Entscheidungsstichwort (Thema)

Beihilfeanspruch für Anstaltsunterbringung. Ausschlußfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

Fortsetzung der Senatsrechtsprechung zum Beihilfeanspruch für die dauernde Anstaltsunterbringung eines volljährigen Kindes, für die der Sozialhilfeträger vorgeleistet hat (Urteil vom 15. Juli 1993 – 6 AZR 685/92BAGE 73, 333 = AP Nr. 2 zu Nr. 1 Beihilfevorschriften); Änderung der Rechtslage zur Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für die Betreuung in einer Werkstatt für Behinderte (sog. Werkstattgebühren); Ausschlußfrist zur Geltendmachung von Beihilfeansprüchen bei Vorleistung durch den Sozialhilfeträger.

 

Normenkette

Tarifvertrag Nr. 163 vom 6. März 1961 über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen an Arbeiter und Lehrling der Deutschen Bundespost § 1; Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften –

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 31.08.1995; Aktenzeichen 10 Sa 387/95)

ArbG Köln (Urteil vom 14.12.1994; Aktenzeichen 9 Ca 11828/93)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 31. August 1995 – 10 Sa 387/95 – in der Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben, als es der Klage in Höhe von mehr als 3.944,64 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 4. Februar 1994 stattgegeben hat.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14. Dezember 1994 – 9 Ca 11828/93 – insoweit abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.944,64 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 4. Februar 1994 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die weitergehende Berufung und die weitergehende Revision der Beklagten werden zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 20/21 und die Beklagte zu 1/21.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin ein Anspruch auf Beihilfe zu den Kosten der dauernden Anstaltsunterbringung und der Betreuung ihres volljährigen Sohnes in einer Behindertenwerkstatt zusteht, nachdem die Kosten vom Träger der Sozialhilfe erbracht wurden.

Die Klägerin ist bei der Beklagten als Arbeiterin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag Nr. 163 vom 6. März 1961 über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen an Arbeiter und Lehrlinge der Deutschen Bundespost Anwendung. Danach sind für die Gewährung der Beihilfe die für die Beamten der Deutschen Bundespost jeweils geltenden Beihilfevorschriften (BhV) sinngemäß anzuwenden.

Der am 7. Juli 1964 geborene Sohn der Klägerin leidet an einem frühkindlichen Hirnschaden mit Schwachsinn zweiten Grades sowie an motorischen Störungen und Verhaltensstörungen. Seit dem 1. Juli 1979 war er in wechselnden Pflegeheimen untergebracht und befindet sich seit Juli 1986 dauernd in dem Heim U. der L. Einrichtungen für Cerebralgeschädigte. Außerdem besucht er seit dem 28. September 1989 den Arbeitsbereich der M.-Werkstätten für Behinderte in L.

Am 17. April 1990 stellte das Staatliche Gesundheitsamt L. fest, daß der Sohn der Klägerin zu einem Leben außerhalb der Anstalt keinesfalls imstande sei. In allen Verrichtungen des täglichen Lebens bedürfe er der Anleitung und Überwachung. Er sei weder in der Lage, sich adäquat zu verständigen noch könne er mit Geld umgehen. Er sei nicht verkehrssicher. Deshalb sei er weiterhin auf personenbezogene Pflege in Form von Aufsicht, Anleitung und Bewahrung angewiesen. Mit einer Beendigung der Pflegebedürftigkeit sei nicht zu rechnen.

In einem Entwicklungsbericht vom 9. Mai 1990 bescheinigten die … L. Einrichtungen, daß der Sohn der Klägerin in seiner Fein- und Grobmotorik teils erheblich beeinträchtigt sei. Zwar könne er sich allein an- und auskleiden, achte auf saubere Kleidung, sei sauber, gehe selbständig zur Toilette, könne die Uhr auf eine halbe Stunde genau ablesen und selbständig essen. Andererseits sei er jedoch nicht in der Lage, seine Kleidung selbständig der Witterung gerecht auszusuchen und bedürfe der Kontrolle bei der Körperpflege. Seine Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit und Befähigung zur visuell-motorischen Koordination seien beschränkt. Er könne nur ansatzweise lesen und sei nicht verkehrssicher.

In einem von der Beklagten am 8. Februar 1994 bei den L. Einrichtungen eingeforderten Formblatt wird dem Sohn der Klägerin bescheinigt, er bedürfe keiner Hilfe beim Aufstehen und Zubettgehen, beim Toilettengang, beim Gehen und beim Trinken. Eine gelegentliche Hilfe sei erforderlich beim An- und Auskleiden und beim Essen. Häufige Hilfe sei erforderlich bei der Körperpflege. Ständige Hilfe sei erforderlich bei der Verabreichung von lebensnotwendigen Medikamenten. Sofern eine Hilfe erforderlich sei, erfolge nicht nur eine Anleitung und Beaufsichtigung. Ohne fremde Hilfe könne er diese Verrichtungen nicht selbst vornehmen. Zudem bedürfe er der ständigen Aufsicht, da er zum Weglaufen, zum Zerstören und zur erhöhten Eigengefährdung neige. Eine Änderung des Zustandes sei nicht zu erwarten.

Die Kosten für die Unterbringung wurden von Beginn an vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) als Träger der Sozialhilfe im Rahmen der Eingliederungshilfe getragen. Der LVR forderte die Klägerin periodisch unter Beifügung entsprechender Pflegekostenaufstellungen auf, Beihilfe zu den Unterbringungskosten zu beantragen. Dem kam die Klägerin nach. Die Beklagte gewährte daraufhin Beihilfe, seit Januar 1988 für eine „dauernde Anstaltsunterbringung” nach § 9 BhV.

Mit Schreiben vom 25. August 1992 forderte der LVR die Beklagte unter Beifügung der Kostenaufstellungen auf, Beihilfe für die Unterbringung in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis 30. Juni 1992 zu gewähren. Die Beklagte, die irrtümlich davon ausging, es handele sich um die Kosten für den Besuch der Behindertenwerkstatt, forderte mit Schreiben vom 8. September 1992 unter Hinweis auf die ab 1. Januar 1992 geänderten Beihilfevorschriften weitere Nachweise an. Sie übersandte der Klägerin eine Abschrift des Schreibens mit der Bitte, einen entsprechenden Beihilfeantrag zu stellen. Mit Schreiben vom 2. April 1993 forderte der LVR die Beklagte auf, Beihilfe zu den Unterbringungskosten entsprechend den beigefügten Kostenaufstellungen für die Zeit vom 1. Juli 1992 bis 31. Dezember 1992 zu gewähren. Ferner beantragte der LVR, Beihilfe für die Kosten des Besuchs der Werkstatt für Behinderte in der Zeit vom 28. September 1989 bis 31. Dezember 1992 zu gewähren und fügte entsprechende Kostenaufstellungen bei. Diese beziehen sich nur auf die Kosten für die Betreuung in der Werkstatt. Sie betreffen keine Heilbehandlung i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV.

Mit Schreiben vom 30. September 1993 lehnte die Beklagte unter Bezugnahme auf ein Schreiben vom 15. April 1993 die Gewährung der Beihilfe für die Unterbringungskosten ab. Hinsichtlich der Kosten für den Besuch der Werkstatt für Behinderte in der Zeit vom 28. September 1989 bis 31. Dezember 1991 verwies die Beklagte auf die Frist zur Geltendmachung nach § 17 Abs. 9 BhV. Hinsichtlich der Aufwendungen für die Zeit von Januar 1992 bis März 1992 bat die Beklagte vorsorglich um Mitteilung, wann diese Aufwendungen bezahlt worden seien.

Mit Schreiben vom 21. Dezember 1993 forderte der LVR die Klägerin auf, einen Beihilfeantrag zu stellen. Die Klägerin beantragte daraufhin am 23. Dezember 1993 Beihilfe in Höhe von 80 % zu den Unterbringungskosten für das Jahr 1992 abzüglich eines Selbstbehalts von 2.400,– DM in Höhe von 56.686,26 DM und zu den Werkstattkosten für die Zeit vom 28. September 1989 bis 31. Dezember 1992 in Höhe von 49.492,86 DM mithin die Zahlung eines Gesamtbetrages von 84.943,30 DM. Die Beklagte lehnte die Gewährung von Beihilfe insgesamt ab.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Beklagte sei zur Beihilfegewährung nach § 9 Abs. 1 BhV verpflichtet. Ihr Sohn sei pflegebedürftig i.S. der Beihilfevorschriften. Zu den Unterbringungskosten seien auch die Kosten für den Besuch der Werkstatt für Behinderte zu rechnen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 84.943,30 DM nebst 8,76 % Zinsen seit dem 3. Februar 1994 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, der Klägerin stehe kein Beihilfeanspruch zu, da die Leistungen vom Sozialhilfeträger erbracht worden und ihr deshalb keine eigenen Aufwendungen entstanden seien. Im übrigen seien die geltend gemachten Aufwendungen nicht beihilfefähig. Nach den ab 1. Januar 1992 neugefaßten Beihilfevorschriften sei der Sohn der Klägerin nicht als pflegebedürftig i.S.v. § 9 BhV anzusehen, da er weder der Grund noch der Behandlungspflege bedürfe. Deshalb seien sowohl die Unterbringungskosten als auch die Werkstattkosten nicht beihilfefähig. Die Werkstattkosten seien auch deshalb nicht beihilfefähig, weil keine personenbezogenen Pflegemaßnahmen durch dafür ausgebildetes Personal ausgeführt worden seien. Dem Sohn der Klägerin sei nur Gelegenheit zur Ausübung einer der Behinderung entsprechenden Beschäftigung gegeben worden. Die Werkstatt für Behinderte gehöre ferner nicht zu den Pflegeeinrichtungen i.S.v. § 9 Abs. 1 BhV.

Da der Sozialhilfeträger vorgeleistet habe, könne Beihilfe nach § 17 Abs. 9 Satz 3 Beihilfevorschriften allenfalls für Aufwendungen gewährt werden, die längstens ein Jahr vor Stellung des Beihilfeantrags am 23. Dezember 1993 erbracht worden seien.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit der Maßgabe, daß der Zinsanspruch nur in Höhe von 4 % bestehe, stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im wesentlichen begründet. Der Klägerin steht ein Beihilfeanspruch nur zu den Unterbringungskosten für den Monat Dezember 1992 in Höhe von 3.944,64 DM zu. Im übrigen ist die Klage unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klage sei in vollem Umfange begründet. Der Anspruch auf Beihilfe folge aus § 9 BhV. Der Sohn der Klägerin sei pflegebedürftig im Sinne dieser Bestimmung, da er einer unmittelbaren auf seine Person bezogenen Grundpflege, z.B. der Hilfe beim An- und Auskleiden und bei der Hygiene bedürfe. Es sei eine das übliche Maß übersteigende Aufsicht notwendig. Dies ergebe sich aus den Feststellungen der behandelnden Einrichtung. Beihilfefähig seien deshalb nicht nur die Unterbringungskosten, sondern auch die Werkstattkosten. Insoweit habe die Beklagte nicht hinreichend vorgetragen, daß der Sohn der Klägerin dort nur beschäftigt und betreut worden sei, ohne daß dies zugleich Bestandteil der erforderlichen Pflege gewesen sei.

Unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts hat das Landesarbeitsgericht die Einhaltung der Frist zur Geltendmachung des Beihilfeanspruchs nach § 17 Abs. 9 BhV bejaht. Die Aufforderung des LVR an die Klägerin mit Schreiben vom 21. Dezember 1993, Beihilfe zu beantragen, sei als Tag der Rechnungstellung anzusehen. Deshalb sei der Beihilfeantrag am 23. Dezember 1993 rechtzeitig gestellt worden.

II. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann hinsichtlich der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die Unterbringung gefolgt werden. Dieser Beihilfeanspruch ist jedoch nur für den Monat Dezember 1992 fristwahrend geltend gemacht worden. Die Werkstattkosten waren nur bis zum 31. Dezember 1991 beihilfefähig, sind aber insoweit nicht rechtzeitig geltend gemacht worden. Ab 1. Januar 1992 waren die Werkstattkosten schon dem Grunde nach nicht mehr beihilfefähig.

1. Die Beklagte ist verpflichtet, Beihilfe zur dauernden Anstaltsunterbringung des Sohnes der Klägerin zu gewähren.

a) Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag Nr. 163 über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen an Arbeiter und Lehrlinge der Deutschen Bundespost Anwendung. Danach wird Beihilfe nach den für die Beamten der Deutschen Bundespost jeweils geltenden Beihilfevorschriften sinngemäß gewährt. Dies waren für den Klagezeitraum vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 1992 nach der Verfügung des Direktoriums der Deutschen Bundespost D 95/1992 die Beihilfevorschriften des Bundes in der ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung (Amtsblatt der Deutschen Bundespost Postdienst sowie des Direktoriums der Deutschen Bundespost Nr. 26 vom 28. April 1992).

Nach § 9 Abs. 1 BhV sind aus Anlaß einer wegen Pflegebedürftigkeit notwendigen dauernden Unterbringung körperlich oder geistig Kranker in Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten sowie Pflegeheimen neben anderen beihilfefähigen Aufwendungen abweichend von § 6 Abs. 1 Nr. 6 BhV die Kosten für Unterkunft und Verpflegung bis zum niedrigsten Satz in den für die Unterbringung in Betracht kommenden öffentlichen oder freien gemeinnützigen Anstalten oder Pflegeheimen am Ort der Unterbringung oder in seiner nächsten Umgebung insoweit beihilfefähig, als sie monatlich bestimmte Beträge übersteigen. Nach § 9 Abs. 2 BhV ist eine dauernde Unterbringung anzunehmen, wenn nach dem Zeugnis eines Amts- oder Vertrauensarztes mit einer Beendigung der Pflegebedürftigkeit nicht mehr zu rechnen ist.

In den Hinweisen zu § 9 Abs. 1 BhV ist bestimmt:

  1. Zum Begriff der Pflegebedürftigkeit vgl. Hinweis 1 zu § 6 Abs. 1 Nr. 7; danach sind die Beschäftigung und Betreuung z.B. in einer Werkstatt für Behinderte keine Pflege im Sinne des § 9, Werkstattgebühren und Versicherungsbeiträge für den Behinderten sind deshalb nicht beihilfefähig (vgl. aber Hinweis 4.4 zu § 6 Abs. 1 Nr. 3). Ebenfalls nicht beihilfefähig sind die Aufwendungen, die durch einen zur Erfüllung der Schulpflicht vorgeschriebenen Sonderschulunterricht entstehen, dazu zählen auch die Fahrkosten.
  2. Die in Satz 1 genannten Anstalten und Pflegeheime sind Pflegeeinrichtungen, die Pflegebedürftige zur Betreuung und Pflege in der Regel nicht nur vorübergehend aufnehmen. Dies sind Krankenanstalten (z.B. Bezirks- und Landeskrankenhäuser) sowie Pflegeabteilungen und Pflegeplätze in Altenheimen. Eine Einrichtung ist stets dann Pflegeeinrichtung, wenn die nach dem Heimgesetz vom 23. April 1990 (BGBl. I S. 764) zuständige Behörde die erforderliche Erlaubnis erteilt hat. Andere Einrichtungen sind keine Einrichtungen im Sinne des Absatzes 1.

Der Hinweis Nr. 1 zu § 6 Abs. 1 Nr. 7 hat folgenden Wortlaut:

  1. Pflegebedürftig ist, wer infolge Krankheit oder Behinderung einer der folgenden unmittelbar auf seine Person bezogenen Leistungen bedarf:

    1. Grundpflege, dazu zählen die Bereiche Mobilität und Motorik (z.B. Betten, Lagern, Hilfe beim An- und Auskleiden), Hygiene (z.B. Körperpflege, Benutzung der Toilette) und Nahrungsaufnahme,
    2. Behandlungspflege (z.B. Verbandwechsel, Injektionen, Katheterisierung, Einreibungen).

Pflegebedürftigkeit liegt nicht vor, wenn nur sonstige Hilfeleistungen (z.B. hauswirtschaftliche Versorgung), Beschäftigung oder psychische und soziale Betreuung erforderlich sind. Als pflegebedürftig gilt, wer aufgrund einer schweren Krankheit der ständigen, das übliche Maß übersteigenden Aufsicht bedarf.

Der Hinweis 4.4 zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 lautet:

4.4 Einrichtungen, die der Betreuung und der Behandlung von Kranken oder Behinderten dienen, können z.B. Frühfördereinrichtungen, Ganztagsschulen, Behindertenwerkstätten und die in Hinweis 2 zu Absatz 1 Nr. 10 Buchstabe b genannten Einrichtungen sein.

b) Die Klägerin ist nicht gehindert, Beihilfe nach § 9 Abs. 1 BhV zu den Kosten für die Unterbringung ihres Sohnes im Heim U. zu verlangen, obwohl der Sozialhilfeträger insoweit vorgeleistet hat. Trotz der Vorleistung des Sozialhilfeträgers ist davon auszugehen, daß der Klägerin die geltend gemachten Aufwendungen entstanden sind.

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats im Urteil vom 15. Juli 1993 (– 6 AZR 685/92BAGE 73, 333 = AP Nr. 2 zu Nr. 1 Beihilfevorschriften), die im Urteil vom 29. Februar 1996 (– 6 AZR 374/95 – nicht veröffentlicht) bestätigt wurde, sowie der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 30. März 1995 – 2 C 5.94 – ZTR 1995, 476) entstehen für den Beihilfeberechtigten Aufwendungen, wenn er vom Sozialhilfeträger zulässigerweise in Anspruch genommen wird. Zwar kann der Sozialhilfeträger den Beihilfeanspruch nicht auf sich überleiten, wenn der Beihilfeberechtigte wegen der Volljährigkeit des Kindes nicht zu den in § 28 BSHG genannten Personen gehört. Dies führt aber nicht dazu, dem Sozialhilfeträger die Inanspruchnahme des Beihilfeberechtigten als Unterhaltspflichtigen zu verwehren. Dem steht auch nicht die Beschränkung der Überleitungsmöglichkeit von Unterhaltsansprüchen nach § 91 Abs. 3 BSHG in der bis zum 26. Juni 1993 geltenden Fassung entgegen, da diese den Eltern des Behinderten, nicht aber dem Arbeitgeber zugute kommen soll, der Leistungen zu gewähren hat, die dem gleichen Zweck wie die dem Behinderten geleistete Hilfe dienen. Dies entspricht dem Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 2 BSHG.

An dieser Rechtsprechung, der auch das Landesarbeitsgericht gefolgt ist, ist festzuhalten. Sie wird auch von der Beklagten in der Revisionsinstanz nicht mehr in Zweifel gezogen.

bb) Der LVR hat die Klägerin zulässigerweise für die von ihm vorgeleisteten Kosten in Anspruch genommen. Die Klägerin war ihrem im Klagezeitraum bereits volljährigen Sohn zum Unterhalt verpflichtet (§§ 1601, 1602 BGB). Diesen Unterhaltsanspruch hat der LVR mit der Rechnungstellung an die Klägerin zulässigerweise auf sich übergeleitet (§ 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG). Deshalb war die Klägerin ihrerseits berechtigt, insoweit einen Behilfeanspruch gegenüber der Beklagten geltend zu machen.

c) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts waren die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BhV i.V.m. den Hinweisen dazu bei der Unterbringung des Sohnes der Klägerin im Heim U. gegeben. Das Arbeitsgericht und darauf Bezug nehmend auch das Landesarbeitsgericht haben aus dem Entwicklungsbericht des Heims U. vom 9. Mai 1990 und den Angaben des Heimes im Formblatt der Beklagten vom 8. Februar 1994 zu Recht gefolgert, daß der Sohn der Klägerin pflegebedürftig i.S.d. Beihilfevorschriften war. Er bedurfte der gelegentlichen Hilfe beim An- und Auskleiden und beim Essen, der häufigen Hilfe bei der Körperpflege und der ständigen Hilfe bei der Verabreichung der lebensnotwendigen Medikamente. Bei der Hilfeleistung handelte es sich nicht nur um eine Anleitung und Beaufsichtigung, sondern eine notwendige Hilfe in dem Sinne, daß der Sohn der Klägerin ohne diese Hilfe die Verrichtungen nicht selbst vornehmen konnte. Die Erforderlichkeit einer ständigen, das übliche Maß übersteigenden Aufsicht wurde daraus begründet, daß er zum Weglaufen, zum Zerstören und zur erhöhten Eigengefährdung neigt.

Diese Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) ist frei von Rechtsfehlern. Das Landesarbeitsgericht hat die maßgeblichen Berichte über den Umfang der Pflege, die dem Sohn der Klägerin zuteil wurde, und auf die sich beide Parteien bezogen haben, berücksichtigt und ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze daraus auf die Pflegebedürftigkeit i.S.d. Beihilfevorschriften geschlossen.

Insoweit greifen die Einwendungen der Beklagten nicht durch. Die Beklagte folgert aus dem Entwicklungsbericht vom 9. Mai 1990, daß der Sohn der Klägerin lediglich der psychischen und sozialen Betreuung bedarf. Dafür hat sie als Beweis die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten. Damit zeigt die Beklagte jedoch keine Rechtsfehler der Beweiswürdigung durch das Landesarbeitsgericht auf, sondern macht nur geltend, das Landesarbeitsgericht hätte den Entwicklungsbericht anders würdigen müssen. Damit kann sie jedoch keinen Erfolg haben.

Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Beweiswürdigung auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen. Diese beruhen zwar auch auf der Würdigung des Entwicklungsberichtes, stützen sich aber im wesentlichen auf die Angaben des Heims im Formblatt der Beklagten. Insoweit hat aber auch die Beklagte nicht geltend gemacht, daß die daraus zu ziehenden Schlußfolgerungen in bezug auf die Pflegebedürftigkeit des Sohnes der Klägerin von einem Sachverständigen anders beurteilt worden wären.

Nach den Feststellungen des Staatlichen Gesundheitsamtes L. vom 17. April 1990 ist mit einer Beendigung der Pflegebedürftigkeit nicht zu rechnen, so daß auch die Voraussetzung nach § 9 Abs. 2 BhV gegeben ist. Zwischen den Parteien ist auch nicht streitig, daß es sich bei dem Heim U. um eine Pflegeeinrichtung i.S.v. § 9 Abs. 1 BhV handelt.

2. Die Kosten für die Betreuung des Sohnes der Klägerin in der Werkstatt für Behinderte waren in der Zeit bis zum 31. Dezember 1991 beihilfefähig nach § 9 Abs. 1 BhV. Danach war Beihilfefähigkeit nicht mehr gegeben.

a) Nach den Beihilfevorschriften in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung (vom 19. September 1989) gehörten zu den Kosten der Pflege i.S.v. § 9 Abs. 1 BhV auch die Kosten für die Betreuung in einer Werkstatt für Behinderte (sog. Werkstattgebühren). Dies ergibt sich aus dem Hinweis Nr. 5 zu § 9 Abs. 1 BhV, der in der damaligen Fassung folgenden Wortlaut hatte:

5. Zu den Kosten der Pflege gehören auch sog. Werkstattgebühren, die an sich Bestandteil des Pflegesatzes sind, jedoch wegen der Anerkennung nach § 55 Schwerbehindertengesetz getrennt neben dem Pflegesatz in Rechnung gestellt werden, soweit sie nicht nach § 58 Abs. 1 Buchstabe a Arbeitsförderungsgesetz zu tragen sind (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1). Versicherungsbeiträge für den Behinderten sind, auch wenn sie in den Werkstattgebühren enthalten sind, nicht beihilfefähig.

Die Werkstattgebühren gehörten danach zu den Aufwendungen, die den Unterbringungskosten i.S.v. § 9 Abs. 1 BhV zuzuordnen waren (vgl. BAG Urteil vom 30. Januar 1985 – 7 AZR 464/82 – AP Nr. 1 zu Nr. 5 Beihilfevorschriften; Schröder/Beckmann/Weber, Bundeskommentar. Beihilfevorschriften, Stand Januar 1997, § 9 BhV Anm. 4 (2)).

b) Nach den Beihilfevorschriften in der ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung sind Werkstattgebühren nicht mehr beihilfefähig nach § 9 Abs. 1 BhV. Dies ergibt sich aus der eindeutigen Regelung im Hinweis Nr. 1 zu § 9 BhV. Danach sind die Beschäftigung und Betreuung z.B. in einer Werkstatt für Behinderte keine Pflege i.S.d. § 9, Werkstattgebühren und Versicherungsbeiträge für den Behinderten sind deshalb nicht beihilfefähig. Ferner sind Werkstätten für Behinderte i.d.R. auch keine Pflegeeinrichtungen i.S.v. § 9 Abs. 1 BhV in der ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung, sondern gehören zu den „anderen Einrichtungen” i.S.d. Hinweises Nr. 2 zu § 9 Abs. 1 BhV (vgl. Bayerischer VGH Urteil vom 16. Februar 1994 – 3 B 93/44 –, zitiert in Schröder/Beckmann/Weber, Bundeskommentar, Beihilfevorschriften, Stand Januar 1996, § 9 BhV Anm. 10 (3)).

c) Die Werkstattgebühren sind auch nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 beihilfefähig, da es sich nicht um eine „häusliche Pflege” handelt. Eine Beihilfefähigkeit kommt auch nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV in Betracht. Zwar gehören nach dem Hinweis Nr. 4.4 zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV auch Behindertenwerkstätten zu den Einrichtungen, die der Betreuung und Behandlung von Kranken und Behinderten dienen. Beihilfefähig nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV sind jedoch nur Heilbehandlungen wie Bäder, Massagen, Bestrahlung, Krankengymnastik, Bewegungs-, Beschäftigungs- und Sprachtherapie. Solche Behandlungen hat der Sohn der Klägerin jedoch unstreitig in der Werkstatt für Behinderte nicht erfahren. Sie sind auch nicht Gegenstand der Kostenaufstellungen des LVR.

3. Der Beihilfeanspruch ist jedoch nur für die Unterbringungskosten für den Monat Dezember 1992 fristgerecht i.S.v. § 17 Abs. 9 BhV geltend gemacht worden. Für die Unterbringungskosten vom 1. Januar 1992 bis zum 30. November 1992 ist die Frist zur Geltendmachung versäumt. Dies gilt auch für die Werkstattkosten für die Zeit vom 28. September 1989 bis zum 31. Dezember 1991.

a) Die Frist zur Geltendmachung des Beihilfeanspruchs bestimmt sich nach folgenden Vorschriften:

§ 17 Abs. 9 der Beihilfevorschriften in der ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung hat folgenden Wortlaut:

(9) Eine Beihilfe wird nur gewährt, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Entstehen der Aufwendungen oder der Ausstellung der Rechnung beantragt wird. Für den Beginn der Frist ist bei Beihilfen nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 der letzte Tag des Monats, in dem die Pflege erbracht wurde, nach § 11 Abs. 2 der Tag der Geburt, der Annahme als Kind oder der Aufnahme in den Haushalt, nach § 12 Abs. 1 der Tag des Ablebens und bei Aufwendungen nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 der Tag der Beendigung der Heilkur maßgebend. Hat ein Sozialhilfeträger vorgeleistet, beginnt die Frist mit dem Ersten des Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Sozialhilfeträger die Aufwendungen bezahlt.

In den Hinweisen Nr. 4 u. 5 ist dazu bestimmt:

4. Leistet der Sozialhilfeträger zu Aufwendungen für eine Person vor, die selbst nach § 28 BSHG Hilfesuchender und nach § 3 Abs. 1 berücksichtigungsfähig ist (z.B. ein volljähriges, unverheiratetes Kind), kann der Beihilfeanspruch nur vom Beihilfeberechtigten geltend gemacht werden. Eine Abtretung ist nicht zulässig (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1). Eine Beihilfe darf nur gewährt werden, wenn der Beihilfeberechtigte dem berücksichtigungsfähigen Angehörigen aufgrund einer Unterhaltspflicht zur Zahlung verpflichtet ist, dies ist nachzuweisen. Beihilfefähig ist nur der Betrag, in dessen Höhe der unterhaltspflichtige Beihilfeberechtigte tatsächlich in Anspruch genommen wird. Hat der vorleistende Sozialhilfeträger in diesen Fällen nach § 91 Abs. 3 BSHG von einer Inanspruchnahme gegenüber dem Unterhaltspflichtigen abgesehen, wird keine Beihilfe gewährt.

5. Hat ein Sozialhilfeträger Aufwendungen vorgeleistet, so liegt ein Beleg i.S. von Absatz 3 Satz 1 vor, wenn die Rechnung

  • den Erbringer der Leistung (z.B. Heim, Anstalt),
  • den Leistungsempfänger (untergebrachte oder behandelte Person)
  • die Art (z.B. Pflege, Heilbehandlung) und den Zeitraum der erbrachten Leistungen und
  • die Leistungshöhe

enthält. Die Rechnung muß vom Erbringer der Leistung erstellt werden. Ausnahmsweise kann auch ein Beleg des Sozialhilfeträgers anerkannt werden, der die entsprechenden Angaben enthält. In diesem Fall ist zusätzlich die Angabe des Datums der Vorleistung (vgl. Absatz 9 Satz 3) und ggf. der schriftlichen Überleitungsanzeige erforderlich.

§ 17 Abs. 10 der Beihilfevorschriften in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung hatte folgenden Wortlaut:

(10) Eine Beihilfe wird nur gewährt, wenn der Beihilfeberechtigte sie innerhalb einer Antragsfrist von einem Jahr nach Entstehen der Aufwendungen oder der ersten Ausstellung der Rechnung beantragt hat. Für den Beginn der Frist ist bei pauschalen Beihilfen nach § 11 Abs. 2 der Tag der Geburt oder der Annahme als Kind, nach § 12 Abs. 1 der Tag des Ablebens und bei Aufwendungen nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 der Tag der Beendigung der Heilkur maßgebend.

Im Hinweis Nr. 2 war dazu bestimmt:

2. Soweit ein Sozialhilfeträger Leistungen erbringt, für die Beihilfen zu gewähren sind, ist für den Beginn der Antragsfrist

  • bei überleitbaren Ansprüchen (§ 90 BSHG) das Datum der Rechnungsausstellung Dritter (z.B. einer Krankenanstalt),
  • bei nicht überleitbaren Ansprüchen, für die der Sozialhilfeträger den Beihilfeberechtigten zulässigerweise in Anspruch nimmt, das Datum der Leistungsaufforderung des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Beihilfeberechtigten

maßgebend.

b) Die Regelung im Hinweis Nr. 2 entsprach der Rechtsprechung des Senats zur Geltendmachung von Beihilfeansprüchen bei der Unterbringung eines volljährigen Kindes in den Fällen, in denen der Sozialhilfeträger den Beihilfeanspruch nicht auf sich überleiten konnte. Maßgebend für den Beginn der Frist des § 17 Abs. 10 BhV war danach die Aufforderung des Sozialhilfeträgers an den Beihilfeberechtigten, für die Pflegekosten Beihilfe zu beantragen. Diese Aufforderung war als Ausstellung der Rechnung i.S.d. § 17 Abs. 10 BhV anzusehen und setzte den Lauf der Jahresfrist in Gang (vgl. BAG Urteil vom 15. Juli 1993 – 6 AZR 685/92 –, a.a.O.).

c) Diese Rechtslage hat das Arbeitsgericht und ihm folgend das Landesarbeitsgericht bei der Beurteilung der fristgerechten Geltendmachung des Beihilfeanspruchs zugrundegelegt. Da der LVR die Klägerin unter Übersendung der Kostenaufstellungen mit Schreiben vom 21. Dezember 1993 aufgefordert hatte, Beihilfe zu beantragen, wäre die Geltendmachung i.S.d. Hinweises Nr. 2 zu § 17 Abs. 10 BhV in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung fristgerecht gewesen.

Durch die Beihilfevorschriften in der ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung ist jedoch in allen Fällen, in denen der Sozialhilfeträger vorgeleistet hat, eine andere Fristenregelung getroffen worden. Die Frist beginnt nach § 17 Abs. 9 Satz 3 BhV mit dem 1. des Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Sozialhilfeträger die Aufwendungen bezahlt. Damit ist die in dem bisherigen Hinweis Nr. 2 enthaltene Regelung über den zeitlich unterschiedlichen Beginn der Frist bei überleitbaren und nicht überleitbaren Ansprüchen beseitigt und durch eine für alle Fälle einheitliche Regelung ersetzt worden. Durch sie soll eine zeitnahe beihilferechtliche Abwicklung der dem Hilfeempfänger gewährten Leistungen gewährleistet werden (vgl. Schröder/Beckmann/Weber, Bundeskommentar, Beihilfevorschriften, Stand Januar 1997, § 17 BhV Anm. 19 (1)).

d) Die Frist zur Geltendmachung von Beihilfeansprüchen i.S.v. § 17 Abs. 9 BhV ist eine Ausschlußfrist (vgl. BAG Urteil vom 21. Dezember 1973 – 4 AZR 59/73 – AP Nr. 1 zu Nr. 4 Beihilfevorschriften), die wie eine tarifliche Ausschlußfrist von Amts wegen zu beachten ist, wenn ihre Geltung für den betreffenden Anspruch in Betracht kommt (vgl. BAG Urteil vom 15. Juni 1993 – 9 AZR 208/92 – AP Nr. 123 zu § 4 TVG Ausschlußfristen).

Dies ist vorliegend der Fall, da die Klägerin Beihilfeansprüche geltend macht, die unter die Regelung des § 17 Abs. 9 BhV fallen. Dabei oblag der Klägerin, die anspruchserhaltende Tatsache der rechtzeitigen Geltendmachung darzulegen (vgl. BAG Urteil vom 9. August 1995 – 6 AZR 1047/94 – AP Nr. 8 zu § 293 ZPO, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Dazu gehört nach der Bestimmung des Hinweises Nr. 5 zu § 17 Abs. 9 BhV in den Fällen, in denen ein Sozialhilfeträger Aufwendungen vorgeleistet hat, auch die Angabe des Datums der Vorleistung, da sich nur daraus die rechtzeitige Geltendmachung i.S.v. § 17 Abs. 9 Satz 1 BhV ergibt.

e) Die Voraussetzungen für eine rechtzeitige Geltendmachung der Beihilfeansprüche nach der Regelung in § 17 Abs. 9 BhV i.V.m. den Hinweisen dazu hat die Klägerin nur hinsichtlich der Aufwendungen für die Unterbringung für den Monat Dezember 1992 hinreichend dargelegt.

Die Klägerin hat mit ihrem Beihilfeantrag vom 23. Dezember 1993 die Kostenaufstellungen für die Unterbringung für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 1992 der Beklagten übersandt, ohne entsprechend der Regelung im Hinweis Nr. 5 gesondert anzugeben, wann diese Aufwendungen vom Sozialhilfeträger an das Heim bezahlt worden sind. Aus den Kostenaufstellungen ergibt sich jedoch, daß monatliche Zahlungen geleistet wurden. Damit kann davon ausgegangen werden, daß die Zahlung bis zum Ende des Monats erfolgt ist. Die Jahresfrist für die Geltendmachung der Ansprüche wurde deshalb nur für den Monat Dezember 1992 gewahrt. Die Aufwendungen beliefen sich auf 5.130,80 DM, woraus sich unter Berücksichtigung eines Selbstbehalts von 200,– DM und eines Beihilfesatzes von 80 v.H. ein Beihilfebetrag in Höhe von 3.944,64 DM ergibt.

Soweit die Klägerin nach Schluß der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, die Unterbringungskosten seien erst jeweils zwei Monate nach Entstehung der Aufwendungen gezahlt worden, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden kann.

f) Die Werkstattkosten für die Zeit vom 28. September 1989 bis zum 31. Dezember 1991 sind mit dem Beihilfeantrag vom 23. Dezember 1993 ebenfalls nicht innerhalb der Jahresfrist nach § 17 Abs. 9 BhV geltend gemacht worden.

4. Anhaltspunkte dafür, daß die Berufung auf die Versäumung der Frist zur Geltendmachung der Ansprüche sich für die Beklagte als unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) erweist, liegen nicht vor.

Soweit die Beklagte in der Revisionsbegründung die fehlerhafte Anwendung der Ausschlußfrist durch das Arbeitsgericht, auf die das Landesarbeitsgericht Bezug genommen hat, rügt, handelt es sich nicht um neuen Sachvortrag, sondern um einen rechtlichen Hinweis, der auch in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen ist. Insoweit macht die Klägerin geltend, die Beklagte verhalte sich mit der Berufung auf die Ausschlußfrist widersprüchlich, weil sie die Beihilfeanträge des LVR vom 25. August 1992 und vom 2. April 1993 als Beihilfeanträge der Klägerin akzeptiert habe. Damit kann sie auch keinen Erfolg haben.

Da der LVR den Beihilfeanspruch der Klägerin nicht auf sich überleiten konnte, konnte er auch rechtswirksam keinen eigenen Beihilfeantrag stellen. Dem entsprach auch die bisherige Praxis. Sowohl nach dem Vortrag der Klägerin als auch nach dem Vortrag der Beklagten hat der LVR vor dem 31. Dezember 1991 stets die Klägerin unter Übersendung der Kostenaufstellungen aufgefordert, den Beihilfeantrag zu stellen, und hat die Klägerin dies auch getan. Von dieser Praxis ist der LVR abgewichen, indem er mit Schreiben vom 25. August 1992 für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis 30. Juni 1992 und mit Schreiben vom 2. April 1993 für die Zeit vom 1. Juli 1992 bis zum 31. Dezember 1992 selbst Beihilfe zu den Unterbringungskosten und den Werkstattkosten beantragt hat.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergeben sich dabei keine Anhaltspunkte dafür, die Beklagte habe die Beihilfeanträge des LVR als von ihr gestellte Beihilfeanträge akzeptiert. Dies folgt schon daraus, daß die Beklagte der Klägerin, wie aus einem Vermerk zum Schreiben der Beklagten vom 8. September 1992 ersichtlich ist, einen entsprechenden Beihilfeantrag mit der Bitte um Ausfüllung übersandt hat. Daß die Beklagte den LVR mit Schreiben vom 30. September 1993 hinsichtlich der Werkstattgebühren für die Zeit bis zum 31. Dezember 1991 auf die Ausschlußfrist hinwies und vorsorglich um Mitteilung bat, wann die Werkstattgebühren für Januar bis März 1992 gezahlt wurden, läßt nicht den Schluß zu, die Beklagte habe entgegen der eindeutigen Regelung im Hinweis Nr. 4 Satz 1 zu § 17 Abs. 9 BhV auf eine Antragstellung durch die Klägerin verzichten wollen.

Die Beklagte hat damit auch keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, sie werde eine Geltendmachung der Werkstattkosten für die Zeit bis zum 31. Dezember 1991 noch im Rahmen der Regelung des § 17 Abs. 10 der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Beihilfevorschriften akzeptieren. Die Regelung des § 17 Abs. 9 Satz 3 BhV trat zum 1. Januar 1992 in Kraft. Damit hätte der LVR auch unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtslage ohne weiteres die bis zum 31. Dezember 1991 entstandenen Werkstattkosten der Klägerin binnen eines Jahres in Rechnung stellen und die Klägerin zur Stellung eines Beihilfeantrags veranlassen können. Daß sich die Beklagte gegenüber der Geltendmachung mit dem Beihilfeantrag vom 23. Dezember 1993 insoweit auf die Ausschlußfrist berief, ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Freitag, Böck, Dr. Armbrüster, R. Kamm, Matiaske

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1100149

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