Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahmeverzug

 

Normenkette

BGB §§ 615, 296; ZPO § 554 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 08.11.1994; Aktenzeichen 3 Sa 37/94)

ArbG Hamburg (Urteil vom 26.01.1994; Aktenzeichen 6 Ca 347/93)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 8. November 1994 – 3 Sa 37/94 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wurde vom Beklagten seit dem 1. August 1982 als Hilfe im Haushalt seiner Mutter zu einem Bruttogehalt von 1.965,13 DM monatlich beschäftigt. Am 18. Februar 1992 kam es zwischen der Klägerin und der Mutter des Beklagten zu einem Zerwürfnis. Die Klägerin verließ den Arbeitsplatz und übersandte dem Beklagten zunächst eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 19. Februar 1992 für die Zeit vom 18. bis 21. Februar 1992 und in der Folgezeit weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeit bis einschließlich 3. April 1992. Insgesamt war die Klägerin bis zum 26. April 1992 arbeitsunfähig krank. Mit Schreiben vom 25. Februar 1992 schickte der Beklagte der Klägerin ihre Arbeitspapiere „zur Entlastung” zurück und teilte ihr mit, Arbeitsende sei der 18. Februar 1992 gewesen, unter Berücksichtigung von drei Urlaubstagen sei die Abmeldung zum 21. Februar 1992 erfolgt.

In einem Vorprozeß erhob die Klägerin gegen den Beklagten mit Schriftsatz vom 6. März 1992 Klage mit dem Antrag festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 25. Februar 1992 nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht. Mit der Klageerwiderung vom 24. März 1992 in dem Vorprozeß machte der Beklagte geltend, sein Schreiben vom 25. Februar 1992 stelle keine Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar, vielmehr habe die Klägerin am 18. Februar 1992 selbst gekündigt. Mit Schriftsatz vom 8. April 1992 trug die Klägerin in dem Vorprozeß vor, sie habe das Arbeitsverhältnis am 18. Februar 1992 nicht gekündigt, sie sei an diesem Tag gegangen, weil sie sich arbeitsunfähig krank gefühlt habe. Nach Scheitern des Gütetermins am 13. April 1992 beantragte die Klägerin im Kammertermin vom 22. Juli 1992 vor dem Arbeitsgericht festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien ungekündigt fortbesteht. Das Arbeitsgericht erkannte mit Urteil vom gleichen Tag nach dem Antrag der Klägerin, die Berufung des Beklagten blieb – auch mit einem Auflösungsantrag – erfolglos. Nach Erlaß des Berufungsurteils am 11. Dezember 1992 einigten sich die Parteien auf eine befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab 1. Januar 1993 mit einer Weiterbeschäftigung der Klägerin in den Geschäftsräumen des Beklagten.

Im vorliegenden Verfahren verlangt die Klägerin vom Beklagten aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges Entgelt für die Zeit vom 27. April bis 31. Dezember 1992 – unterbrochen durch eine Kur – in unstreitiger Höhe von 13.624,90 DM brutto abzüglich 4.224,00 DM netto (Arbeitslosengeld).

Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe sich ab 27. April 1992 in Annahmeverzug befunden. Im Verlauf des Vorprozesses habe sie immer zu erkennen gegeben, daß sie arbeiten wolle. Der Beklagte hätte sie deshalb nach Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit zur Arbeitsleistung auffordern müssen.

Die Klägerin hat – soweit für die Revisionsinstanz noch von Interesse – beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 13.624,90 DM abzüglich 4.224,00 DM netto nebst 4 % Zinsen auf den Bruttobetrag seit dem 13. August 1993 zu zahlen.

Der Beklagte hat zur Stützung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, spätestens seinem Schriftsatz vom 24. März 1992 hätte die Klägerin entnehmen müssen, daß er nicht die Absicht gehabt habe, das Arbeitsverhältnis von sich aus zu beenden. Seine Meinung, daß die Klägerin das Arbeitsverhältnis gekündigt habe, sei jedenfalls nicht völlig unsinnig, sondern durch die tatsächlichen, von der Klägerin ausgelösten Ereignisse durchaus begründet gewesen. Es wäre daher Sache der Klägerin gewesen, ihre Arbeitskraft anzubieten, um ihm eine Gelegenheit zu geben, auf dieses Angebot zu reagieren. Ein Arbeitsangebot der Klägerin sei aber erst am 15. Dezember 1992 erfolgt. Er habe auch erst Anfang 1993 von der Klägerin erfahren, daß diese bis zum 26. April 1992 arbeitsunfähig gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag der Klägerin erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision des Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus Annahmeverzug (§§ 615, 293 ff. BGB) zu.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, ein Arbeitgeber gerate nach § 296 BGB auch dann in Annahmeverzug, wenn er zwar nicht unwirksam kündige, aber während einer befristeten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers gegenüber diesem anderweitig zu Unrecht zum Ausdruck bringe, daß das Arbeitsverhältnis seiner Auffassung nach beendet sei, und er hieran auch dann festhalte, wenn der Arbeitnehmer den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend mache.

II. Dem folgt der Senat.

1. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung (Urteil vom 9. August 1984 – 2 AZR 374/83BAGE 46, 234 = AP Nr. 34 zu § 615 BGB; zuletzt Urteil vom 24. November 1994 – 2 AZR 179/94 – AP Nr. 60, a.a.O., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen), von der auch das Berufungsgericht ausgeht, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer einen funktionstüchtigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Erst durch die Erfüllung dieser kalendermäßig festgesetzten Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers ist der Arbeitnehmer in der Lage, seine tatsächliche Arbeitsleistung innerhalb der vorgesehenen Arbeitszeit zu bewirken. Hat der Arbeitgeber etwa durch Ausspruch einer fristlosen Kündigung zum Ausdruck gebracht, er sei nicht mehr zur Erbringung dieser Mitwirkungshandlung bereit, so gilt § 296 BGB: Der Arbeitgeber gerät auch ohne Arbeitsangebot des Arbeitnehmers in Annahmeverzug, solange er den Arbeitnehmer nicht auffordert, die Arbeit wieder aufzunehmen. Die Anwendung des § 296 BGB im Rahmen des § 615 BGB entspricht, was teilweise verkannt wird, dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers. Bei den Ausschußberatungen des späteren § 615 BGB (vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB, zu § 562 des Entwurfs, S. 900) ist ausdrücklich erklärt worden, der Dienstgeber komme in Annahmeverzug, wenn der Dienstnehmer sich zur Leistung der Dienste erbiete und persönlich dazu imstande sei, die zu bearbeitende Sache ihm aber vom Dienstgeber nicht bereitgestellt werde.

2. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Anwendung des § 296 BGB nicht auf die Fälle beschränkt, in denen der Arbeitgeber zu Unrecht fristlos gekündigt hat. Zwar bringt der Arbeitgeber durch eine fristlose Kündigung besonders deutlich zum Ausdruck, daß er dem Arbeitnehmer keine Arbeit mehr zuweisen und ihm keinen funktionstüchtigen Arbeitsplatz mehr zur Verfügung stellen will. Der Arbeitgeber kann jedoch seine Ablehnung, die Arbeitsleistung entgegenzunehmen, auch in anderer Weise zum Ausdruck bringen mit der Folge, daß er in Annahmeverzug gerät, bis er dem Arbeitnehmer wieder einen funktionstüchtigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt. Macht der Arbeitgeber zu Unrecht geltend, das Arbeitsverhältnis sei durch eine Kündigung des Arbeitnehmers beendet, übersendet dem Arbeitnehmer unter Hinweis auf die Beendigung die Arbeitspapiere, meldet ihn bei der Krankenkasse ab und hält an seiner falschen Rechtsansicht auch im Prozeß fest, so bringt er damit hinreichend deutlich zum Ausdruck, daß er in Zukunft seine Mitwirkungshandlung nicht mehr erfüllen und dem Arbeitnehmer keine Arbeit mehr zuweisen will. Vom Empfängerhorizont des Arbeitnehmers aus gesehen ist dieser Fall dem einer durch den Arbeitgeber ausgesprochenen fristlosen Kündigung durchaus vergleichbar, so daß es nicht mehr darauf ankommt, ob in der Übersendung der Arbeitspapiere eine eigenständige Arbeitgeberkündigung zu sehen war.

3. Es ist danach revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhalts angenommen hat, der Beklagte sei nach §§ 615, 296 BGB auch ohne wörtliches Arbeitsangebot der Klägerin in Annahmeverzug geraten. Schon durch das Schreiben vom 25. Februar 1992 hat der Beklagte zum Ausdruck gebracht, daß er die Arbeitsleistung der Klägerin nicht mehr entgegennehmen wollte. Diese Weigerung des Beklagten, der Klägerin Arbeit zuzuweisen, mußte die Klägerin auch angesichts der Gesamtumstände zunächst jedenfalls als endgültig ansehen: Nach dem Zerwürfnis mit der Mutter des Beklagten und der von dieser geforderten Rückgabe des Wohnungsschlüssels mußte die Klägerin, wovon auch das Arbeitsgericht in seinem Urteil ausgeht, annehmen, daß ihr jedenfalls ihr bisheriger Arbeitsplatz im Haushalt der Mutter des Beklagten nicht mehr zur Verfügung stand. Die zwischen den Parteien vereinbarte Weiterbeschäftigung ist dann später auch nicht bei der Mutter des Beklagten, sondern im Betrieb des Beklagten, erfolgt. Die Klägerin hatte demgegenüber ihre Leistungsbereitschaft bekundet: Unverzüglich nach dem 18. Februar 1992 hatte sie dem Beklagten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen übersandt, Anfang März 1992 Klage erhoben und in dem Vorprozeß stets klargestellt, daß sie an dem Arbeitsverhältnis festhalten wollte. Wenn der Beklagte demgegenüber nach der Klagezustellung am 19. März 1992 in dem Vorprozeß Ende März 1992 einen Klageabweisungsantrag stellte und noch in dem Gütetermin vom 13. April 1992 keine Bereitschaft erkennen ließ, der Klägerin auch auf den Bruttobetrag verurteilt hat, ist die Revision bereits unzulässig, weil keine den Anforderungen der § 72 Abs. 5 ArbGG, § 554 Abs. 3 ZPO entsprechende Revisionsbegründung vorliegt. Bezieht sich die Revision auf mehrere Ansprüche im prozessualen Sinn, so muß zu jedem Anspruch eine ausreichende Revisionsbegründung gegeben werden. Die Revisionsbegründung muß jedenfalls eine sachliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen enthalten, deren Mindestgehalt vom Gehalt der Urteilsbegründung abhängt (BAG Urteil vom 4. September 1975 – 3 AZR 230/75 – AP Nr. 15 zu § 554 ZPO). Dies gilt grundsätzlich auch für das Zinsbegehren, das einen prozessual selbständigen Anspruch darstellt (Schneider, MDR 1975, 801; Müller-Rabe, NJW 1990, 283, 284; Zöller/Gummer, ZPO, 19. Aufl., § 519 Rz 38). Eine gesonderte Begründung kann nur dann entbehrlich sein, wenn zwei Ansprüche derart in einem Eventualverhältnis stehen, daß die Entscheidung über den einen Streitgegenstand zwangsläufig auch eine parallel gerichtete Entscheidung über den zweiten Streitgegenstand nach sich zieht (vgl. BAG Urteil vom 20. Juli 1989 – 2 AZR 114/87BAGE 62, 256 = AP Nr. 2 zu § 1 KSchG Sicherheitsbedenken). Ein solcher Fall liegt bei einer Zinsforderung jedenfalls dann nicht vor, wenn – wie hier – die Vorinstanz mit einer mehrseitigen Begründung einen in der Rechtsprechung und Lehre umstrittenen Zinsanspruch auch für Beträge zuerkannt hat, die dem Arbeitnehmer nicht unmittelbar zufließen. Die Revisionsbegründungsschrift hätte sich insoweit mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen müssen. Dies ist mit keinem Wort geschehen.

 

Unterschriften

Etzel, Bitter, Bröhl, Thelen, Beckerle

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1089223

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