die Merkmale dieses Abschnittes im Land Bremen nicht angewendet werden, gelte gegenüber der Klägerin nicht. Mit der Klägerin sei lediglich die Anwendung der TdL-Richtlinien vereinbart worden. Auf bremische Zusätze und Anmerkungen nehme die arbeitsvertragliche Verweisungsregelung nicht Bezug. Darüber hinaus sei die Anmerkung der Senatskommission auch sachlich nicht gerechtfertigt und unbillig.

Jedenfalls stehe der Klägerin die begehrte Eingruppierung nach der Fallgruppe 1 des Abschnitts B I (Lehrkräfte an Grund- und Hauptschulen) der TdL-Richtlinien zu. Unter Vorlage eines Gutachtens von Herrn Prof. Dr. K… L… hat die Klägerin behauptet, sie könne aufgrund ihres Germanistikstudiums in der Türkei sowohl im Fach Deutsch als auch im muttersprachlichen Unterricht für türkische Migrantenkinder unterrichten. Für den muttersprachlichen Unterricht sei das Studium der Turkologie in der Türkei weniger geeignet als das Germanistikstudium. Das Turkologiestudium habe seinen Schwerpunkt in der Sprachwissenschaft und der Sprachgeschichte und sei am ehesten mit dem Studium des Mittelhochdeutschen vergleichbar.

Die Klägerin, die zunächst einen entsprechenden Leistungsantrag gestellt hatte, hat zuletzt beantragt,

festzustellen, daß die Klägerin ab dem 3. November 1986 in die Vergütungsgruppe III BAT eingruppiert ist und die Beklagte verpflichtet ist, die Differenzbeträge zwischen den Vergütungsgruppen IVa und III BAT für die Zeit bis Juni 1988 seit dem 7. Juli 1988 und im übrigen seit ihrer Fälligkeit jeweils am 15. des Monats zu verzinsen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Tätigkeitsmerkmale für Lehrkräfte an Realschulen in den TdL-Richtlinien können das klägerische Begehren nach Auffassung des Landes schon deshalb nicht rechtfertigen, weil die Anwendbarkeit dieser Merkmale im Land Bremen aufgrund der Anmerkung der Senatskommission ausgeschlossen sei. Mit den TdL-Richtlinien sei auch diese Anmerkung Gegenstand der arbeitsvertraglichen Verweisung geworden.

Das Land hat weiter die Auffassung vertreten, die Klägerin erfülle auch nicht die Voraussetzungen der Fallgruppe 1 des Abschnitts B I (Lehrkräfte an Grund- und Hauptschulen). Sie habe nicht unmittelbar aufgrund ihres Studiums die Fähigkeit erworben, in mindestens zwei Fächern zu unterrichten. Türkisch für türkische Migrantenkinder unterrichte die Klägerin nicht aufgrund ihres Studiums der Germanistik, sondern weil Türkisch ihre Muttersprache sei. Der Umstand, daß das Germanistikstudium für diesen Unterricht förderlich gewesen sei, und daß die Klägerin mit einem äußerst geringen Studienanteil auch Linguistik im Nebenfach studiert habe, reiche zur Ausfüllung der von ihr geltend gemachten Eingruppierungsvoraussetzungen nicht aus.

Das Arbeitsgericht hat dem ursprünglichen Klageantrag entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Das beklagte Land verfolgt mit seiner Revision seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision entsprechend dem zuletzt gestellten Sachantrag zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

A. Die Klage ist zulässig. Bei dem Klageantrag in der zuletzt klargestellten Fassung handelt es sich um eine der im öffentlichen Dienst allgemein üblichen Eingruppierungsfeststellungsklagen. Gegen deren Zulässigkeit bestehen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch in Ansehung des § 256 ZPO keine Bedenken (Senatsurteile vom 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und vom 20. Februar 1991 – 4 AZR 429/90 – AP Nr. 157 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

B. Die Klage ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen unbegründet. Die Klägerin kann nicht verlangen, ab dem 3. November 1986 nach der Vergütungsgruppe III BAT bezahlt zu werden.

I. Obwohl im Arbeitsvertrag Vergütung nach der Vergütungsgruppe IVa BAT vereinbart ist, richtet sich der Vergütungsanspruch der Klägerin nicht von vornherein nur nach dieser Vergütungsgruppe. Die Klägerin kann vielmehr die Vergütung entsprechend den Tätigkeitsmerkmalen der TdL-Richtlinien verlangen, die sie ausfüllt.

Die Klägerin, auf deren Lehrerarbeitsverhältnis nach Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen die Vergütungsordnung zum BAT keine Anwendung findet, hat mit dem beklagten Land die Geltung der TdL-Richtlinien in ihrer jeweiligen Fassung vereinbart. Eine solche dynamische Verweisung auf die TdL-Richtlinien ist dahin auszulegen, daß nicht nur die im Arbeitsvertrag vorgesehene, sondern auch eine höhere Eingruppierung zustehen soll, sofern der Arbeitnehmer die in den Eingruppierungsrichtlinien genannten Voraussetzungen hierfür erfüllt (BAGE 34, 173, 178 = AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; Senatsurteil vom 13. Februar 1985 – 4 AZR 304/83 – AP Nr. 13 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer).

II. Die Klägerin erfüllt aber keines der Tätigkeitsmerkmale der TdL-Richtlinien, die eine Eingruppierung in die von der Klägerin angestrebte Vergütungsgruppe III BAT rechtfertigen.

1. Die Klägerin kann sich nicht auf die Tätigkeitsmerkmale des Abschnitts B Unterabschnitt II – Lehrkräfte an Realschulen – der TdL-Richtlinien stützen. Diese Tätigkeitsmerkmale finden auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin keine Anwendung. Darauf, daß die Klägerin in der Vergangenheit überwiegend Realschulklassen unterrichtet hat, kommt es deshalb nicht an.

a) Die Senatskommission für das Personalwesen im Land Bremen hat den Unterabschnitt II mit der folgenden Anmerkung versehen:

“Die Merkmale dieses Abschnitts, die auch bereits in den vor 1971 bestandenen TdL-Richtlinien enthalten waren, werden – entsprechend der auf Vorschlag des Senators für Bildung im Jahre 1958 getroffenen Regelung – in Bremen aufgrund der bestehenden besonderen Schulverhältnisse nicht angewendet. Die Eingruppierung dieser Lehrkräfte richtet sich nach den in Abschnitt B Unterabschnitt I – Lehrkräfte an Grund- und Hauptschulen – aufgeführten Merkmalen.”

Diese Anmerkung ist jeweils gemeinsam mit den TdL-Richtlinien im Amtsblatt der Freien Hansestadt Bremen bekanntgemacht worden.

Aufgrund der Anmerkung der Senatskommission sind die Tätigkeitsmerkmale des Unterabschnitts II im Land Bremen insgesamt nicht anzuwenden, also unabhängig davon, ob selbständige oder teilselbständige Realschulen bestehen oder der Unterricht innerhalb integrierter Gesamtschulen überwiegend in den Klassen 7 bis 10 erteilt wurde und deshalb nach Unterabschnitt VI Tätigkeitsmerkmal 2 der TdL-Richtlinien an sich die Regelungen des Unterabschnitts II anzuwenden wären. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es deshalb für die Nichtanwendung des Unterabschnitts II auch nicht darauf an, inwieweit in den bremischen Schulzentren, in denen die Klägerin eingesetzt ist, der Übergang in das integrierte Schulsystem erreicht ist oder die bisherigen Schularten noch nebeneinander weiterbestehen.

b) Gegenüber der Anmerkung der Senatskommission und ihrer Umsetzung auf die einzelnen Lehrkräfte bestehen keine rechtlichen Bedenken.

Im Verhältnis zu den angestellten Lehrern an seinen Schulen ist das Land Bremen frei, ob es die Eingruppierungsrichtlinien überhaupt zugrunde legen, ein eigenes Besoldungssystem entwickeln oder lediglich Einzelvereinbarungen zur Vergütungshöhe treffen will. Es handelt sich bei den TdL-Richtlinien lediglich um einseitige Empfehlungen einer Tarifvertragspartei an ihre Mitglieder ohne Normwirkung. Für sich genommen haben die TdL-Richtlinien keine arbeitsrechtliche Bedeutung (Senatsurteil vom 13. Februar 1985 – 4 AZR 304/83 – AP Nr. 13 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer).

Ebenso wie das Land Bremen die TdL-Richtlinien insgesamt nicht hätte zugrunde legen müssen, war es auch berechtigt, bestimmte Tätigkeitsmerkmale dieser Richtlinien für unanwendbar zu erklären, wenn es dies aufgrund seiner besonderen Schulsituation für angemessen hielt. Die Gerichte sind nicht befugt, diese alle Lehrkräfte des Landes Bremen in gleicher Weise treffende Entscheidung des beklagten Landes daraufhin zu überprüfen, ob sie sachlich geboten war.

c) Die TdL-Richtlinien sind auch einschließlich der Anmerkung der Senatskommission für das Pesonalwesen zu Unterabschnitt II Inhalt des Arbeitsvertrages der Klägerin geworden.

Ebenso wie zunächst die Parteien sind auch die Vorinstanzen ohne weiteres davon ausgegangen, daß die Tätigkeitsmerkmale für Lehrkräfte an Realschulen wegen der Anmerkung der Senatskommission auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin keine Anwendung finden.

Der erstmalige Einwand der Klägerin in der Revisionsinstanz, die Anmerkung sei nicht ausdrücklich zum Gegenstand der arbeitsvertraglichen Verweisung gemacht worden, führt zu keinem anderen Ergebnis.

Bei der formularmäßigen Verweisung in § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien auf die TdL-Richtlinien vom 18. Mai 1971 und die ergänzenden oder ändernden Fassungen handelt es sich um eine typische Vertragsklausel, die vom Revisionsgericht selbständig und unbeschränkt ausgelegt werden kann, wenn der festgestellte Sachverhalt dies ermöglicht. Das ist insbesondere dann zu bejahen, wenn es um die Auslegung von Urkunden geht und besondere Umstände des Einzelfalles, die der Auslegung eine bestimmte Richtung geben könnten, nicht in Frage stehen (BAGE 6, 321, 345 = AP Nr. 2 zu § 1 TVG Friedenspflicht; Senatsurteil vom 7. Dezember 1977 – 4 AZR 474/76 – AP Nr. 9 zu § 4 TVG Nachwirkung; BAG Urteil vom 16. Oktober 1991 – 5 AZR 35/91 – AP Nr. 1 zu § 19 BErzGG, zu II der Gründe).

Hiernach ist die Auslegung von § 2 des Arbeitsvertrages durch das Revisionsgericht eröffnet. Die Klägerin hat sich für ihr Auslegungsergebnis allein auf den Wortlaut der in das Arbeitsvertragsformular aufgenommenen Bestimmung berufen. Auslegungserhebliche Umstände des Einzelfalls sind nicht ersichtlich.

Bei verständiger Würdigung kann § 2 des Arbeitsvertrages nur so ausgelegt werden, daß hiernach die TdL-Richtlinien so gelten sollen, wie sie vom beklagten Land bekanntgemacht worden sind, also einschließlich der Anmerkung der Senatskommission für das Personalwesen zur Nichtanwendung des Unterabschnittes II. Mit dem Arbeitsvertragsformular wurde die Klägerin vom Land Bremen für eine bremische Schule eingestellt. Danach mußte sie die Verweisung auf die TdL-Richtlinien und die ergänzenden oder ändernden Fassungen so verstehen, daß die Richtlinien in der – ergänzten – Fassung angewendet werden sollen, wie sie das Land Bremen nach seinen Verlautbarungen im Amtsblatt für sich gelten lassen will.

2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann die Klägerin sich zur Rechtfertigung ihres Höhergruppierungsbegehrens auch nicht auf Abschnitt B Unterabschnitt I Fallgruppe 1 stützen.

Die Eingruppierungsbestimmungen lauten hier:

B. 

Sonstige Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis an allgemeinbildenden und an berufsbildenden Schulen

Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis, die nicht unter Abschnitt A fallen, können in die Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT wie folgt eingruppiert werden:

I.

Lehrkräfte an Grund- und Hauptschulen

1.

Lehrer in der Tätigkeit von Lehrern an Grund- oder Hauptschulen

mit abgeschlossenem Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule, die aufgrund ihres Studiums die Fähigkeit zum Unterrichten in mindestens zwei Fächern haben und überwiegend Unterricht in mindestens einem ihrem Studium entsprechenden Fach erteilen,

Vergütungsgruppe IVa

nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe

Vergütungsgruppe III

Die Klägerin erfüllt diese Tätigkeitsmerkmale mit den von ihr unterrichteten Fächern Deutsch und Türkisch für türkische Migrantenkinder nicht.

a) Sie erfüllt zwar die Anforderungen eines abgeschlossenen Studiums an einer wissenschaftlichen Hochschule. Hierfür reicht auch das Germanistikstudium an der Universität in Ankara aus, nachdem der zuständige Senator des beklagten Landes durch seine Schreiben vom 23. Dezember 1987 und 20. Juli 1988 dieses Studium als einem abgeschlossenen Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule gleichwertig anerkannt hat (vgl. Protokollnotiz Nr. 1 zu Abschnitt B der TdL-Richtlinien).

b) Die Klägerin hat aber nicht aufgrund ihres Studiums die Fähigkeit zum Unterrichten in mindestens zwei Fächern. Diese Voraussetzung wird zwar mit dem Fach Deutsch, nicht aber mit dem Unterrichtsangebot in Türkisch für türkische Migrantenkinder ausgefüllt.

aa) Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei diesem Unterrichtsangebot überhaupt um ein Fach im Sinne der TdL-Richtlinien handelt.

Das Landesarbeitsgericht hat den Standpunkt vertreten, hierunter seien alle in einer Schule angebotenen Unterrichtsfächer zu verstehen. Demgegenüber hat der Senat den Begriff Fach in den TdL-Richtlinien, die nach einzelvertraglicher Inbezugnahme wie typische Vertragsbedingungen in der Revisionsinstanz selbständig ausgelegt werden können (Senatsurteil vom 13. Februar 1985 – 4 AZR 304/83 – AP Nr. 13 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer), wesentlich enger ausgelegt (Senatsurteil vom 13. November 1991 – 4 AZR 28/91 – n.v.; Senatsurteil vom 28. April 1993 – 4 AZR 321/92 –, n.v.). Hiernach ist davon auszugehen, daß die in der Tarifgemeinschaft zusammengeschlossenen Länder den Begriff Fach in demselben Sinne verwenden wie in den einschlägigen Verordnungen der jeweiligen Länder. Dies sind die Lehramtsprüfungsordnungen. Diese sehen auch im Land Bremen ein Fach “Muttersprachlicher Ergänzungsunterricht” oder “Türkisch für türkische Migrantenkinder” nicht vor. Nach den Feststellungen des Sachverständigengutachtens von Herrn Prof. Dr. L…, die sich das Landesarbeitsgericht zu eigen gemacht hat, gibt es weder für dieses Fach noch für die Qualifikation der hier eingesetzten Lehrer ein verbindliches Anforderungsprofil oder ein wissenschaftliches Studium, das unmittelbar zu einem solchen Fach führt.

bb) Die aufgeworfene Auslegungsfrage kann jedenfalls im vorliegenden Fall unentschieden bleiben. Die Klägerin hat zumindest nicht “aufgrund” ihres Germanistikstudiums in der Türkei die Fähigkeit erworben, Türkisch für türkische Migrantenkinder zu unterrichten.

Das Landesarbeitsgericht hat diese Anforderung dahin ausgelegt, es werde hier eine Kausalität zwischen dem Hochschulstudium und der Fähigkeit zum Fachunterricht verlangt. Sinn und Zweck des Tätigkeitsmerkmals sei es, die besondere Qualifikation und die sich daraus ergebende verbreiterte Einsatzmöglichkeit höher zu vergüten. Das Vergütungsmerkmal sei jedenfalls dann erfüllt, wenn der betreffende Arbeitnehmer ohne sein Studium den Unterricht in beiden Fächern nicht sachgerecht durchführen könne, und der Stoffplan sowie die Ziele des Unterrichtsfaches in einem gewissen Ausmaß Gegenstand des wissenschaftlichen Studiums gewesen seien. Dabei müßten sich die Studieninhalte nicht mehr oder weniger wortgleich im Unterrichtsfach wiederholen. Dies sei schon deshalb erforderlich, weil es für manche Unterrichtsfächer keine eigenen Studiengänge gebe, es aber denkbar sei, daß ein Lehrer aufgrund seines Studienganges das fragliche Fach gleichwohl abdecken könne. Vom Sinn und Zweck der Regelung ausgehend sei das streitige Merkmal dann zu bejahen, wenn im Unterrichtsfach das wissenschaftliche Studium prägend in Erscheinung trete, wenn wesentliche Teile des Studiums im muttersprachlichen Unterricht zum Tragen kämen.

Diese Auslegung greift die Revision zu Recht an. Sie entspricht nicht den nach dem Wortlaut des Tätigkeitsmerkmals zu stellenden Anforderungen.

Der durch das Wort “aufgrund” zum Ausdruck gekommenen Kausalität des Studiums für die Fähigkeit zum Fachunterricht entspricht es nicht, wenn nur wesentliche Teile des Studiums im Unterrichtsfach zum Tragen kommen. Entscheidend ist vielmehr, daß die Kenntnisse für alle wesentlichen Elemente des Unterrichtsfaches in einem wissenschaftlichen Studium durch den Lehrer erworben wurden. Der Lehrer muß allein aufgrund seines Studiums, ohne weitere Ausbildung in wesentlichen Teilen des Unterrichtsangebotes, in der Lage sein, das betreffende Fach zu unterrichten. Es reicht deshalb auch nicht aus, wenn in dem Fachstudium methodische oder fachübergreifende inhaltliche Kenntnisse vermittelt werden, die im späteren Unterricht verwertet werden können oder als Grundlage für diesen Unterricht geeignet sind. Das, was unterrichtet werden soll, muß Gegenstand und Ergebnis der wissenschaftlichen Ausbildung gewesen sein.

Aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und dem von ihm in Bezug genommenen Sachverständigengutachten ergibt sich ohne weiteres, daß die Klägerin nach diesem Begriffsinhalt das Fach Türkisch für türkische Migrantenkinder nicht aufgrund ihres Germanistikstudiums in der Türkei unterrichten kann. Das Revisionsgericht ist deshalb nach § 72 Abs. 5 ArbGG, § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO auch in der Lage, selbst zu entscheiden.

Die Klägerin hat keine wissenschaftliche Ausbildung in Türkisch. Sie spricht diese Sprache, weil sie Türkin ist. Sie hat Kenntnisse von den aktuellen kulturellen Rahmenbedingungen in der Türkei aufgrund des Umstandes, daß sie dort geboren und aufgewachsen ist. Soweit sie im Rahmen ihrer Ausbildung in Ankara nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Beweisergebnis auch in türkischem Aufsatz und in Übersetzungen vom Deutschen ins Türkische geschult worden ist, handelt es sich nur um Teilaspekte des absolvierten Studiums, die ersichtlich eine Vertiefung der Kenntnisse der Klägerin in der Fremdsprache Deutsch und in deren Strukturen zum Ziel hatte. Diese Übungen wurden nicht abgehalten, um die Klägerin in die Lage zu versetzen, türkische Kinder im Fach Türkisch zu unterrichten. Entsprechendes gilt für die vom Landesarbeitsgericht angesprochenen Studieninhalte Reformen der Türkei und Deutsche Kulturgeschichte. Zwar haben diese Fächer erkennbar auch soziokulturellen Inhalt. Sie dienten aber nicht dazu, die aktuellen soziokulturellen Probleme zu bewältigen, die sich aus der Migration und der Entfremdung der Migrantenkinder von ihrer heimatlichen Kultur ergeben. Dies ist aber nach dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Gutachten von Herrn Prof. Dr. L… ein wesentlicher Inhalt des muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts.

Aus diesem Gutachten, das sich die Klägerin auch als eigenen Vortrag zu eigen gemacht hat, ergibt sich darüber hinaus, daß die Anforderungen des muttersprachlichen Unterrichts für Migrantenkinder bis zur Einführung eines entsprechenden Studienganges nur erfüllt werden können, wenn die betreffende Lehrkraft sich in erheblichem Umfang Fortbildungsmaßnahmen unterzieht. Damit stand die Fähigkeit zum muttersprachlichen Unterricht nicht am Ende des klägerischen Studiums der Germanistik. Diese Fähigkeit kann erst durch zusätzliche Fortbildungsmaßnahmen, insbesondere auf soziokulturellem Gebiet, erreicht werden.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Dr. Wißmann, Bepler, Dr. Kiefer, Hauk

 

Fundstellen

Haufe-Index 848140

BB 1994, 76

NZA 1994, 702

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