Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergangsgeld und Erziehungsurlaub

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bezüge im Sinne des § 63 Abs 3 Satz 1 BAT sind lediglich die fortlaufend gezahlten Geldleistungen für Arbeits- und Dienstleistungen in einem Beamten-, Arbeits- oder Soldatenverhältnis. Einmalige Sonderzahlungen wie tarifvertragliches Urlaubsgeld und die tarifvertragliche Sonderzuwendung sind keine Bezüge im Sinne dieser Vorschrift.

2. Erziehungsurlaub nach dem BErzGG ist eine Beurlaubung im Sinne des § 63 Abs 3 Satz 1 BAT.

3. § 63 Abs 3 Satz 1 BAT verstößt im Hinblick auf § 47 BeamtVG und auf § 66 MTL 2 nicht gegen das Gleichheitsgebot des Art 3 Abs 1 GG.

 

Normenkette

MTL §§ 66, 65; BGB § 781; MTL 2 §§ 65-66; BErzGG § 15; GG Art. 3 Abs. 1; BeamtVG § 47; BAT § 63 Abs. 3, § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 19.05.1989; Aktenzeichen 9 Sa 255/89)

ArbG Aachen (Entscheidung vom 24.01.1989; Aktenzeichen 4 Ca 1950/88)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Bemessung des tarifvertraglichen Übergangsgeldes.

Die 1954 geborene Klägerin war von Juli 1970 bis Juni 1988 beim beklagten Studentenwerk als Angestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung.

Die Klägerin nahm nach der Geburt ihrer beiden Kinder in der Zeit vom 13. August 1986 bis 16. April 1987 und vom 17. Oktober 1987 bis 20. Juni 1988 Erziehungsurlaub nach dem BErzGG. Zugleich mit ihrer Erklärung vom 30. August 1987 für die zweite Erziehungsurlaubsperiode sprach die Klägerin die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum Ablauf des Erziehungsurlaubs aus und beantragte die Gewährung von Übergangsgeld. Darüber ist im Bundes-Angestelltentarifvertrag u.a. bestimmt:

"§ 62

Voraussetzungen für die Zahlung des

Übergangsgeldes

(1) Der Angestellte, mit dem die regelmäßige

Arbeitszeit (§ 15 und die Sonderregelungen

hierzu) vereinbart ist und der am Tage der

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

a)das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet

hat und

b)in einem ununterbrochenen Angestellten-

verhältnis von mindestens einem Jahr bei

demselben Arbeitgeber gestanden hat,

erhält beim Ausscheiden ein Übergangsgeld.

§ 63

Bemessung des Übergangsgeldes

(1) Das Übergangsgeld wird nach der dem Ange-

stellten am Tage vor dem Ausscheiden zuste-

henden Vergütung (§ 26) bemessen. Steht an

diesem Tage keine Vergütung zu, so wird das

Übergangsgeld nach der Vergütung bemessen,

die dem Angestellten bei voller Arbeitslei-

stung am Tage vor dem Ausscheiden zugestanden

hätte.

...

(3) Als Beschäftigungsverhältnis gelten alle bei

den in Absatz 2 genannten Arbeitgebern in

einem Beamten-, Arbeits- oder Soldaten-

verhältnis zurückgelegten Zeiten aus-

schließlich derjenigen, für die wegen

Beurlaubung keine Bezüge gezahlt wurden. ..."

Das beklagte Studentenwerk teilte der Klägerin in einem Schreiben vom 28. September 1987 mit, ihr stehe ein Übergangsgeld in Höhe 15/4 der letzten Monatsvergütung zu, das nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt werde. Mit Schreiben vom 6. Januar 1988 korrigierte es die Höhe des Übergangsgeldes auf 14/4 mit der Begründung, die Zeiten des Erziehungsurlaubs müßten bei der Berechnung der Beschäftigungszeit ausgeklammert werden. In der Folgezeit erhielt die Klägerin nur Übergangsgeld in Höhe von 14/4 der letzten Monatsvergütung.

Die Klägerin hat gemeint, einen Anspruch auf insgesamt 15/4 der letzten Monatsvergütung und daher auf ein weiteres Viertel in unstreitiger Höhe von 899,21 DM zu haben. Der gesetzliche Erziehungsurlaub sei keine Beurlaubung im Sinne des § 63 Abs. 3 Satz 1 BAT. Im übrigen habe sie - unstreitig - Bezüge in Form des Urlaubsgeldes und der Zuwendung bekommen. Diese Leistungen seien auf die einzelnen Monate des Bezugszeitraums und damit auf Zeiten des Erziehungsurlaubs umzulegen. So habe sie in dieser Zeit Bezüge im Sinne des § 63 Abs. 3 Satz 1 BAT erhalten. Diese Vorschrift verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn der Erziehungsurlaub als Beurlaubung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sei, weil bei Arbeitern des Landes der Erziehungsurlaub vollständig und bei Beamten bis zu einer Dauer von sechs Monaten berücksichtigt werde. Schließlich folge der Anspruch aus einem von der Beklagten im Schreiben vom 28. September 1987 abgegebenen Schuldanerkenntnis.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

an sie 899,2 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, bei der Ermittlung der Beschäftigungsjahre der Klägerin seien die beiden Zeiten des Erziehungsurlaubes nicht zu berücksichtigen. Diese seien als Zeiten, für die wegen Beurlaubung keine Bezüge gezahlt wurden, ausgeschlossen. Die Klägerin habe während des Erziehungsurlaubes keine anteiligen Bezüge erhalten, weil hierunter nur die Vergütung zu verstehen sei, nicht jedoch das der Klägerin gewährte Urlaubsgeld sowie die Zuwendung. Die unterschiedlichen Regelungen für Arbeiter, Angestellte und Beamte verstießen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil die Rechtsverhältnisse dieser drei Gruppen nicht nur im Bereich des Übergangsgeldes unterschiedlich geregelt seien und deshalb ungleiche Tatbestände vorlägen. Das Schreiben vom 28. September 1987 enthalte kein Schuldanerkenntnis.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin weiter ihr erstinstanzliches Ziel, während die Beklagte Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Klägerin könne sich weder auf ein konstitutives Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB noch auf ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis berufen. Die Auslegung des Schreibens der Beklagten vom 28. September 1987 lasse weder einen Willen zur Schaffung eines selbständigen Schuldgrundes erkennen noch habe zum Zeitpunkt des Schreibens ein Streit oder eine Ungewißheit über die Höhe des Übergangsgeldes bestanden. Die Klägerin habe auch keinen tarifvertraglichen Anspruch. Die Zeiten des Erziehungsurlaubs der Klägerin seien bei der Berechnung des Übergangsgeldes nicht mitzuberücksichtigen. Es handele sich beim gesetzlichen Erziehungsurlaub um eine Zeit, für die wegen Beurlaubung keine Bezüge im Sinne des § 63 Abs. 3 Satz 1 BAT zu zahlen seien. Die Klägerin habe während des Erziehungsurlaubs keine Bezüge erhalten. Darunter sei nur die Vergütung zu verstehen, nicht jedoch das Urlaubsgeld oder die Zuwendung. Die Tarifvertragsparteien hätten mit der tariflichen Regelung nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Die von der Klägerin herangezogenen Bestimmungen für Beamte und Arbeiter seien in ihrer Gesamtheit grundsätzlich verschieden angelegt. Deshalb könne eine Gleichbehandlung im Bezug auf den Teilbereich der anrechnungsfähigen Beschäftigungszeiten nicht in Betracht kommen.

Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

II. Die Klägerin hat keinen tarifvertraglichen Anspruch auf Übergangsgeld in Höhe eines weiteren Viertels der letzten Monatsvergütung gemäß den §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 und 2 BAT. Das beklagte Studentenwerk hat die Zeiten des Erziehungsurlaubs zu Recht bei der Bemessung der für die Höhe des Übergangsgeldes maßgeblichen Dauer der Beschäftigung nicht einbezogen. Denn die Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin Erziehungsurlaub genommen hat, sind Zeiten im Sinne des § 63 Abs. 3 Satz 1 BAT, für die wegen Beurlaubung keine Bezüge gezahlt wurden.

1. Die Nichtberücksichtigung der Zeiten des Erziehungsurlaubes rechtfertigt nicht schon das Ruhen des Arbeitsverhältnisses während des Erziehungsurlaubs (Senatsurteile vom 10. Mai 1989 - 6 AZR 660/87 - EzA § 16 BErzGG Nr. 2 = NZA 1989, 759 und vom 7. Dezember 1989 - 6 AZR 322/88 - EzA § 4 TVG Metallindustrie Nr. 66 = NZA 1990, 494, jeweils auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 BAT sind alle in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegten Zeiten zu berücksichtigen, wobei es nur auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses ankommt (Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Januar 1991, § 63 Rz 17). Das Arbeitsverhältnis besteht während des Erziehungsurlaubs fort.

2. Die Klägerin hat für die Zeiten des Erziehungsurlaubs keine Bezüge im Sinne des § 63 Abs. 3 Satz 1 BAT bekommen. Das ergibt die Auslegung des von den Tarifvertragsparteien nicht näher erläuterten Tarifbegriffs.

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt dem für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Es ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages, gegebenenfalls auch eine praktische Tarifübung, ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Senatsrechtsprechung; BAGE 62, 217, 221 = AP Nr. 103 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, m.w.N.).

b) Nach dem Wortlaut der Tarifvorschrift können unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs sowohl das staatliche Erziehungsgeld nach dem BErzGG als auch das tarifvertragliche Urlaubsgeld und die tarifvertragliche Zuwendung als Bezüge verstanden werden. Die Anknüpfung der besonderen Leistung "Übergangsgeld" an die Dauer der Beschäftigung und ihrer Aktualisierung läßt eine Unterordnung von Leistungen Dritter, die dem Dienstherrn oder Arbeitgeber nicht zugerechnet werden können, unter den Bezügebegriff des § 63 Abs. 3 Satz 1 BAT allerdings ausscheiden. Staatliches Erziehungsgeld gehört demnach nicht dazu.

c) Urlaubsgeld und Zuwendung können auch nicht deswegen vom Bezügebegriff des § 63 Abs. 3 Satz 1 BAT ausgenommen werden, weil sie keine Vergütung im Sinne des § 26 BAT sind und weil sie keine Bezüge im Sinne des § 36 BAT sein sollen (Uttlinger/Breier/ Kiefer/Hoffmann, BAT, Stand Januar 1991, § 36 Erl. 2). Der Begriff der Bezüge des § 63 Abs. 3 Satz 1 BAT geht weiter als der Begriff der Vergütung nach § 26 BAT und der Begriff der Bezüge nach § 36 BAT. In diesen Vorschriften werden allein arbeitsrechtliche Gegenleistungen für erhaltene oder zu erwartende Arbeitsleistungen eines Angestellten im öffentlichen Dienst geregelt. Demgegenüber korrespondiert der Bezügebegriff des § 63 Abs. 3 Satz 1 BAT mit dem das Arbeitsverhältnis, das Beamten- und Soldatenverhältnis einschließenden weiten Begriff des Beschäfti-gungsverhältnisses und umfaßt die Besoldung der Beamten und Soldaten, die der Angestellte gegebenenfalls in einem früheren Beschäftigungsverhältnis öffentlich-rechtlicher Art von einem der in § 63 Abs. 2 BAT genannten Arbeitgeber erhalten hat.

d) Die Gesamtregelung des § 63 Abs. 3 BAT läßt jedoch erkennen, daß unter Bezüge im Sinne dieser Vorschrift die für Arbeits- und Dienstleistungen fortlaufend gezahlten Gegenleistungen verstanden werden sollen. Einmalige Sonderleistungen, insbesondere das Urlaubsgeld und die Zuwendung, mit denen auch andere Zwecke als der Ausgleich für geleistete Arbeiten und Dienste verfolgt werden, sind daher keine Bezüge im Sinne dieser Vorschrift. Aus der Verknüpfung des Begriffs Bezüge mit der Beurlaubung folgt, daß Bezüge im Sinne dieser Vorschrift nur diejenigen sein können, die aufgrund einer Freistellung von der Arbeitsleistung im Arbeits-, Beamten- und Soldatenverhältnis dem Grunde nach überhaupt wegfallen können. Das ist beim tarifvertraglichen Urlaubsgeld und bei der tarifvertraglichen Zuwendung nicht der Fall. Umgekehrt wird nach § 1 Abs. 3 des Tarifvertrages über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16. März 1977 das Urlaubsgeld bei der Berechnung der sonstigen Leistungen wie dem tarifvertraglichen Übergangsgeld nicht berücksichtigt.

3. Die Klägerin hat von der Beklagten die Bezüge auch wegen des Erziehungsurlaubs nicht erhalten. Erziehungsurlaub ist ein Fall der Beurlaubung im Sinne des § 63 Abs. 3 Satz 1 BAT. Das ergibt die nach oben genannten Grundsätzen durchgeführte Tarifauslegung.

a) Der Erlaß des Ministers für Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21. Januar 1988 - B 4000 - 1.93 - IV 1 - (MBl NW 1988, 204), wonach Zeiten des Erziehungsurlaubs als Zeiten der Beurlaubung ohne Bezüge im Sinne des § 63 Abs. 3 Satz 1 BAT anzusehen sind, ist allerdings nicht maßgeblich. Er hat keine bindende Wirkung für das Arbeitsverhältnis der Parteien. Derartige vom Arbeitgeber erlassene Dienst- und Verwaltungsanweisungen können nur dann Bedeutung für das Arbeitsverhältnis erlangen, wenn ihr Inhalt entweder einzelvertraglich in Bezug genommen worden ist oder wenn die Tarifvertragsparteien die Bindung durch eine tarifliche Verweisungsnorm bestimmt haben (Senatsurteil vom 7. Juni 1990 - 6 AZR 573/88 - ZTR 1990, 475, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). So verhält es sich im Streitfall nicht.

b) Nach dem Wortlaut des § 63 Abs. 3 Satz 1 BAT ist Erziehungsurlaub nach dem BErzGG als Beurlaubung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen (herrschende Meinung: Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, aaO, § 63 Rz 17; Crisolli/Tiedtke/Ramdohr, Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst, Stand August 1990, § 63 BAT Erl. 2 und 14; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand Oktober 1990, § 63 Erl. 3; wohl auch Uttlinger/Breier/Kiefer/ Hoffmann, aaO, § 63 Erl. 3 und 4). Nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch bedeutet Beurlaubung allgemein jede Art des entschuldigten Fernbleibens. Als Beurlaubung kommt mithin jede Freistellung von der Arbeits- oder Dienstleistung in Betracht, wobei der Rechtsgrund unerheblich ist.

c) Der Tarifzusammenhang bestätigt die Auslegung nach dem Wortlaut. Die Tarifvertragsparteien haben nämlich ausdrücklich nicht an die Terminologie des XI. Abschnitts des BAT (Urlaub, Arbeitsbefreiung) angeknüpft, sondern den allgemeineren Begriff der Beurlaubung verwendet. Das läßt den Willen der Tarifvertragsparteien erkennen, den Begriff der Beurlaubung in einem weiten Sinne verstanden wissen zu wollen.

d) Der Sinn und Zweck des tarifvertraglichen Übergangsgeldes steht einer Nichtberücksichtigung der Zeiten des Erziehungsurlaubs gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz BAT nicht entgegen. Zu Unrecht meint die Revision, das Übergangsgeld sei eine Sonderzuwendung, die den Zweck verfolge, eine erbrachte langjährige Betriebstreue zu belohnen und deshalb nicht an eine tatsächliche Arbeitsleistung anknüpfe. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das tarifvertragliche Übergangsgeld eine außergewöhnliche, im Arbeitsleben wenig verbreitete arbeitgeberseitige Sonderleistung mit spezifischem Rechtscharakter. Es ist nicht, jedenfalls nicht in erster Linie Entgelt für die vom Angestellten geleistete Arbeit, sondern wird in Erfüllung einer tariflich normierten, weiterwirkenden Fürsorgepflicht gewährt, um dem ausscheidenden Arbeitnehmer seine bisherigen Bezüge für einen Übergangszeitraum zu sichern, bis er eine andere Erwerbsgrundlage gefunden hat (BAG Urteil vom 20. März 1974 - 4 AZR 274/73 - AP Nr. 1 zu § 62 BAT; BAGE 53, 371, 380 = AP Nr. 11 zu § 62 BAT). Das Übergangsgeld soll als Überbrückungs- und Umstellungshilfe dienen (BAG Urteil vom 5. Februar 1981 - 3 AZR 748/79 - AP Nr. 188 zu § 242 BGB Ruhegehalt; BAGE 42, 212, 215 = AP Nr. 5 zu § 63 BAT) und die Aufrechterhaltung des bisherigen sozialen Status für einen bestimmten Zeitraum sicherstellen (BAGE 53, 371, 380 = AP, aaO). Es ist zwar keine Versorgungsleistung, hat aber zumindest auch Versorgungscharakter, weil es erst nach Ausscheiden des Arbeitnehmers ausgezahlt wird (vgl. BAG Urteil vom 14. Februar 1977 - 4 AZR 579/75 - AP Nr. 5 zu § 70 BAT). Daneben lassen die Voraussetzungen für die Zahlung des Übergangsgeldes erkennen, daß erwiesene Betriebstreue belohnt und ein Entgelt für die in der Vergangenheit tatsächlich geleistete Arbeit gezahlt wird (BAG Urteil vom 18. August 1976 - 4 AZR 284/75 - AP Nr. 2 zu § 62 BAT; BAGE 45, 270, 273 = AP Nr. 11 zu § 42 SchwbG). Eine Vorschrift, die die Höhe des Übergangsgeldes u.a. von der tatsächlichen Beschäftigung abhängig macht, steht mit diesem Zweck in Einklang.

4. Die Vorschrift des § 63 Abs. 3 Satz 1 BAT verstößt auch nicht gegen § 15 Abs. 4 BErzGG. Die tarifliche Berechnungsvorschrift schließt weder den Anspruch der Erziehungsgeldberechtigten auf Gewährung des Erziehungsurlaubs aus noch beschränkt sie ihn.

5. Die Berechnungsvorschrift des § 63 Abs. 3 Satz 1 BAT verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Tarifvertragsparteien an die Grundrechte gebunden (vgl. BAGE 50, 137, 141 = AP Nr. 136 zu Art. 3 GG, m. w. N.; Wiedemann/ Stumpf, TVG, 5. Aufl., Einl. Rz 57). Sie haben somit ebenso wie der staatliche Gesetzgeber Art. 3 GG zu beachten. Der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG wird durch eine Tarifnorm dann verletzt, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Die Tarifvertragsparteien haben hiernach eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Aufgabe der Gerichte ist es nicht zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen haben; sie haben lediglich zu kontrollieren, ob die bestehende Regelung die Grenzen des Gestaltungsspielraumes der Tarifvertragsparteien und damit die Grenzen der Tarifautonomie überschreitet (BAG Urteil vom 1. Juni 1983 - 4 AZR 566/80 - AP Nr. 5 zu § 611 BGB Deputat; BAGE 54, 210, 213 f. = AP Nr. 3 zu § 52 BAT).

b) Die Regelungen in den Übergangsgeldvorschriften des § 47 BeamtVG und des § 66 Abs. 1 MTL II sind für ausscheidende Beamte und Arbeiter günstiger als für Angestellte. In der einschränkenden Regelung für Angestellte liegt jedoch kein Verstoß gegen ein Grundrecht.

Es kann dahinstehen, inwieweit eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes bereits deswegen ausscheidet, weil die Vorschriften des BeamtVG und des MTL II von anderen Normgebern gesetzt worden sind und der Gleichheitssatz für Tarifvertragsparteien nicht die Verpflichtung begründet, Regelungen an den von einem anderen Normgeber aufgestellten Vorschriften zu orientieren. Denn die Regelungsbereiche Übergangsgeld im BAT einerseits und im BeamtVG und MTL II andererseits stellen keine gleichen Sachverhalte im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes dar, die in den Rechtsfolgen gleich zu behandeln wären. Vielmehr sind Beamtenversorgungsgesetz und Tarifvertrag für Arbeiter der Länder jeweils eigenständige, aufeinander abgestimmte Normwerke, die im Vergleich zum BAT an vielen Stellen, gerade im Entgeltbereich, unterschiedliche Regelungen ausweisen. Diese in der Unterschiedlichkeit der Beschäftigungsverhältnisse begründete Eigenständigkeit der jeweiligen gesetzlichen oder tariflichen Bestimmungen verbietet es anzunehmen, die unterschiedlichen Normgeber hätten in einem Teilbereich vergleichbare Sachverhalte geregelt. Durch die Einbettung einer oder mehrerer Vorschriften in dem jeweiligen gesetzlichen oder tariflichen Gesamtzusammenhang verlieren sie ihre Vergleichbarkeit zu den Komplexen anderer Gesetze oder Tarifwerke. Entsprechend können die jeweiligen Rechtsfolgen von den Tarifvertragsparteien ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG abweichend bestimmt werden, solange der ihnen eingeräumte Ermessens- und Gestaltungsspielraum gewahrt ist (BAG Urteil vom 18. August 1976 - 4 AZR 284/75 - AP Nr. 2 zu § 62 BAT).

III. Die Klägerin hat auch keinen einzelvertraglichen Anspruch auf Zahlung des 15. Viertels Übergangsgeld. Das Landesarbeitsgericht hat die Erklärung des beklagten Studentenwerkes vom 28. September 1987 dahin ausgelegt, daß es weder ein konstitutives noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis habe abgeben wollen. Das Landesarbeitsgericht hat eine atypische Willenserklärung ausgelegt, die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG Urteil vom 27. Juni 1963 - 5 AZR 383/62 - AP Nr. 5 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsschluß; BAG Urteil vom 27. Februar 1970 - 1 AZR 143/69 - AP Nr. 2 zu § 781 BGB; BAG Urteil vom 17. April 1970 - 1 AZR 302/69 - AP Nr. 32 zu § 133 BGB) der revisionsrechtlichen Überprüfung nur insoweit unterliegt, ob das Berufungsgericht einen Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungsgrundsätze begangen hat oder die gesetzlichen Auslegungsregeln verletzt hat. Ein derartiger Verstoß ist im Streitfall weder erkennbar noch von der Revision gerügt.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Röhsler Dörner

zugleich für den erkrankten

Richter Prof. Dr. Jobs.

Dr. Gehrunger Schwarck

 

Fundstellen

Haufe-Index 440770

BAGE 67, 264-273 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

BAGE, 264

BB 1991, 1787

BB 1991, 1787-1788 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

DB 1991, 2671-2671 (Leitsatz 1-3)

FamRZ 1991, 934 (Leitsatz)

NZA 1991, 595-597 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

RdA 1991, 192

USK, 9102 (Leitsatz und Gründe)

WzS 1992, 251 (Leitsatz)

ZAP, EN-Nr 726/91 (red. Leitsatz)

ZTR 1991, 384-386 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

AP § 63 BAT (Leitsatz 1-3 und Gründe), Nr 9

AR-Blattei, Öffentlicher Dienst Entsch 376 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

EzBAT § 63 BAT, Nr 5 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

PersR 1991, 480 (Leitsatz)

PersV 1991, 546 (Leitsatz)

SVFAng Nr 72, 7 (1992) (Kurzwiedergabe)

VersorgVerw 1991, 63 (Kurzwiedergabe)

VersorgVerw 1992, 15 (Kurzwiedergabe)

ZfPR 1992, 178-179 (Leitsatz)

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