Entscheidungsstichwort (Thema)

Dienstzeit - Grundwehrdienst bei DDR-Grenztruppen

 

Orientierungssatz

1. Die Tarifvertragsparteien haben durch § 12 Abs 1 Nr 4 des Tarifvertrages für die Angestellten der Deutschen Bahn vom 01.07.1991 von der Anrechnung als Dienstzeit Zeiten ausgenommen, die mit demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren sind und durch die der Arbeitnehmer das Herrschaftssystem der ehemaligen DDR in besonderer Weise unterstützt hat.

2. Hinweise des Senats:

"Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats aus den Urteilen vom 23. Juni 1994 (- 6 AZR 911/93 - BAGE 77, 137, 145), vom 30. März 1995 (- 6 AZR 340/94 - nv), vom 29. Oktober 1998 (- 6 AZR 268/97 - nv) und vom 27. Januar 2000 (- 6 AZR 429/98 - nv) zu dieser und gleichlautenden Tarifregelungen."

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des

Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 22. Juli 1998 - 9 Sa

771/96 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des

Arbeitsgerichts Erfurt vom 24. Oktober 1996 - 9/1/9/3/7/3/5 Ca

382/93 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu

tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Zeit des Grundwehrdienstes, den der Kläger bei den Grenztruppen der ehemaligen DDR abgeleistet hat, als Dienstzeit anzurechnen ist.

Der Kläger ist seit dem 1. September 1982 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin, der Deutschen Reichsbahn, zunächst als Auszubildender, später als Angestellter beschäftigt. Vom 2. November 1988 bis zum 11. Dezember 1989 leistete er seinen Grundwehrdienst als Militärkraftfahrer bei den Grenztruppen der DDR. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die für die Arbeitnehmer der DB AG geltenden Tarifverträge Anwendung. Diese lauten, soweit hier von Bedeutung, wie folgt:

"Mantelt... § 4

Zugehörigkeit zur DB AG

(1) Als Zeit der Zugehörigkeit zur DB AG gelten Zeiten, die in

einem sta) bei der DB AG

...

zurückgelegt wurden.

...

Tarifvertrag über die Sicherung der Einkommen und

Arbeitsbedingungen für die zur DB AG übergeleiteten Arbeitnehmer

(ÜTV)

... § 22

Vorzeiten

(1) Sofern bei der DB AG der Anspruch auf tarifvertragliche

Leistungen eine Zeit der Zugehörigkeit zur DB AG voraussetzt

(zB Jubiläum, Vermögenswirksame Leistungen), sind auch Zeiten,

die bei den Rechtsvorgängern der DB AG in einem ständigen

Arbeitsverhältnis zurückgelegt oder angerechnet wurden, zu

berücksichtigen.

...

Tarifvertrag für die Angestellten der Deutschen Reichsbahn

(AnTV-DR)

... § 12

Dienstzeit

(1) 1. Eisenbahndienstzeit (Beschäftigungszeit) ist die in

einem Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis bei der Deutschen

Reichsbahn zurückgelegte Zeit.

...

4. V(Beschäftigungszeit) sind ausgeschlossen

... b) Zeiten einer Tätigkeit als Angehöriger der

Grenztruppen der DDR (AB 2)

(...)

Von einer Berücksichtigung als Eisenbahndienstzeit

(Beschäftigungszeit) ausgeschlossen sind auch solche

Zeiten, die vor einer Tätigkeit im Sinne der Buchstaben a

bis ...

Ausführungsbestimmungen

... 2. Zeiten einer Tätigkeit als Angehöriger der Grenztruppen der

DDR sind nicht ausgeschlossen, wenn der Angestellte nach der

Einberufung als Wehrpflichtiger zu den Grenztruppen der DDR

dort nur die Grundausbildung geleistet hat und im

unmittelbaren Anschluß daran vom Grenztruppendienst

freigestellt/vorzeitig entlassen worden ist, um bei der DR

wieder Arbeit im Lokfahrdienst, Zugbegleitdienst,

Fahrdienstleiterdienst, Stellwerksdienst oder Rangierdienst zu

leisten. ...

..."

Zu § 22 Abs. 1 ÜTV hat die Beklagte folgenden Anwenderhinweis erlassen: "Die Zeit in einem ständigen Arbeitsverhältnis mit der DR unmittelbar vor der Leistung des Grundwehrdienstes bei den ehemaligen Grenztruppen der DDR ist zu berücksichtigen, wenn sich ein ständiges Arbeitsverhältnis mit der DR unmittelbar nach Abschluß des Grenztruppendienstes anschloß. Die Zeit des Grundwehrdienstes bei den Grenztruppen selbst bleibt ausgeschlossen."

Durch "Dienstzeitberechnung" vom 20. Oktober 1992 setzte die Deutsche Reichsbahn den Beginn der Dienstzeit des Klägers auf den 12. Dezember 1989 fest. Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom 23. Dezember 1992. Die Beklagte erkannte während des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht auch die vor dem Grundwehrdienst bei der Deutschen Reichsbahn zurückgelegte Zeit vom 1. September 1982 bis zum 1. November 1988 als Dienstzeit des Klägers an, nicht aber die Zeit des Grundwehrdienstes selbst.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, auch die Zeit des bei den Grenztruppen der DDR abgeleisteten Grundwehrdienstes sei als Dienstzeit anzurechnen. Die tarifliche Regelung über den Anrechnungsausschluß verstoße gegen den Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG. Dadurch würden Wehrdienstleistende, die ihren Grundwehrdienst bei den Grenztruppen der DDR abgeleistet haben, ohne sachlichen Grund gegenüber Wehrdienstleistenden benachteiligt, die anderen Einheiten der NVA angehört haben. Er habe als Wehrpflichtiger nicht die Möglichkeit gehabt, sich der Einberufung zu den Grenztruppen zu entziehen. Die Rücksichtnahme auf die Opfer der von den Grenztruppen begangenen Menschenrechtsverletzungen rechtfertige die Ungleichbehandlung nicht. Nr. 2 der Ausführungsbestimmungen zu § 12 AnTV-DR zeige, daß die Tarifvertragsparteien nicht von einer einheitlich negativen Bewertung der Grenztruppenzugehörigkeit ausgegangen seien. Auch die in dieser Bestimmung genannten Wehrdienstleistenden seien während der Grundausbildung Angehörige der Grenztruppen gewesen.

Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß ihm die Beklagte die

Zeit vom 2. November 1988 bis zum 11. Dezember 1989 als Dienstzeit

im Sinne des § 12 AnTV-DR anzurechnen hat.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AnTV-DR sei mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Es sei sachlich gerechtfertigt, Zeiten der Zugehörigkeit zu den Grenztruppen der ehemaligen DDR von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit auszuschließen, weil die Grenztruppen aufgrund ihrer Aufgabenstellung ein besonderes Repressionsorgan der ehemaligen DDR gewesen seien.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung des Berufungsurteils zur Wiederherstellung der klageabweisenden Entscheidung des Arbeitsgerichts.

A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Anrechnungsausschluß in § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AnTV-DR sei, soweit er den bei den Grenztruppen geleisteten Grundwehrdienst betreffe, wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG nichtig. Dadurch würden Arbeitnehmer, die ihren Grundwehrdienst bei den Grenztruppen absolviert haben, gegenüber Arbeitnehmern, die ihren Grundwehrdienst anderweitig abgeleistet haben, ohne sachlichen Grund benachteiligt. Die gegenteilige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach allein die Rücksichtnahme der Tarifvertragsparteien auf die Opfer der von den Grenztruppen begangenen Menschenrechtsverletzungen die Ungleichbehandlung rechtfertige, überzeuge nicht. Daß die Tarifvertragsparteien die Zeit des Grundwehrdienstes bei den Grenztruppen der DDR nicht grundsätzlich als anrechnungsunschädlich angesehen hätten, ergebe sich aus Nr. 2 der Ausführungsbestimmungen zu § 12 Abs. 1 Nr. 4 AnTV-DR. Auch während der Grundausbildung hätten die durch diese Regelung begünstigten Wehrdienstleistenden den Grenztruppen angehört. Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz ergebe sich auch daraus, daß als Dienstzeit nicht nur die Zeit des Grundwehrdienstes bei der NVA angerechnet werde, sondern auch der als Wehrersatzdienst geleistete Grundwehrdienst bei den dem Ministerium des Innern angehörenden Einheiten der Bereitschaftspolizei. Aufgabe der Bereitschaftspolizei sei vornehmlich die Gewährleistung der inneren Sicherheit gewesen. Diese Einheiten seien im wesentlichen zu gesellschaftlichen und anderen Höhepunkten eingesetzt worden, um jegliche Störung der "inneren Sicherheit" zu verhindern. Sie seien befugt und in der Lage gewesen, auch politisch motivierte Störungen der "inneren Sicherheit" zu verhindern bzw. gegen diese vorzugehen, ua. auch gegen Demonstranten im Herbst 1989. Ob der bei den Grenztruppen abgeleistete Grundwehrdienst nach § 6 ArbPlSchG als Dienstzeit anzurechnen ist, könne daher offenbleiben.

B. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Zeit des bei den Grenztruppen der DDR abgeleisteten Grundwehrdienstes ist nicht gemäß § 4 Abs. 1 MTV, § 22 Abs. 1 ÜTV, § 12 AnTV-DR als Dienstzeit des Klägers anzurechnen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts verstößt der Ausschluß dieser Zeit von der Anrechnung als Dienstzeit in § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AnTV-DR nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die bei den Grenztruppen abgeleistete Grundwehrdienstzeit ist auch nicht nach § 6 ArbPlSchG als Dienstzeit zu berücksichtigen.

I. Nach § 4 Abs. 1 Buchst. a MTV gelten als Zeit der Zugehörigkeit zur Beklagten Zeiten, die in einem ständigen Arbeitsverhältnis bei ihr zurückgelegt wurden. Sofern der Anspruch auf tarifvertragliche Leistungen eine Zeit der Zugehörigkeit zur Beklagten voraussetzt, sind gemäß § 22 Abs. 1 ÜTV auch Zeiten zu berücksichtigen, die bei einem Rechtsvorgänger der Beklagten in einem ständigen Arbeitsverhältnis zurückgelegt oder angerechnet wurden. Insoweit sind die tariflichen Vorschriften maßgeblich, die bei dem jeweiligen Rechtsvorgänger galten. Dies ist im Falle des Klägers die Bestimmung des § 12 AnTV-DR über die Dienstzeit, da der Kläger vor der Überleitung des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte als Angestellter bei der Deutschen Reichsbahn beschäftigt war.

II. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AnTV-DR sind Zeiten einer Tätigkeit als Angehöriger der Grenztruppen der DDR von der Berücksichtigung als Eisenbahndienstzeit ausgeschlossen. Der Kläger war als Grundwehrdienstleistender "Angehöriger" der Grenztruppen im Sinne der Tarifbestimmung. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats werden nicht nur Zeit- und Berufssoldaten, sondern auch Wehrpflichtige, die ihren Grundwehrdienst bei den Grenztruppen der DDR abgeleistet haben, von dem tariflichen Ausschlußtatbestand erfaßt (Senatsurteile 23. Juni 1994 - 6 AZR 911/93 - BAGE 77, 137, 143, zu I 3 der Gründe zur Übergangsvorschrift Nr. 1 Buchst. b zu § 9 TV Arb-O (Postdienstzeit); 30. März 1995 - 6 AZR 340/94 - nv., zu I 2 a der Gründe zur hier maßgeblichen Bestimmung in § 12 AnTV-DR; 28. Mai 1998 - 6 AZR 585/96 - BAGE 89, 57, 65 f., zu B I 1 b der Gründe; 29. Oktober 1998 - 6 AZR 268/97 - nv., zu II 2 b der Gründe).

Aus Nr. 2 der Ausführungsbestimmungen zu § 12 Abs. 1 Nr. 4 AnTV-DR ergibt sich nichts anderes. Danach sind Zeiten einer Tätigkeit als Angehöriger der Grenztruppen der DDR von der Anrechnung als Dienstzeit nicht ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer nach der Einberufung als Wehrpflichtiger zu den Grenztruppen der DDR dort nur die Grundausbildung abgeleistet hat und im unmittelbaren Anschluß daran vom Grenztruppendienst freigestellt oder vorzeitig entlassen worden ist, um bei der Deutschen Reichsbahn wieder im Lokfahrdienst, Zugbegleitdienst, Fahrdienstleiterdienst, Stellwerksdienst oder Rangierdienst zu arbeiten. Diese Bestimmung, deren Voraussetzungen der Kläger nicht erfüllt, regelt einen Ausnahmefall, auf deren Grundlage sich der Regelungsgehalt des Ausschlußtatbestandes nicht bestimmen läßt. Wegen ihres Ausnahmecharakters bestätigt diese Vorschrift vielmehr den grundsätzlichen Anrechnungsausschluß von Grundwehrdienstzeiten, die bei den Grenztruppen abgeleistet wurden (vgl. Senatsurteil 29. Oktober 1998 - 6 AZR 268/97 - aaO).

III. Die tarifliche Regelung verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Tarifvertragsparteien an die Grundrechte gebunden. Sie haben damit auch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten. Dieser wird durch eine Tarifnorm verletzt, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen (BAG 21. Februar 1991 - 6 AZR 406/89 - BAGE 67, 264, 272, zu II 5 a der Gründe). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Letzteres gilt insbesondere bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen (BAG 23. Juni 1994 - 6 AZR 911/93 - BAGE 77, 137).

2. Der erkennende Senat hat durch Urteile vom 23. Juni 1994 (- 6 AZR 911/93 - aaO zur Übergangsvorschrift Nr. 1 Buchst. b zu § 9 TV Arb-O), vom 30. März 1995 und vom 29. Oktober 1998 (- 6 AZR 340/94 - nv. und - 6 AZR 268/97 - nv. zur hier maßgeblichen Bestimmung in § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AnTV-DR) die unterschiedliche Behandlung von Grundwehrdienstzeiten, die bei den Grenztruppen der DDR abgeleistet wurden, gegenüber sonstigen Grundwehrdienstzeiten wegen der von den Tarifvertragsparteien beabsichtigten Rücksichtnahme auf die Opfer der von den Grenztruppen begangenen Menschenrechtsverletzungen als sachlich gerechtfertigt angesehen. Anders als der NVA, deren Aufgabe grundsätzlich wie die Aufgaben von Armeen anderer Staaten in der herkömmlichen Landesverteidigung bestand, oblag es den Grenztruppen, ua. die Freizügigkeit der in der ehemaligen DDR lebenden Menschen unter Mißachtung elementarer Grundrechte einzuschränken. Dabei stand die Organisation der Grenztruppen als Ganzes für den ihr übertragenen Auftrag. Als mögliche Teilnehmer an solchen Menschenrechtsverletzungen kamen aus Sicht der Opfer alle Grenztruppenangehörigen in Betracht, ohne Rücksicht darauf, ob sie freiwillig oder zur Erfüllung ihrer allgemeinen Wehrpflicht dort hingelangt waren. Es ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden, daß die Tarifvertragsparteien auch Zeiten des Grundwehrdienstes bei den Grenztruppen - unabhängig davon, ob der Wehrpflichtige sich freiwillig zum Dienst bei den Grenztruppen gemeldet hat oder nicht - von der Anrechnung als Dienstzeit ausgeschlossen haben. An dieser Rechtsprechung hält der erkennende Senat fest. Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung.

a) Zu Unrecht stützt das Landesarbeitsgericht seine gegenteilige Auffassung auf Nr. 2 der Ausführungsbestimmungen zu § 12 Abs. 1 Nr. 4 AnTV-DR und meint, wenn in den dort genannten Fällen die Ableistung der Grundausbildung bei den Grenztruppen anrechnungsunschädlich sei, könne die Rücksichtnahme auf die Opfer von Menschenrechtsverletzungen allein die Ungleichbehandlung der Grenztruppenangehörigen gegenüber anderen Angehörigen der NVA nicht rechtfertigen. Das Landesarbeitsgericht verkennt, daß die Grundausbildung der Wehrpflichtigen bei allen Truppenteilen der DDR gleich war. Eine Teilnahme an den Menschenrechtsverletzungen kam daher während der Grundausbildung, auch wenn diese bei den Grenztruppen durchgeführt wurde, regelmäßig nicht in Betracht. Deshalb ist es sachlich gerechtfertigt, daß die Tarifvertragsparteien solche Wehrdienstzeiten vom Anrechnungsausschluß ausgenommen haben. Zu dieser pauschalierenden Regelung berechtigt der den Tarifvertragsparteien zustehende Beurteilungsspielraum (vgl. BAG 29. Oktober 1998 - 6 AZR 268/97 - nv., zu II 3 b aa der Gründe; 27. Januar 2000 - 6 AZR 429/98 - nv.).

b) Die Regelung in § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AnTV-DR verstößt entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts auch nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil Zeiten des Grundwehrdienstes, den ein Arbeitnehmer als Wehrersatzdienst bei den Einheiten der Bereitschaftspolizei geleistet hat, nicht von dem Anrechnungsausschluß erfaßt sind.

Die Tarifvertragsparteien haben durch § 12 Abs. 1 Nr. 4 AnTV-DR von der Anrechnung als Dienstzeit Zeiten von Tätigkeiten ausgenommen, die mit demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren sind und durch die der Arbeitnehmer das Herrschaftssystem der ehemaligen DDR in besonderer Weise unterstützt hat (BAG 28. Mai 1998 - 6 AZR 618/96 - BAGE 89, 70, 75, zu II 1 a der Gründe). Diese Voraussetzungen haben die Tarifvertragsparteien bei Tätigkeiten für das MfS und bei Zugehörigkeit zu den Grenztruppen wegen der besonderen Aufgaben dieser Institutionen als Hauptrepressionsorgane der ehemaligen DDR immer als gegeben angesehen und deshalb Zeiten solcher Tätigkeiten von der Anrechnung als Dienstzeit generell ausgeschlossen. Daß sie die Zugehörigkeit zu den Einheiten der Bereitschaftspolizei nicht in gleicher Weise eingeschätzt haben, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Es mag sein, daß die Einheiten der Bereitschaftspolizei im Einzelfall grundrechtsfeindlich und rechtsstaatswidrig tätig wurden. Aufgrund ihrer allgemeinen Aufgabenstellung mußten sie dies im Gegensatz zu MfS und Grenztruppen jedoch nicht. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bestand ihre Aufgabe vielmehr in der Gewährleistung der inneren Sicherheit. Dieser tatsächliche Unterschied in der Aufgabendefinition stellt einen sachlichen Grund dafür dar, die Wehrdienstleistenden, die ihren Grundwehrdienst bei den Einheiten der Bereitschaftspolizei abgeleistet haben, anders zu behandeln als Wehrdienstleistende, die während ihres Grundwehrdienstes den Grenztruppen angehört haben (BAG 27. Januar 2000 - 6 AZR 429/98 - nv.).

IV. Die tarifliche Regelung verstößt nicht gegen § 6 Abs. 2 Satz 2 Arbeitsplatzschutzgesetz. Nach dieser Bestimmung gilt die Zeit des Grundwehrdienstes oder einer Wehrübung als Dienst- und Beschäftigungszeit im Sinne der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes. Dazu gehört der bei den Grenztruppen der DDR abgeleistete Grundwehrdienst nicht.

Das Arbeitsplatzschutzgesetz findet als Nebengesetz zum Wehrpflichtgesetz und zum Soldatengesetz nur auf Arbeitnehmer Anwendung, deren Einberufung durch auf der Wehrgesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland beruhende staatliche Maßnahmen veranlaßt worden ist und - im Hinblick auf den in Art. 48 EWG-Vertrag und Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 38/64/EWG des Rates vom 25. März 1964 und Art. 7 der Verordnung Nr. 1612/68/EWG des Rates vom 15. Oktober 1968 verankerten gemeinschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz - auf in der Bundesrepublik beschäftigte Arbeitnehmer aus Ländern der Europäischen Union, die in ihrem Heimatland zum Wehrdienst einberufen werden (BAG 5. Dezember 1969 - 5 AZR 215/68 - BAGE 22, 232; EuGH 15. Oktober 1969 - RS 15/69 - Slg. 1969, 363; ErfK/Ascheid § 1 ArbPlSchG Rn. 1 mwN). Der aufgrund der Wehrgesetzgebung der DDR geleistete Grundwehrdienst bei den Grenztruppen ist daher kein Wehrdienst im Sinne des Arbeitsplatzschutzgesetzes (BAG 27. Januar 2000 - 6 AZR 429/98 - nv.).

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Dr. Peifer

Dr. ArmbGräfl R. Schwarck

Matiaske

 

Fundstellen

Dokument-Index HI611025

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